Fakultäten für Christen und Muslime ziehen an einen Standort

Islam-Professor Khorchide lobt Münsters Theologie-Campus

Die Fakultäten für Katholische, Evangelische und Islamische Theologie in Münster ziehen an einen gemeinsamen Standort. Der Islam-Professor Mouhanad Khorchide sieht darin auch ein Signal an die Muslime – nämlich, dass sie in diesem Land nicht isoliert leben sollten.

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Die Fakultäten für Katholische, Evangelische und Islamische Theologie in Münster ziehen an einen gemeinsamen Standort. Mouhanad Khorchide, Professor für Islamische Theologie, sieht darin auch ein Signal an die Muslime – nämlich, dass sie in diesem Land „nicht isoliert leben und auch nicht isoliert leben sollten“.

Kirche+Leben: Herr Professor Khorchide, welche Vorteile hat es, dass auch die Islamische Theologie zum geplanten „Campus der Theologien“ der Universität Münster umzieht?

Mouhanad Khorchide: Es ist ein großes Privileg für die Islamische Theologie in Münster, sich nicht isoliert zu etablieren, sondern im Austausch mit zwei so großen christlichen Fakultäten. Auf dem neuen Campus wird der Dialog noch enger werden. Neben die thematische und geistliche Nähe treten Räume des Austauschs außerhalb des akademischen Diskurses: Die Professoren und Studenten der Fakultäten werden sich in der Bibliothek treffen, in der Mensa, zu Gesprächen auf dem Gang. Genau das ist Dialog – nicht inszeniert, sondern im Alltag. Die gemeinsame Bibliothek bietet noch einen weiteren Vorteil: Die christlichen und die islamischen Theologiestudenten bekommen leichteren Zugang zur Literatur der anderen Theologien. Das wird das interreligiöse Wissen stärken.

Welche Herausforderung ist Ihnen besonders im Gedächtnis geblieben?

Etwas, worüber die Beteiligten lange nachgedacht haben, ist der gemeinsame Gebetsraum auf dem Campus. Solche Räume gibt es längst nicht an allen Unis, an einigen hat man sie sogar wieder geschlossen. Für uns Muslime ist der gemeinsame Gebetsraum ein großer Fortschritt. Schon heute halten die beiden christlichen Fakultäten und wir Muslime jedes Jahr ein gemeinsames Gedenken für die verstorbenen Angehörigen der Universität. Wenn wir an der Reihe waren, es auszurichten, mussten wir bisher immer die Aula nutzen, weil es keinen entsprechenden muslimischen Gebetsraum gab.

Wie soll der neue gemeinsame Gebetsraum aussehen?

Sehr schlicht. Wir wollen ihn mit Teppich auslegen und auch die Möglichkeit schaffen, die Schuhe auszuziehen. Außerdem soll es schiebbare Wände geben, wenn zwei Gruppen gleichzeitig den Raum nutzen möchten. Wir verstehen den gemeinsamen Gebetsraum zudem als Raum der Stille, wohin sich Menschen auch zurückziehen können, wenn sie meditieren wollen. Es soll also ein Raum für alle werden – auch für nicht religiöse Menschen.

Die Islamische Theologie ist personell deutlich kleiner als die evangelische und die katholische Fakultät. Ist das in den Planungen spürbar?

Nein. Wir fühlen uns in keiner Weise benachteiligt – im Gegenteil. Mich hat positiv überrascht, dass sich die drei Partner trotz unterschiedlicher Größe auf Augenhöhe begegnen und dass alle ihre Wünsche äußern können. Die Universitätsleitung hat diese immer gewürdigt und berücksichtigt.

Welche Botschaft sendet Ihrer Ansicht nach der „Campus der Theologien“?

Dieses Projekt ist etwas Einmaliges – mindestens in Europa, soweit ich weiß. Aus Münster wird ein Signal in die deutsche Gesellschaft und weit darüber hinaus ausgehen, dass die Religionen konstruktiv miteinander „funktionieren“, zusammenarbeiten, sich austauschen und sich bereichern können.

Ihre Sicht auf den Islam und den Koran wird innerhalb der muslimischen Gemeinschaft durchaus kontrovers diskutiert. Welches Signal sendet der Campus von Münster in die islamische Gemeinschaft?

Der „Campus der Theologien“ zeigt deutlich, dass die Muslime in diesem Land und in Europa nicht isoliert leben und auch nicht isoliert leben sollten. Unsere Gesellschaften sind plural, da ist ein gemeinsamer Campus von drei theologischen Fakultäten nur ein Spiegelbild, das zeigen kann, wie das Zusammenleben funktioniert. Auch wir Muslime müssen lernen, den Anderen in seiner Andersheit zu würdigen und die weltanschauliche Pluralität unserer Gesellschaft zu schützen.

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