Anette und Hermann Jansen starten mit dem Planwagen im Emsland

Ihre Kutschenwallfahrt nach Telgte beginnt in Meppen

Die Kutschenwallfahrt nach Telgte an Christi Himmelfahrt ist für Anette und Hermann Jansen ein fester Termin. Außergewöhnlich ist, dass sie die ganze Strecke von Meppen aus mit dem Planwagen zurücklegen.

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Mona und Lisa haben den Winter gut überstanden. Den beiden Fjordpferden ist in den Frühlingstagen die Unruhe anzumerken: raus auf die Weide und laufen! Die Fitness können sie gut brauchen. In einigen Wochen geht es mit dem Planwagen wieder Richtung Telgte. Die jährliche Kutschenwallfahrt steht an. Anette und Hermann Jansen werden dafür die beige-braunen, kräftigen Tiere einspannen.

Seit 2013 macht das Ehepaar aus dem emsländischen Meppen das. Sie sind dabei echte Exoten. Denn kein anderer Teilnehmer der Wallfahrt reist mehrtägig mit der Kutsche an. „Wer von weither kommt, lädt seinen Wagen und die Pferde auf Anhänger und fährt das Gespann nach Telgte“, sagt Hermann Jansen. Nicht so die beiden Emsländer. Fünf Tage sind eingeplant – für den Hinweg. Und dann fünf Tage wieder zurück.

 

Spartanisch, aber solide

 

Aber nicht von Hotel zu Hotel. Der Planwagen wird für diese Zeit wieder das Zuhause der Jansens sein. Dafür wird er derzeit aufwändig ausgestattet: Bett mit Lattenrost, leistungsstarke Batterien für Kühlschrank und Wasserpumpe, die Gasflasche für die Kochgelegenheit, Spiegel, Schränke, Tische, sogar ein Fernseher … Alles ein wenig spartanisch, aber solide – Marke Eigenbau. „Das ist kein Luxus, eher primitiv“, sagt Anette Jansen. „Aber es reicht absolut.“ Eine Heizung gibt es nicht. Die brauchen sie auch nicht: „Wenn es kalt wird, kochen wir uns einen Tee, der wärmt von innen, und vom kochenden Wasser wird der Wagen schnell warm.“

Planwagenfahrt nach Telgte
Mona und Lisa heißen die Fjordpferde, die die Jansens nach Telgte bringen. | Foto: Michael Bönte

Für die 57-Jährige und ihren 66-jährigen Mann sind die zehn Tage Urlaub Wallfahrt und Abenteuer in einem. Es ging schon immer mit dem Planwagen los, mit ihren Kindern und Freunden. „Wir haben unsere Ferien nie anders verbracht.“ Viele Jahre waren es Ziele vor der Haustür bis hoch an die Nordsee. Dann erlebten sie vor sechs Jahren erstmals die Kutschenwallfahrt in Telgte. Seitdem ist sie fester Termin für die beiden. Der pensionierte Lokomotivführer muss nicht lange überlegen, warum sie die Begeisterung dafür so gepackt hat. „Das Gemeinschaftsgefühl unter den Kutsch-Fahrern und Pferdeliebhabern, der tolle Blick von den Emswiesen hinüber zur Kirche, die Kulisse des der kleinen Ems-Stadt bei der Parade der Gespanne.“

 

Sie betet, der füttert

 

Seine Frau sagt, dass die Aufgaben in Telgte zwischen ihnen immer gut verteilt seien: „Ich gehe beten und er kümmert sich um die Pferde.“ Das Religiöse der Wallfahrt geht aber an ihm nicht gänzlich vorbei. „Messe und Andacht sind ja immer direkt bei den Kutschen auf den Emswiesen – und danach kommt der Bischof noch zu allen Pferden und Kutschern.“

Hermann Jansen und seine Pferde
Hermann Jansen spannt seine Pferde vor den Planwagen. | Foto: Michael Bönte

Ohnehin: Bei einer Wallfahrt ist der Weg das Ziel. Und das gilt auch für Planwagen-Fahrer. Die gemeinsame Zeit auf dem Kutscher-Bock bringt Gelegenheit zum Denken und Reden. Etwa „als die Kinder in der Schule mal große Probleme hatten“, erinnert sich Anette Jansen. „Im Alltag hatten wir ja kaum Zeit, so etwas zu besprechen.“ Sie gibt zu, dass sie es ist, die viel redet, ihr Mann dafür mehr zuhört.

