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Ein ukrainisches Künstlerpaar hat Ikonen auf Munitionskisten gemalt. Die Kisten haben die Künstler an Kriegsschauplätzen in ihrer Heimat gefunden oder von Soldaten erhalten. 17 Werke sind jetzt in Münster zu sehen.
Sie erschaffen Kunst aus militärischem Abfall: Das ukrainische Künstlerehepaar Oleksandr Klymenko und Sofia Atlantova hat Ikonen auf Reste von Munitionskisten gemalt – „geschrieben“, wie es korrekt heißt. 17 der Werke, die eine tausend Jahre alte Kunstform mit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine in Verbindung bringen, sind derzeit im Kirchenfoyer an der Lambertikirche in der Innenstadt von Münster zu sehen.
„Es sind Bilder der Trauer, des Trostes und der Hoffnung“, beschreibt Mariya Sharko, Leiterin der Fachstelle Weltkirche im Generalvikariat in Münster, ihre Wahrnehmung der Ikonen. Die Kult- und Heiligenbilder „tragen eine Doppeldeutigkeit in sich: Durch das Material – die Munitionskisten – stehen die Ikonen für den Tod. Gleichzeitig symbolisieren sie das Leben und bringen die Hoffnung auf ein Leben in Frieden zum Ausdruck“, sagt die gebürtige Ukrainerin Sharko.
Ikonen auf Munitionskisten - wie alles begann
Oleksandr Klymenko begann 2014 als Reaktion auf den Krieg in der Ukraine, Ikonen auf Munitionskisten zu „schreiben“. Die Kisten, in denen Maschinengewehre gelagert wurden, hatte er bei einem Besuch eines Freiwilligenbataillons gesehen.
„Sie hatten Ähnlichkeiten zu den Holztafeln, auf denen normalerweise Ikonen entstehen“, sagt Regina Elsner, Professorin für Ostkirchenkunde am Ökumenischen Institut der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Münster. Klymenko malte die Darstellung der Muttergottes auf den Boden der Kiste. Im Lauf der Jahre folgten weitere Motive, darunter Apostel und Heilige.
Woher die Munitionskisten stammen
Regina Elsner kennt beide Künstler persönlich. Sie verfolgt seit längerem die Idee, die Ausstellung nach Münster zu holen. „Ich habe die Ikonen erstmals 2019 in Kiew gesehen und fand sie beeindruckend und irritierend zugleich“, erinnert sich die Wissenschaftlerin: „Oleksandr Klymenko und Sofia Atlantova verarbeiten auf diese Weise den Krieg.“
Fand das in Kiew lebende Künstlerpaar die Kisten anfangs selbst an Kriegsschauplätzen in der Ukraine, erhalten sie die Kisten inzwischen unmittelbar von Soldaten. Bewusst verkaufen Klymenko und seine Frau ihre Kunst: Der Erlös fließt in humanitäre Projekte in der Ukraine.
Die Spannung der Kunstwerke
„Eine gewisse Spannung ist durch das besondere Material, auf dem die Ikonen geschrieben sind, gegeben“, finden auch Rupert König, Leiter des Kirchenfoyers, und die Mitglieder von dessen Kunstkreis. „Wir waren uns aber schnell einig, die Werke auszustellen, und freuen uns, dazu beizutragen, die Botschaft dieser Ikonen in die Stadt hineinzutragen.“
Dass die Ikonen sich von anderer Kunst abheben, betont auch Weihbischof Stefan Zekorn: „In diesen Ikonen spiegelt sich die Realität des Krieges. Sie tragen die Dramatik dieses Krieges, seine Vielschichtigkeit in sich, und mahnen uns, das Leid der Menschen in der Ukraine, das bis zum heutigen Tag anhält, nicht zu vergessen.“ Die Munitionskisten würden zu Ikonen, die an den Sieg des Lebens über den Tod erinnern. „So verwandelt die Ausstellung Symbole des Todes in Zeichen des Lebens und des Friedens.“
Öffnungszeiten und Vortrag
Die Ausstellung im Kirchenfoyer kann voraussichtlich bis Ende August besucht werden. - Am Dienstag, 16. Juli, um 19 Uhr lädt das Kirchenfoyer zum Vortrag ein: Regina Elsner spricht zum Thema „Ikonen als Fenster zum Krieg? Ikonen auf Munitionskisten und der Krieg in der Ukraine“. Der Eintritt ist frei.