Behindertenwerk organisiert neues Wohnmodell an der Uni

In Vechta wohnen Behinderte und Studenten unter einem Dach

Fünf behinderte Menschen und 24 Studenten unter einem Dach: In einem Haus neben der Universität Vechta geschieht das jetzt. Die Behinderten leben erstmals allein. Wie ihre neue Nachbarschaft mit den Studenten aussehen kann.

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Jetzt wird alles anders. Tim Lisowski aus Vechta zieht aus. 30 Jahre ist er alt, er arbeitet für ein Kunststoffunternehmen in Lohne in der Kisten-Waschanlage. Ein guter Zeitpunkt, um eine eigene Wohnung zu suchen, findet er.

Denn: „Immer Hotel Mama – das ist nichts für mich. Irgendwann will ich auch mal auf eigenen Beinen stehen.“ Tim Lisowski lebt in einem Haus mit seiner Mutter, seiner Schwester und deren Lebenspartner. Er gestaltet seine Freizeit selbst, geht manchmal zu Basketballspielen von Rasta Vechta und schaut als Dortmund-Fan gespannt die Bundesligaspiele im Fernsehen.

 

Neues Leben in der eigenen Wohnung

 

Er zieht jetzt aus, das ja. Aber nicht alles wird anders. Denn der junge Mann lebt mit einer Behinderung. Er arbeitet in einer Firma in Lohne, wird aber über das Andreaswerk beschäftigt, kirchlicher Träger der Behindertenhilfe im Kreis Vechta.

Ein Sozialarbeiter des Andreaswerks besucht ihn jede Woche bei seiner Mutter, berät ihn zwei Stunden in seinem Alltag. Dieser Betreuer berichtete ihm von einem Projekt neben der Universität: Wohnungen für Studenten und Behinderte in einem neuen Haus. Er hatte sofort Interesse.

 

Fünf Behinderte und 24 Studenten

 

Zwei kirchliche Stiftungen haben dieses Haus gemeinsam gebaut, die eine vermietet an 24 Studenten in acht Wohngemeinschaften, die andere gehört zum Andreaswerk und vermietet an fünf Behinderte.

Ausziehen – das habe er zusammen mit der Familie ohnehin schon seit Jahren geplant, berichtet Lisowski. Die neue Wohnung kann er wahrscheinlich im Mai beziehen, 40 Quadratmeter. Er macht schon Pläne: Ein neues Sofa hat er bestellt, in einem Möbelgeschäft in Lohne, bestellt und zurücklegen lassen. Auch eine Kaffeemaschine hat er gekauft. Kleiderschrank, Bett und Fernseher nimmt er mit aus seinem Zimmer.

 

Weiter betreut vom Wohnbegleiter

 

Was auch bleibt: Tim Lisowski bekommt weiter Besuch von einem Betreuer des Andreaswerks. Vermutlich öfter als früher, so hat er es beim Sozialamt beantragt. Die Betreuer sollen weiter helfen, bei den ersten Schritten in ein eigenes Leben. Nur eben in neuer Nachbarschaft – mit Studenten.

Darauf freut sich Tim Lisowski. Vor dem Haus und einem benachbarten Studentenwohnheim soll ein Bolzplatz angelegt werden, genau das Richtige für einen Fußballfan.

 

So eigenständig wie möglich

 

Die Idee solch gemeinsamen Wohnens ist nicht neu, oft gibt es Wohngemeinschaften mit Studenten und Behinderten. Die Studenten bezahlen dann weniger Miete, weil sie im Alltag den Behinderten helfen. Hier ist es anders. Die Behinderten leben in eigenen Wohnungen, so eigenständig wie möglich. Das ist auch Ziel der Betreuung durch das Andreaswerk. Denn die Behinderten sollen langfristig selbständig wohnen können.

Sie haben durch den Charakter des Studentenwohnheims aber auch eine besondere Nachbarschaft. In Notfällen, daran denkt das Andreaswerk, gibt es vielleicht sogar eine Art Rufbereitschaft.

Viel Hilfe im Alltag braucht Tim Lisowski aber nicht. Er kocht gerne selbst, Gyros ist seine Spezialität. Seinen Weg in den Rasta-Dome zu Spielen der Basketball-Bundesliga findet er auch gut allein.

 

Laute Studentenpartys? – „Kein Problem!“

 

Aber nette Nachbarn wie in der Siedlung bei seiner Mutter, die findet er gut. Und Studenten kennt er auch schon, zum Beispiel aus dem offenen Kontaktcafé des Andreaswerks in der Innenstadt – manche Studenten machen dort ein Praktikum.

Und wenn es abends mal laute Partys vor seinem Fenster gibt? Er muss um acht Uhr im Dienst sein – ein Problem? Das wischt er mit einer Handbewegung weg: „Kein Problem, bei Partys bin ich ganz locker.“

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