 

Zwei PS, zehn km/h

 

Zur Ruhe kommen, in sich hineinhören, vergangene Ereignisse in Erinnerung rufen – das rhythmische Klackern der Hufen auf den Wegen allein wirkt schon beruhigend. Das Fahrtempo auch, sagt Hermann Jansen: „Zwei PS, Maximalgeschwindigkeit zehn Kilometer in der Stunde.“ Er muss kurz rechnen: „Über den Daumen 30 Kilometer am Tag, fünf Stunden Fahrzeit.“ Die Geschwindigkeit wählen die Pferde selbst. „Halbe Strecke Trab, halbe Strecke Schritt“, überschlägt er. „Je nachdem, wie sie sich fühlen und wie die Straßenverhältnisse sind.“

Hermann Jansen und seine Pferde
Ein gutes Wallfahrtsteam (von links): Mona, Herman Jansen und Lisa. | Foto: Michael Bönte

Es sind die Nebenstraßen, die Feldwege und Dorfstraßen, die sie ans Ziel bringen. Denn auch wenn ihre Blinker und Bremslichter für größere Straßen geeignet sind, so fühlen sich Pferd und Kutscher auf entlegenen Strecken viel wohler. Selbst wenn es etwas mehr rumpelt. Dort gibt es aber mehr „schöne Fleckchen Erde“, sagt Anette Jansen. „Und wenn wir eins sehen, halten wir an und machen Pause. Dann gibt es für uns einen Kaffee und für die Tiere frisches Gras.“ Eine Sense hat ihr Mann dafür immer eingeladen.

 

Volle Tränken und gedeckte Tische

 

Zu den schönen Fleckchen zählen die beiden auch alle Kirchen am Streckenrand. „Dort zünden wir Kerzen an.“ Auch als Dank für die vielen schönen Erlebnisse der Fahrten. Da kommen sie aus dem Schwärmen kaum heraus. Alles ist dabei – Rührendes, Dramatisches, Lustiges. Etwa die Erinnerung an die Zeit, als sie noch ein Fahrrad mitnahmen, mit dem er manchmal vorfuhr, um nach einem günstigen Rastplatz für die Nacht zu schauen. Einmal fragte er einen alten Bauern auf einem Feld, ob sie ihre Pferde dort rasten lassen dürfen. „Du hast ja gar keine Pferde, du hast ja nur Fahrrad“, war die Antwort. Als sie dann aber mit der Kutsche vorfuhren, waren die Tränke gefüllt und der Tisch für die Reisenden gedeckt.

Die Begegnungen mit den vielen Menschen sind ohnehin die Höhepunkte dieser Tage. „Wir sind noch nie von jemandem abgewiesen worden, auch wenn uns die Leute überhaupt nicht kannten.“ Manche Etappenziele haben sie immer wieder angesteuert. Etwa das abgelegene Haus bei Ibbenbüren. Bei ihrer ersten Anfrage wurden sie von der Familie dort sofort zum Abendessen eingeladen. „Das Herdfeuer wurde angemacht, es gab Spargel, und am nächsten Morgen hatten sie Frühstück gemacht, bevor sie zur Arbeit gefahren waren.“ Die Jansens genossen die morgendliche Überraschung, schlossen die Tür ab und warfen den Schlüssel in den Briefkasten, bevor sie weiterfuhren.

 

Marmelade als Dankeschön

 

Es sind solche Erlebnisse, die jede Strapaze vergessen machen. Achsenbrüche, Gewitter oder unpassierbare Wege sind nichts gegen eine solche Gastfreundschaft. „Geld wollen unsere Gastgeber nie haben“, sagt Anette Jansen. Deshalb hat sie immer ein paar Päckchen mit selbstgemachten Likör und Marmeladen als Dankeschön eingepackt. „Das müssen sie dann annehmen, da gibt es von mir kein Pardon.“

Am 25. Mai geht es in diesem Jahr wieder los, um pünktlich zur Wallfahrt an Christi-Himmelfahrt in Telgte zu sein. Irgendwie scheint es so, als können sowohl die Jansens als auch ihre Pferde dieses Datum kaum abwarten. Denn dann wartet jener Weg auf sie, der schon ein großes Stück vom Ziel ist. Zu zweit auf dem Kutscherbock, Mischlingshund Tessa in der Mitte, ein Paar Nordic-Walking-Stöcke im Gepäck. Denn manchmal läuft einer einige Kilometer neben der Kutsche her. „Falls es uns doch einmal zu ruhig und eintönig wird.“

Telgter Kutschenwallfahrt
Die Kutschenwallfahrt nach Telgte findet in diesem Jahr am 30. Mai (Christi-Himmelfahrt) statt. Die Kirchengemeinde St. Marien, der Reit- und Fahrverein „Gustav Rau“ Westbevern und die Stadt Telgte laden bereits seit drei Jahrzehnten dazu ein. Aus dem Münsterland, Emsland und dem Sauerland reisen etwa 80 Pferdegespanne an. Um 11.30 Uhr beginnt der Tag mit einer Wallfahrtsmesse unter freiem Himmel auf der Emswiese. Gegen 15 Uhr gibt es einen Kutschenkorso durch die historische Altstadt.

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