Musikpädagogin vermittelt Menschen mit Handicap das Musizieren

Inklusion durch Musik - Gisela Schmitt will so Lebensqualität steigern

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Die Veeh-Harfe ist ein Instrument für alle. Entwickelt für Menschen mit einer Behinderung, steht es für ein gemeinsames inklusives Musizieren. Eine der besten Kennerinnen der Veeh-Harfen-Musik ist Gisela Schmitt aus Haltern. Die Kirchenmusikerin komponiert aber auch Neue Geistliche Lieder, mit denen sie von ihrer Beziehung zu Gott erzählt.

In ihrem großen Musizierzimmer stehen in Halbkreisen aufgereiht 20 Veeh-Harfen. Die kleinen Hocker vor jedem Instrument lassen erkennen, dass in Gruppen musiziert wird. „Mein Übungsraum“, sagt Gisela Schmitt und freut sich, dass wieder in Gruppen musiziert werden kann und die lange Pause während der Corona-Pandemie so langsam zu Ende geht.

Spielen werden die Veeh-Harfen zumeist ältere Menschen und Menschen mit einem Handicap. „Es ist ein Instrument der Integration und der Inklusion“, sagt Schmitt.

 

Inklusion beim Musizieren

 

Gisela Schmitt
Gisela Schmitt singt gern Neue Geistliche Lieder. | Foto: Johannes Bernard

Die Musikpädagogin aus Haltern kennt die Geschichte der Veeh-Harfe gut. Während ihres Studiums der Kirchenmusik und des Sozialwesens mit dem Schwerpunkt Musikpädagogik an der Hochschule in Vechta hat sie über die Bedeutung des Saitenzupfinstruments ihre Examensarbeit geschrieben. Das Thema ihrer Arbeit lautete: „Förderung Geistigbehinderter mittels der Veeh-Harfe – theoretische Überlegungen, praktische Erfahrungen und empirische Befunde“.

„Die Veeh-Harfe fördert das Selbstbewusstsein und ermöglicht Teilhabe. Fast jeder kann sie spielen“, sagt Schmitt und erklärt die Geschichte des Instruments: Als der Landwirt Hermann Veeh in den 1980er Jahren auf der Suche nach einem Musikinstrument für seinen Sohn Andreas war, der mit einem Down-Syndrom zur Welt kam, fand er nichts.

 

Einfache Notenschrift

 

Der Landwirt aus der Nähe von Würzburg konzipierte daher ein völlig neues Musikinstrument – einfach in der Handhabung und mit einem harfenartigen Klang. Es kann ohne Notenkenntnisse gespielt werden. „Die Notenschrift ist einfach. Notenschablonen, die zwischen Saiten und Resonanzkörper geschoben werden, ermöglichen ein Spiel sozusagen vom Blatt“, erklärt die Musikpädagogin.

Gisela Schmitt hat das Instrument mehr als lieb gewonnen. Seit 25 Jahren leitet die 58-Jährige Veeh-Harfen-Gruppen, gibt Fortbildungen für Mitarbeitende aus Einrichtungen der Behinderten- und Altenhilfe, bietet Musik-Meditationsseminare im Kloster Gerleve in Billerbeck an, veranstaltet Konzerte und Projekte.

 

Gemeinsamer Bau verbindet

 

Weit über Haltern bekannt sind die Musikgruppen „Halterner Harfenzauber“ und „Feenklang“. „Die Auftritte tun unseren Musizierenden gut. Das Publikum ist begeistert“, sagt Schmitt. Im Orchester herrsche unter den Mitgliedern eine lockere und schöne Atmosphäre. „Hier merkt man, welch ein verbindendes Element die Musik sein kann.“

Die Gruppe „Feenklang“ wurde Anfang 2002 gegründet. Vorausgegangen war ein Workshop, in dem Gisela Schmitt mit den Eltern und Angehörigen von Menschen mit geistiger Behinderung eine 18-saitige Veeh-Harfe herstellte.

