FSD-Geschäftsführerin Angelika Frank geht mit einer Sorge in den Ruhestand

Ist die Idee der Freiwilligendienste in Gefahr?

Die scheidende Geschäftsführerin der Freiwilligen Sozialen Dienst (FSD) im Bistum Münster, Angelika Frank, sieht in aktuellen Entwicklungen eine Gefahr für die Grundidee der Angebote.

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Die scheidende Geschäftsführerin der Freiwilligen Sozialen Dienst (FSD) im Bistum Münster, Angelika Frank, sieht in aktuellen Entwicklungen eine Gefahr für die Grundidee der Angebote. Denn das Entscheidende trete immer mehr in den Hintergrund, sagt sie: „Die Freiwilligkeit.“ Dagegen gebe es eine fortschreitende Instrumentalisierung der Freiwilligendienste. „Die Blickrichtung hat sich geändert – der Zweck wird immer mehr der Dienst, die Arbeitskraft, die Ausbildung.“ Dem eigentlichen Sinn der Dienste werde man damit nicht mehr gerecht: „Der Orientierung in wichtigen Lebensphasen.“

Wenn das jemand bewerten kann, dann Angelika Frank. Seit mehr als 40 Jahren ist sie in der katholischen Jugendarbeit des Bistums Münster aktiv, seit 23 Jahren für die Freiwilligendienste zuständig. Jede Vermittlung von Stellen im Freiwilligen Sozialen Jahr (FSJ) und später auch im Bundesfreiwilligendienst (BFD) ging über ihren Schreibtisch. Jeder, der einen solchen Dienst in einer katholischen Einrichtung im Bistum leisten wollte, wurde von ihrer Stelle vermittelt. 20 000 Verträge hat sie in dieser Zeit unterschrieben. Am Ende betreuten sie und ihr Team etwa 1000 Freiwillige im Jahr.

 

Freiwilligkeit soll im Vordergrund stehen

 

Jetzt geht die 64-Jährige in den Ruhestand. Ende Oktober übergibt sie die Geschäfte an ihre Nachfolgerin Kerstin Stegemann. Mit einem dankbaren Blick auf ihre Arbeit, aber nicht ohne sorgenvoll auf die weitere Entwicklung der Dienste zu blicken. Freiwilligendienste sind soziale Lerndienste, sagt sie.“ Gerade deshalb seien sie attraktiv. „Nicht der Dienst darf im Vordergrund stehen, sondern die Impulse für das Leben der Freiwilligen.“ Deshalb müssten die Dienste abseits von Arbeitsplänen und betriebswirtschaftlichen Erwägungen der Einrichtungen genug Raum für Begegnung, Ausprobieren und Lernen bieten. „Das Nebenher-Laufen im Arbeitsalltag gehört dazu.“

Die Entwicklung der vergangenen Jahre passe dazu nicht, sagt Frank. Die Freiwilligen würden immer häufiger als billige Arbeitskräfte genutzt und möglichst schnell zu möglichst effektiven Mitarbeitern ausgebildet. Dass dies dem eigentlichen Zweck von FSJ und BFD nicht gerecht werde, macht sie an einer markanten Zahl fest: „Von den 450 FSJ´lern haben im ersten Halbjahr 2018 ein Drittel ihren Dienst abgebrochen.“ Zwei Gründe gibt es dafür: „Die Einrichtungen haben ihnen Ausbildungs-Angebote gemacht, um sie als Personal zu binden.“ Oder die Freiwilligendienstler fühlten sich überfordert.

 

Entwicklung passt nicht zur Lebenssituation der Freiwilligen

 

Beide Gründe zeigten, dass diese Freiwilligen in den Betrieben von Beginn an funktionieren müssten, als Arbeitnehmer im Niedriglohnbereich gesehen würden und auch in den Fortbildungen immer mehr spezifisches Wissen für den Arbeitsplatz vermittelt werde. Pädagogische und soziale Hintergründe dagegen ständen weniger auf dem Lehrplan. „Zur Lebenssituation der Menschen, für die unsere Dienste eigentlich gedacht sind, passt das nicht.“ Gerade die Zeit zwischen Schule und Ausbildung, nach einer Familienphase oder bei Menschen mit Migrationshintergrund sei eine zweckfreie Orientierung wichtig.

Zum ersten Mal sind im Bistum Münster zu dieser Jahreszeit noch nicht alle 1000 Stellen für das kommende Jahr besetzt. Vielleicht liegt das am schlechter gewordenen Image. Mit Sicherheit sind geburtenschwache Jahrgänge und die gute Arbeitsmarktsituation Gründe dafür. Frank hofft, dass kein Trend daraus wird. Wie könnte man gegensteuern? „Die Anerkennungskultur müsste sich weiter verbessern, etwa mit einer standardisierten Anrechnung als Wartesemester oder durch Vergünstigungen im Alltag.“ Eine Rückkehr zum Pflichtdienst, wie derzeit angedacht, hält sie dagegen für falsch: „Soziales Engagement lässt sich nicht verordnen – wer wirklich sozial aktiv werden möchte, tut dies erst einmal freiwillig.“

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