Themenwoche „Inflationskrise – wie Gemeinden helfen“ (2) - Oldenburg

Immer donnerstags: Oldenburger Stadt-Pfarrei öffnet ihre „Soziale Tür“

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Die Inflation hat ein Rekordniveau erreicht, Energie- und Lebensmittelpreise sind explodiert. An wen können sich Hilfesuchende wenden? In unserer Themenwoche „Inflationskrise – wie Gemeinden helfen“ stellen wir verschiedene kirchliche Angebote vor. Im zweiten Teil stellen wir eine Anlaufstelle der Pfarrei St. Willehad Oldenburg vor.

Manchmal warten schon um 8 Uhr die Ersten vorm Pfarrzentrum. Um möglichst früh an die Reihe zu kommen, wenn Werner Bieberstein ab 9 Uhr zu Einzelgesprächen bittet. Der Pastoralreferent fragt bei jedem nach: Wie ist es so gegangen in den vergangenen Wochen? Welche neuen Sorgen sind hinzugekommen? Wo ihm oder ihr der Schuh immer noch drückt? Und er gibt bei Bedarf einen der Lebensmittelgutscheine aus, mit denen die St.-Willehad-Pfarrei Menschen in Not zu helfen versucht.

Vor rund zehn Jahren hat die Pfarrei die „Soziale Tür“ eingerichtet. Jede Woche kommen zum Beispiel Alleinerziehende, Obdachlose, Menschen mit Migrationshintergrund oder Minirente. Seit einiger Zeit vermehrt auch Frauen aus der Ukraine. Manche haben ihren Hund dabei, ab und zu hält jemand eine Bierflasche in der Hand. Im Flur des Pfarrzentrums warten sie, bis sie an der Reihe sind. Ehrenamtliche versorgen sie in der Zwischenzeit mit Kaffee und Keksen. Wo sich sonst Messdiener, Kirchenchor oder Senioren treffen, riecht es dann nach Kaffee, Zigaretten, Bier und nassem Hund.

Alle drei Monate einen Lebensmittelgutschein

Einmal pro Vierteljahr können Bedürftige einen Lebensmittelgutschein bekommen, im Gegenwert von 15 Euro. Für jedes weitere Haushaltsmitglied erhöht sich der Betrag um 5 Euro, bis maximal 35 Euro. Mit dem Geld gibt es bei Aldi alles außer Alkohol. Und Zigaretten immer nur eine Packung pro Gutschein. Alle müssen dafür zunächst ihre Bedürftigkeit nachweisen.

Ein gesetzlicher Anspruch auf einen Gutschein besteht nicht. Es ist eine freiwillige Leistung, die die Pfarrei zu einem großen Teil aus ihrem Etat für karitative Aufgaben finanziert. Hinzu kommen private Spenden. Immer mal wieder liest man in der örtlichen Tageszeitung unter den Todesanzeigen den Satz: „Statt zugedachter Blumen oder Kränze bitten wir um eine Spende für die Soziale Tür St. Willehad“.

„Soziale Tür“ ist vernetzt mit der Caritas

Rund 500 Namen finden sich in der Kartei der Sozialen Tür. Der Andrang sei in letzter Zeit gewachsen, sagt Pastoralreferent Bieberstein, wohl auch wegen der Inflation. „Lebensmittel sind ja deutlich teurer geworden. Und das Geld fehlt den Menschen natürlich.“

Eine Erhöhung des Einkaufswerts der Lebensmittelgutscheine sei dennoch nicht infrage gekommen. „Weil wir das finanziell nicht leisten könnten, und es auch jetzt schon schwierig geworden ist. Aber wir können vermitteln und auf andere Angebote hinweisen, etwa, wenn Verschuldung mit im Spiel ist.“ Die Pfarrei arbeitet eng mit der Caritas zusammen, die einmal im Monat die Sprechstunde übernimmt.

Lebensmittelgutscheine nur ein Teil des Angebots

Die Gutscheinausgabe macht für Werner Bieberstein auch nur einen Teil des Angebots aus. „Natürlich kommen die meisten deswegen zu uns“, sagt er. „Wichtiger für mich ist aber, dass wir als Pfarrei in Kontakt mit den Menschen kommen, ihnen zuhören, ihre Lebenssituation wahrnehmen und sie stärken.“ Mit einigen hat er auch schon gebetet. Menschen, zu denen die Pfarrei wohl sonst viel weniger oder gar keinen Kontakt hätte.

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