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Hunde kommen gewöhnlich nur zum Drogenaufspüren ins Gefängnis. Nicht so in Aichach nahe Augsburg in Bayern. Dort besucht Retriever-Rüde Sunnyboy regelmäßig gefangene Frauen. Ein Projekt des katholischen SkF.
Ob Mörderin oder Reporter - Sunnyboy macht keinen Unterschied. Schnüffelnd stupst der Hund mit der Nase ans Bein, wedelt freudig mit dem Schwanz. "So ist er zu jedem", sagt sein Frauchen Karina Brändlin (50): "Sunny sieht nur: Mensch - spannend."
Keine schlechte Voraussetzung für das, was der Flat Coated Retriever jeden zweiten Montag drei Stunden macht: Er besucht inhaftierte Frauen in der Justizvollzugsanstalt in Aichach nahe Augsburg.
Wie der Hund die Atmosphäre im Knast verändert
Das Ganze ist ein Projekt des Münchner Sozialdienstes katholischer Frauen (SkF). Dort arbeitet Karina Brändlin als Sozialpädagogin in der Straffälligenhilfe. Seit etwas mehr als einem Jahr nimmt sie regelmäßig Sunnyboy mit zu ihren Einsätzen.
"Seine Anwesenheit verändert die Atmosphäre", sagt sie. "Die Frauen fahren runter und werden offener."
Der Hund als Eisbrecher
Direkt beobachten lässt sich das nicht; bei Sunnys Knastgängen ist keine Medienbegleitung erlaubt. Aber wer Sunny sieht, glaubt die Schilderung sofort: So gutmütig wirkt der hüfthohe, sieben Jahre alte Rüde mit dem schwarzen Zottelfell, so warm der Blick seiner braunen Augen.
Dazu, dass der Hund nicht nur Gassi geht, sondern auch hinter Gitter, ist es zufällig gekommen. "Ich habe ihn ab und zu mit ins Büro oder zu Terminen mitgenommen, wenn zu Hause niemand auf ihn aufpassen konnte", erzählt Karina Brändlin. "Da war er immer ein Eisbrecher."
So kam der Hund ins Gefängnis
Irgendwann habe eine Hundetrainerin sie ermuntert, Sunny zum Therapiehund ausbilden zu lassen. "Nach der Prüfung ist meiner Chefin und mir die Idee gekommen, Sunny mit ins Gefängnis zu nehmen."
Der SkF kontaktierte die Justizvollzugsanstalt (JVA) und Bayerns Justizministerium, so Brändlin. Beide Einrichtungen waren demnach aufgeschlossen - wenn man das im Kontext Haft so sagen darf.
Knast-Erlebnis mit Hund
Brändlin und Sunny treffen die Häftlinge nun meist im Besucherraum, manchmal spazieren sie auch auf dem Anstaltsgelände. Was genau sie tun? "Vorhin habe ich eine Frau, die ein Problem mit Grenzen hat, aus Stangen einen Weg legen lassen", berichtet Brändlin. "Sie sollte darauf gehen und Sunny daneben laufen lassen." Das habe gut geklappt. "Dann habe ich die harten Barrieren gegen weiche Bänder getauscht. Plötzlich ging Sunny kreuz und quer. Dass die Frau das mit sich machen lassen würde - so was spürt er sofort. Oft besser als ich."
So habe sie der Insassin ein Verhaltensmuster veranschaulicht, erläutert Brändlin. “Da hat sie gemerkt: Stimmt, ich lasse Sachen mit mir machen, die mir gegen den Strich gehen. Tabak abgeben, wenn andere Insassinnen schnorren, etwa.”
Wie die Insassinnen auf den Hund reagieren
Aus so einem Verhalten könnten Wut und Aggression erwachsen. Daher sei es gut daran zu arbeiten, Achtsamkeit für sich und die Umwelt zu entwickeln. "Außerdem probieren wir Handlungsalternativen aus. Die Arbeit mit Täterinnen dient immer der Resozialisierung und damit dem Opferschutz. Jede verhinderte Straftat ist ein Gewinn."
Was die Gefangenen selbst zu Sunnyboys Besuchen sagen, kann man sie nicht fragen. Eine hat ein Statement verfasst: "Ich mache mit Sunny einfache Übungen und komme dadurch an teils tief verborgene Gefühle, die Menschen in mir nicht auslösen", schreibt sie. "Seine Anwesenheit alleine gibt mir innere Ruhe und Geborgenheit."
Wenn Mörderinnen mit einem Hund kuscheln
Manche kuschelten auch mit Sunny, ergänzt Karina Brändlin. “Nähe ist im Gefängnis Mangelware.”
Wie sie das findet, wenn andere Leute ihrem Hund so nahe kommen? Zumal solche mit kriminellem Hintergrund? “Mord, Diebstahl, Betrug - alles dabei. Aber die Delikte sind mir nicht wichtig. Es geht mir um den Menschen.”
Keine Zwischenfälle
Zudem wähle das Gefängnis die Frauen aus, die am Programm teilnehmen dürften. "Da kommt niemand Gefährliches." Zwischenfälle gebe es nicht.
Jede Frau besuchen Brändlin und Sunny in der Regel zehn Mal. Für manche ändert sich dadurch schnell der Alltag.
Für den Gefängnis-Hund gibt es schon einen Nachfolger
"Einmal sollte eine Klientin Sunny nonverbal zum Hinlegen bewegen", erzählt Brändlin. "Sie hat das nicht etwa mit den Händen getan, sondern, indem sie sich selbst auf den Boden auf Sunnys Decke gelegt hat. Das fand ich ungewöhnlich, ich lobte ihre Kreativität. So kamen wir darauf, dass sie gern wieder - wie früher schon mal - einen Zeichenkurs besuchen würde. Das tut sie inzwischen und ist viel ausgeglichener."
Sunny wiederum macht zur Zerstreuung Sport. "Die Sitzungen sind für ihn anstrengend", sagt sein Frauchen. "Danach gehen wir immer raus und er rennt, rennt, rennt."
Für die Zeit, da Sunny einmal nur noch liegen wird, sorgt Karina Brändlin schon vor. Sie hat einen weiteren Flat Coated Retriever daheim, den zehn Monate alten Skipper. Er soll später in Sunnys Fußstapfen treten.
Das Hunde-Projekt für weibliche Strafgefangene ist laut SkF München in Bayern einzigartig. Wie es deutschlandweit aussieht, kann das Bundesjustizministerium nach eigenen Angaben nicht sagen.
Aus dem bayerischen Justizministerium heißt es, Programme wie das in Aichach böten Gefangenen im Blick auf die soziale Wiedereingliederung wertvolle Erfahrungen. “Die Beschäftigung in der freien Natur, mit Pflanzen und insbesondere mit Tieren fördert in besonderer Weise die Arbeitsfähigkeit, das Sozialverhalten und das Verantwortungsgefühl von Menschen.”
Sunnyboy hat Karina Brändlin zufolge nicht nur eine Therapieausbildung, sondern auch einen Wesenstest absolviert. Zudem ist sein Einsatz demnach veterinäramtlich abgesegnet.
Sunnys Arbeit ist ein Pilotprojekt ohne festen Zeit- und Finanzierungsrahmen, sagt Brändlin. “Es wäre schön, wenn es sich dauerhaft etablieren ließe. Deshalb hoffe ich auf eine entsprechende Förderung durch die Justiz.”