Der Treff für Trauernde stieß anfangs auf Kritik

In Visbek gibt es Kaffee und Gebäck auf dem Friedhof

Wo geht das einfacher als dort? Wo man regelmäßig Trauernde trifft, kann man gut mit ihnen ins Gespräch kommen. Doch anfangs gab es auch Kritik am Projekt „Treffpunkt Friedhof“ in Visbek.

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Im Oktober reichten ihre zwölf Kaffeetassen erstmals nicht aus. Welche Freude! Karin Freese erinnert sich nur allzu gerne an den Freitagnachmittag.

Zum ersten Mal waren deutlich mehr Menschen als sonst an ihren Stehtisch hinter der Visbeker Friedhofskapelle gekommen. Für sie eine Art Zeichen: Endlich! Die Leute verstehen, worum es uns bei der Aktion geht.

 

Anfangs kamen nur wenige

 

Anfangs wurde das Angebot „Treffpunkt Friedhof“ nämlich nicht so gut angenommen, wie die 46-Jährige berichtet. Beinahe hätte sie es schon aufgegeben, einmal im Monat freitags ihre Stehtische mit Kaffee und Gebäck aufzubauen.

Auch, weil immer mal wieder Kritik im Dorf laut geworden sei: „Kaffeetrinken und Gebäck auf dem Friedhof? Was soll das denn?“

 

Ein Projekt des Pfarreirats

 

Doch Karin Freese und ihre Mitstreiterin Petra Bert gaben nicht auf, suchten erneut das Gespräch, erklärten und warben weiter für das Projekt des Pfarreirats: auf dem Friedhof einen Ort des Zuhörens anzubieten, für trauernde Menschen.

Und nach und nach spürten die beiden Frauen, wie die Kritik leiser wurde und das Verständnis in der Gemeinde wuchs: „Ach so. Darum geht es. Das wusste ich ja gar nicht.“ Sodass an jenem Freitag im vergangenen Herbst schließlich deutlich mehr Teilnehmer zu ihrem Treffpunkt kamen als sonst.

 

Viele Trauernde möchten über ihre Lage reden

 

Vor drei Jahren hatte Karin Freese erstmals von dem Projekt gehört. Dass sie die Sache interessant fand, hat auch mit ihrem Beruf zu tun. Seit 26 Jahren ist sie Altenpflegerin, zurzeit arbeitet sie in der Sozialstation. Immer wieder hat sie mit sterbenden Menschen zu tun. „Da weiß ich, wie Angehörige mit der Situation überfordert sind und reden möchten.“

Sie möchten reden, können es aber oft nicht. Auch, weil es im Umfeld oft an Verständnis für Trauer fehlt, wie die Krankenschwester und ausgebildete Krankenhaus-Seelsorgerin Petra Bert sagt. Daher findet sie die Stehtische auf dem Friedhof als Treffpunkt ideal. „Weil hier Menschen aufeinander treffen, die in einer ähnlichen Situation sind.“ Zum Beispiel, wenn sie ihren Partner verloren haben und sich schwer damit tun, nun allein zu sein.

 

Ein 80-jähriger ist schon eine Art Stammgast

 

Wie der 80-jährige Mann, eine Art Stammgast am Stehtisch. Er kommt einmal in der Woche zum Grab seiner Frau und bleibt gerne noch kurz auf einen Kaffee und ein paar Plätzchen stehen.

Er erzählt vom Tod seiner Frau vor vier Jahren. Und dass er danach eine Freundin gehabt habe, doch die sei mittlerweile auch verstorben. „Ich finde so einen Treffpunkt gut. Ist mal was anderes. Man kann mit anderen ins Gespräch kommen.“

 

Auch Schwieriges kommt zur Sprache

 

Petra Bert hat in vielen Begegnungen am Stehtisch die Erleichterung von Menschen gespürt, wenn sie über sich und ihre Geschichte sprechen konnten. Wie es ihnen geht, über ihre Trauer, wie schwer es für sie ist.

Der Friedhof sei ein idealer Ort. „Die Leute wissen ja, dass alle hier ein ähnliches Schicksal haben. Dass da jemand ist, der weiß, wovon sie  reden.“ Das verbinde und mache auch schwierige Themen möglich. „Zum Beispiel, wie man den Tod erlebt hat. Das hatten wir auch schon. “

 

Das Angebot läuft von April bis Oktober

 

Der Friedhof als Treffpunkt hat für sie noch weitere Vorteile: „Hier kann man seine Trauer zeigen, solange man das braucht.“ Anders als sonst oft, sagt Karin Freese. „Meist ist es ja so, dass das Umfeld von einem erwartet, dass das mit dem Trauern spätestens nach vier Wochen gegessen ist.“

Dabei gehe es nicht immer nur ernst und traurig zu. „Wir haben hier schon viel gelacht“, sagt Karin Freese. „Und das ist auch richtig so. Denn der Tod gehört einfach zum Leben dazu. Auch wenn das viele verdrängen und wegschieben.“

Das Projekt „Treffpunkt Friedhof“ läuft in von April bis Oktober, immer am letzten Freitag eines Monats von 16.30 bis 17 Uhr. Im Winter wäre es zu kalt. „Eigentlich schade, sagt Petra Bert. „Denn gerade in der dunklen Jahreszeit wird Trauer spürbar. Da wäre ein richtiges Café am Friedhof sicher eine gute Sache.“

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