 

Selbstverwirklichung mit Musik

 

Schmitt möchte mit ihrer Liebe zur Musik und ihrer pädagogischen Erfahrung dazu beitragen, das Leben anderer Menschen lebenswerter und schöner zu machen. „Sinn des Spiels auf der Veeh-Harfe ist es, den Menschen in seinen Grundbedürfnissen anzusprechen, zum Beispiel seine Selbstverwirklichung und Ausdrucksmöglichkeiten.“

Es könne ein Zuwachs an Lebensqualität erreicht werden. „Das Erleben der weichen und leisen Klänge trägt auch besonders zur Entspannung schwerkranker oder dementer Personen bei“, sagt sie.

 

Kanon zum Katholikentag 2018

 

Gisela Schmitt
Ein Computer-Programm vereinfacht das Komponieren. | Foto: Johannes Bernard

Die Idee von Inklusion inspirierte Gisela Schmitt auch zu einem Lied, das sie für den Deutschen Katholikentag 2018 in Münster, der das Motto „Suche Frieden“ trug, komponierte. So heißt es in ihrem Lied: „Wir sind alle so verschieden, doch Freundschaft heißt unser Band. Lernst du mich noch besser kennen, wirkt das Fremde nicht mehr fremd.“

Die Musikerin ist sich sicher, „dass es Frieden geben kann, wenn wir uns aufeinander einlassen und die Gemeinsamkeiten suchen. Und genau das passiert bei uns im gemeinsamen Musizieren.“

 

Schmitt komponiert selbst Lieder

 

Leidenschaftlich komponiert und singt Gisela Schmitt Neue Geistliche Lieder. „Meine Form des Betens ist das Singen“, sagt sie. Vertraut sind ihr viele Lieder von Jugend an. 13 Jahre – von 1984 bis 1997 - gehörte sie der Ordensgemeinschaft der Schwestern Unserer Lieben Frau an. „Gebet und Gesang, beides pflege ich bis heute“, sagt sie und zeigt eine dicke Mappe mit mehr als hundert selbstkomponierten Liedern.

In den nächsten Wochen wird von ihr eine CD unter dem Titel „Dialog“ erscheinen. „Der Titel ist eine Beschreibung dafür, meine Art zu beten“, sagt sie. Es sind Lieder mit einer Erzählstimme. Was die Form anbelangt ähnlich wie die Lieder von Reinhard May. „Dieser Liedermacher hat seine eigene Form, die mir auch gefällt“, sagt Schmitt.

 

Aufnahmen im Tonstudio

 

Dass sie nun eine CD und ein Liederbuch veröffentlicht, verdankt sie einem Begegnungsabend im Kloster Gerleve. „Ich sang einige Lieder. Der Zuspruch war sofort da.“ Die Zuhörenden hätten sie ermutigt, in ein Tonstudio zu gehen und Aufnahmen zu machen. Es sei eine persönliche Musik, in der sie ihre Beziehung zu Gott musikalisch festhalte und ausdrücke.

Eine gute Resonanz auf ihre Lieder hat sie ebenso nach Gottesdiensten in der Halterner St.-Laurentius-Kirche bekommen. Dort finden regelmäßig Gottesdienste statt, in denen aus dem Benediktbeurer Liederbuch „God for You(th)“ gesungen wird. Das Liederbuch umfasst 735 Neue Geistliche Lieder.

 

Texte und Melodien kommen an

 

Als in den letzten Monaten wegen der Corona-Schutzverordnung der Gemeindegesang nicht möglich war, sang Schmitt in den Gottesdiensten einige ihrer Lieder vor. „Was soll ich sagen? Viele fanden meine Texte und Melodien gut. Mein erzählerisches Singen kam an. Deshalb nun die CD.“

Video
Zum Katholikentag 2018 in Münster komponierte Gisela Schmitt passend zum Motto „Suche Frieden“ ein Friedenslied, das sie damals mit dem inklusiven Veeh-Harfen-Orchester aus Haltern aufnahm.

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