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Sie verabschiedet sich aus einem besonderen Ehrenamt: Renate Kemper aus Gescher hat sich im Stiftungsrat von Haus Hall für die Belange von Menschen mit Behinderung eingesetzt. Als „Frau der ersten Stunde“ war sie dabei: Vor 25 Jahren wurde der Stiftungsvorstand, wie er zunächst hieß, ins Leben gerufen, die letzten 21 Jahre hat Kemper den Stiftungsrat geleitet. Zum Abschied hat sie noch einen Wunsch.
In der Diskussion um die Inklusion von Menschen mit Behinderung wünscht sich die langjährige Stiftungsratsvorsitzende der Bischöflichen Stiftung Haus Hall in Gescher, Renate Kemper, mehr Fachwissen von Politikern. „Die Diskussion um Inklusion ist oft von den falschen Leuten geführt worden“, sagt sie im Gespräch mit „Kirche-und-Leben.de“.
Sie unterstelle niemandem etwas Negatives. Aber Politiker, die Schule nur aus eigenen Erfahrungen kennen würden und die nicht einmal Kinder hätten, geschweige denn mit Behinderung - solche Politiker „sind in diesem Zusammenhang keine Fachleute und werden es auch nicht durch das Lesen von rein theoretischen Schriften“.
Praktika für Politiker
25 Jahre hat die Lehrerin ehrenamtlich im Stiftungsrat mitgearbeitet, davon 21 Jahre als Vorsitzende. Demnächst wird sie sich von diesem Ehrenamt verabschieden: „Ich wünsche mir für die politischen Gestalter und Entscheider zu Fragen der Inklusion immer eine Woche Praktikum in einer Einrichtung für Menschen mit Behinderung.“
Nach Ansicht von Kemper können letzten Endes im hochsensiblen Bereich Bildung bei jedem Kind nur individuelle Entscheidungen richtig sein. „Entscheidungen, die die Eltern treffen und verantworten, müssen unter Einbeziehung der Lehrerinnen und Lehrer und, soweit möglich, des Kindes erarbeitet werden.“
Für jedes Kind das Beste
Für die langjährige Stiftungsratsvorsitzende ist klar, dass es auch in Zukunft nicht ohne Förderschulen gehen wird: „Wir wollen doch schließlich alle aus jedem Kind das Beste herausholen.“ Dann müssten die Träger von Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen auch die entsprechenden Möglichkeiten anbieten.
„Mir ist ein glücklicher Hauptschüler, der mit guten Noten nach Hause kommt, lieber als ein unglücklicher Gymnasiast, der nicht nur nicht die geforderten Leistungen erbringen kann, sondern dann womöglich auch noch in seiner Persönlichkeitsentwicklung behindert wird“, meint Kemper.
Ansprüche einer erfolgsorientierten Gesellschaft
Wichtig sei es, eine gute Balance zu halten zwischen dem Anspruch, Menschen auf der Basis des christlichen Menschenbildes zu helfen, und den Ansprüchen einer zunehmend säkularisierten, leistungs- und erfolgsorientierten Gesellschaft: „Menschen werden immer, auch wenn ihnen die gleiche Menschenwürde zu eigen ist, verschieden sein. Die Aufgabe lautet, für jeden den bestmöglichen Platz zu finden.“
Über ihr freiwilliges Engagement sagt Renate Kemper rückblickend: „Meine schönste Erfahrung in der Mitarbeit war kein punktuelles Ereignis, sondern die Sympathie, die Freundlichkeit und die - ob nun verdient oder nicht - Hochachtung, die mir seitens vieler Mitarbeiter von Haus Hall immer wieder entgegengebracht wurde. Das ist mehr wert als eine wie auch immer geartete Entlohnung und trägt mich sicher auch noch weiterhin.“
Die Bischöfliche Stiftung Haus Hall in Gescher mit mehr als 2.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ist an 35 Standorten im westlichen Münsterland und im nördlichen Ruhrgebiet vertreten und gehört zu den größten Arbeitgebern der Region. Rund 3.000 Menschen werden von der Stiftung betreut, etwa in der Altenhilfe, in der Förderschule, in der Frühförderung, in Kindertagesstätten, in der Hospizarbeit und in den Werkstätten für Menschen mit Behinderung. Dem Stiftungsrat gehören fünf Mitglieder an. Sie werden vom Bischof von Münster ernannt.