Zauberinsel im Indischen Ozean mit Schattenseiten

Ibbenbürenerin arbeitete mit Aidswaisen auf Sansibar

Blaues Meer und weißer Sand – die teure Touristeninsel Sansibar im Indischen Ozean wirkt auf den ersten Blick wie ein Idyll. Jasmin Wollert aus Ibbenbüren hat die andere Seite der Trauminsel kennen gelernt.

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Der kleine Junge strahlt. Überglücklich umklammert er das kleine gelbe Büchlein. Es ist ein Wörterbuch „Deutsch – Englisch“. „Ich habe es verschenkt, ich brauchte es ja nicht mehr“, sagt Jasmin Wollert und rührt in ihrem Eisbecher.

Die 31-Jährige aus Ibbenbüren-Laggenbeck ist gerade seit vier Wochen wieder zurück in Deutschland und denkt an ihr schönstes Erlebnis auf Sansibar zurück. Den kleinen Jungen unterrichtete sie im Rahmen ihres Praktikums mit der Organisation „Worldunite!“ auf Sansibar, einem Archipel im Indischen Ozean vor der Ostküste Afrikas.

 

Aufklärung ist in dem Land tabu

 

Eine Kommilitonin, die mit ihr das Fach Soziale Arbeit an der Fachhochschule Köln studiert, machte Jasmin Wollert den Vorschlag, für ein Praktikum nach Sansibar zu gehen. 1,1 Millionen Menschen leben in dem ehemaligen Sultanat, das seit 1964 zu Tansania gehört, aber eine eigene Regierung hat.
Vier Monate lang arbeitete Jasmin Wollert mit anderen Freiwilligen aus den Niederlanden, Frankreich und Deutschland in dem Projekt „Zanzibar Aids Association and Support of Orphans (ZaSo)“, einer Nicht-Regierungs-Organisation, die sich verschiedenen sozialen Programmen auf der Insel verschrieben hat.

Dazu gehören die Betreuung eines Heims und mehrerer Jugendtreffs für Kinder und Jugendliche, die ihre Eltern durch die Immunschwächekrankheit Aids verloren haben. Etwa 60 der 500 Kinder, die in dem Projekt betreut werden, sind selber HIV-positiv. Tendenz weiter steigend, denn wirkliche Aufklärung ist in dem moslemisch geprägten Land tabu. Verhütungsmittel gibt es, wenn überhaupt, nur in der Apotheke: Geschlechtsverkehr vor der Ehe ist verboten, mit der Folge, das auf dem Land viele Kinder für mehrere Tage verschwinden und vergewaltigt werden“, hat die 31-Jährige während ihres Praktikums erfahren.

 

Englisch ist überlebenswichtig

 

Jasmin Wollert
Jasmin Wollert arbeitete vier Monat auf Sansibar. | Foto: privat

Mit einem  einheimischen Betreuer von ZaSo fuhr Jasmin Wollert mehrmals die Woche von der Hauptstadt Stone Town aufs Land, um dort Kinder in Englisch zu unterrichten.

Amtsprache ist außerdem Suaheli, in vielen Gegenden wird auch Arabisch gesprochen: „Für die Menschen hier ist aber gerade Englisch überlebenswichtig“, schildert Jasmin Wollert. 50 Prozent des Bruttoinlandprodukts werde über den Tourismus erwirtschaftet: „Eine Hass-Liebe“, wie Jasmin Wollert erfahren hat. „Die Sansibaris brauchen die Touristen, aber gleichzeitig leiden sie auch unter ihnen.“

Denn das Leben auf der Insel ist durch die arabisch-islamische Kultur geprägt. 95 Prozent sind muslimisch. Der Islam auf Sansibar, vermischt mit afrikanischen Verhaltensweisen, wie etwa Ehrung der Ahnen, wird zwar als relativ liberal angesehen. „Aber die vielen Touristen an den Stränden, vor allem die Frauen in Bikinis, stressen die Einwohner in ihrer Moralvorstellung. Aus Respekt vor dem Glauben der Bevölkerung sollte man sich als Frau zumindest die Haare bedecken und wenig nackte Haut zeigen.“

 

Einen Dollar am Tag zum Leben

 

Die Armut ist neben der Schönheit der Insel allgegenwärtig. Einen Dollar am Tag hat die Hälfte der Inselbewohner zum Leben.

In der Hauptstadt Stone Town, die mit ihren verwinkelten Gassen und weißgekalten Gebäuden zum UNESCO-Weltkulturerbe gehört, verdienen die Einwohner ihr Geld mit kleinen Läden, Essens-Ständen oder als Touristen-Führer. Der Anbau von Gewürzen und Früchten sowie Fischerei sind weitere Einnahmequellen. „Das Problem ist, dass immer mehr Land von ausländischen Investoren aufgekauft wird, die dann Hotelketten hochziehen“, sagt Jasmin Wollert. Die Lebenshaltungskosten würden immer teurer.

 

Für die Bildung fehlt das Geld

 

Bildung, die eine Perspektive eröffnen würde, sei auf der Insel für viele Einwohner unerschwinglich. Nach der Grundschule fehle den Eltern oft das Geld, um ihre Kinder auf weiterführende Schulen zu schicken. „Die Jugendlichen sitzen dann passiv auf den Straßen rum“, berichtet die Studentin.

Aber es gibt auch Hoffnung: „Sozial-Tourismus“ lautet ein Konzept, entwickelt von dem Projekt ZaSo: „Die Sozialarbeiter kaufen gemeinsam mit einer kleinen Gruppe von Touristen Lebensmittel auf dem Markt ein und fahren dann zu einer Familie, mit der das Essen gemeinsam zubereitet wird“, berichtet Jasmin Wollert. So sollen Vorurteile abgebaut werden. Außerdem werden die Familien direkt unterstützt. Oft können sie den Touristen zusätzlich kleine Kunsthandwerke und Souvenirs verkaufen.

Auch wenn die Sonneninsel Sansibar ihre Schattenseiten hat, für Jasmin Wollert war das Praktikum eine unvergessliche Erfahrung: „Die Einheimischen waren zu mir immer offen und freundlich.“

 

Berufliche Zukunft in der Entwicklungshilfe

 

Besonders bewundernswert fand ich die komplette Integration des Glaubens in ihren Alltag“, urteilt die evangelische Christin. „Diese Leidenschaft und die Normalität, mit der die Menschen dort beten, das geht bei uns völlig verloren“, meint die gelernte Gartenbautechnikerin.

Für sie steht nach dieser Erfahrung  einmal mehr fest: „Ich möchte nach meinem Studium als Entwicklungshelferin im Ausland arbeiten.“ Wo das sein wird, steht noch nicht fest: „Aber diese Insel hat mich auf jeden Fall verzaubert.“

Dieser Artikel erschien in der Ausgabe 31 im Jahr 2014 in „Kirche+Leben“.

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