Ferien-Seelsorger Karsten Weidisch im Gespräch über Sommerkirchen

Interview: Gottesdienste im Freien bieten viele Chancen

Der Sommer lädt zu Ausflügen ein – auch immer mehr Gottesdienstgemeinden. Unter dem Leitwort Sommerkirche werden Gottesdienste und Eucharistiefeiern ins Freie verlegt. Lohnt sich der Aufwand?

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Unter dem Leitwort Sommerkirche werden Gottesdienste und Eucharistiefeiern ins Freie verlegt. Lohnt sich der Aufwand? Karsten Weidisch ist Pastor in St. Joseph Münster-Süd. In den Sommerferien ist er für das Bistum Münsters als Ferien-Seelsorger auf Ameland tätig.

Was halten Sie davon, wenn Gemeinden Gottesdienste im Freien feiern?

Ich finde, das ist eine große Chance. Einerseits für die Stammgemeinde. Sie bekommt eine ganz andere Erfahrung von Gottesdienst. Und wenn wir draußen Eucharistie feiern, werden wir auch von den Außenstehenden anders wahrgenommen. Man merkt immer wieder, dass Leute stehenbleiben und von unserem Tun im Positiven gefesselt werden.

Karsten Weidisch ist für das Bistum Münster Ferien-Seelsorger auf Ameland. | Foto: privat
Karsten Weidisch ist für das Bistum Münster Ferien-Seelsorger auf Ameland. | Foto: privat

Wir haben zum Beispiel mit der KAB an einem Sonntag Gottesdienst vor dem Supermarkt gefeiert. Es waren viele Kinder und Familien dabei. Auch die Supermarkt-Angestellten wurden von uns eingeladen und sind tatsächlich an dem Sonntag gekommen. Sie haben eine positive Erfahrung mitgenommen – von katholischer Kirche und Gottesdienst.

Und ganz viele Radfahrer, die zufällig vorbeigekommen sind, sind stehengeblieben. Sie haben gefragt: Was ist denn da los? Was ist da für Musik? Die haben dann zugehört, teilweise auch mitgefeiert. In geschlossenen Räumen ist das nicht möglich. Denn meistens ist es ja so: Wir gehen in eine Kirche, Tür auf, Gottesdienst startet, Tür zu. Wenn wir aber woanders sind, nehmen uns die Leute wahr. Ich sehe darin eine Riesen-Chance.

Wo kann denn überhaupt Gottesdienst gefeiert werden?

Letztlich glaube ich, dass jeder Ort ein Ort ist, an dem wir Gottesdienst miteinander feiern können. Jesus ist zum letzten Abendmahl ja auch nicht in die Synagoge gegangen, sondern war in einem ganz normalen Haus in der ersten Etage versammelt mit seinen Leuten. Natürlich muss der Ort zur Gottesdienstform und zur Botschaft passen – und zur Zielgruppe. Weil sich nicht jeder an jedem Ort wohlfühlt.

Ich bin zum Beispiel im Sommer sechs Wochen auf Ameland tätig. Mit den Ferienlagern gehen wir selbstverständlich zum Lagergottesdienst an den Strand, wir sind in den Dünen, wir feiern auf den Höfen, auf denen die Ferienlager untergebracht sind.

Ich habe auch mit Firmbewerbern einen Gottesdienst in der Arbeitswelt gefeiert. In einer Lagerhalle zwischen Europaletten. Wir haben keine Stühle hingestellt. Die Jugendlichen haben sich auf den Boden gesetzt oder sich an einer Palette angelehnt. Ich habe auch mal am Ufer des Rheins gefeiert. Und in einer Kneipe. Das ging auch gut: Erst Gottesdienst, und danach gab es ein Gesprächsangebot – und natürlich auch ein Glas Bier.

Gottesdienst und Eucharistie sind nicht an einen Ort gebunden. Denn es geht ja ums Eigentliche: dass wir uns als Freundinnen und Freunde Jesu versammeln und er, wie wir glauben, in Brot und Wein in unsere Mitte kommen will. Und das geht an jedem Ort.

Liegt die Zukunft der Kirche also im Gottesdienst als Event?

Der Begriff Event ist in diesem Kontext etwas verbrämt. Aber wenn das Event darin besteht, dass der Gottesdienst an einem anderen Ort stattfindet und die Feier vielleicht auch an ein, zwei Stellen anders akzentuiert ist, dann gerne. Und sei es nur, dass nicht die traditionelle Kirchenorgel spielt, sondern ein E-Piano, eine Gitarre oder ein Schlagzeug.

Das ist auch eine Chance für die Katechese. Ich habe die Möglichkeit, die Eucharistie Leuten näher zu bringen, die ansonsten nicht zur Messe gehen. Durch punktuelle Akzentuierungen im gewohnten Ablauf kann ich aber auch regelmäßige Kirchenbesucher neu darauf aufmerksam machen, was wir eigentlich feiern. Das ist dann eine Herausforderung an die eigene Sprache. Ich muss zusehen, dass ich auch von denen, die keinen Zugang dazu haben, verstanden werde. Also muss ich die Sprache sprechen, die sie auch sprechen. Das geht.

Es gibt auch die Gegenposition: Eucharistie ist die Höchstform des Glaubens. Die muss in einer Kirche stattfinden, damit kann man nicht jeden konfrontieren… Natürlich ist die Eucharistie unser höchstes Sakrament. Aber wir wollen ja, dass es weiterlebt. Daher müssen wir es weitergeben. Da sehe ich eine große Chance in besonderen Gottesdiensten an außergewöhnlichen Orten.