Johannes Paul II. strafte kirchenkritischen Bischof von Evreux

Jacques Gaillot ist tot – Amtsenthobener Bischof gründete Online-Bistum

  • Der französische Bischof und Kirchenkritiker Jacques Gaillot ist tot.
  • Nach mehreren öffentlichen kirchenkritischen Aussagen hatte Johannes Paul II. ihn 1995 des Amtes enthoben.
  • Papst Franziskus hingegen empfing ihn 2015.

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In den streitbaren 1980er Jahren war Jacques Gaillot das "enfant terrible" der französischen Bischöfe - bis es Johannes Paul II. zu bunt wurde. Nach seiner Amtsenthebung zog Gaillot ins damals noch junge Internet um, wo sich in seiner "virtuellen Diözese" weitere linke Dissidenten sammelten. Nun ist Gaillot im Alter von 87 Jahren an den Folgen einer Krebserkrankung gestorben.

Als Gaillot 1995 in Evreux seinen Abschiedsgottesdienst feierte, war die Stadt in der Normandie im Ausnahmezustand. Mit 300 Bussen und drei Sonderzügen reisten Menschen an, um ihre Solidarität zu zeigen. Das "schwarze Schaf" der französischen Bischöfe hatte in den Augen Roms mit notorischer Unbotmäßigkeit zu oft Grenzen überschritten. Der amtsenthobene Bischof war künftig nur noch Titularbischof eines im fünften Jahrhundert untergegangenen Bistums: Partenia im heutigen Algerien.

Kritische Aussagen

Die harte und - nach Einschätzung des Bonner Kirchenrechtlers Norbert Lüdecke - rechtlich zumindest fragwürdige Maßnahme löste Proteste im In- und Ausland aus. Gaillot warnte damals vor einer "Kirche des Ausschließens" und plädierte für eine "Kirche der Ausgeschlossenen". Bei aller Kritik am Vatikan aber wandte sich der umstrittene Bischof gegen eine Abkehr von der Kirche. "Geben wir ihr eine Zukunft, jeder auf seine Weise", sagte er in seiner Abschiedspredigt.

Schon lange vor der Amtsenthebung hatte es Reibereien zwischen Gaillot und seinen Mitbrüdern gegeben. Der kleine, schmächtige Mann eckte in den 1980er Jahren regelmäßig mit TV-Auftritten an, in denen er den Zölibat, die Haltung der Kirche zu Homosexualität, Aids oder zu Frankreichs nuklearer Abschreckung kritisierte. Im Interview des Männermagazins "Lui" nannte er Geschlechtsverkehr "großartig und schön". In einem Beitrag für eine französische Homosexuellen-Zeitschrift schrieb er: "Homosexuelle werden uns im Himmel vorausgehen."

Versöhnungsgeste ohne Konsequenzen

Nach seiner Amtsenthebung behielt Gaillot den Ruf eines "Bischofs der Ausgeschlossenen". In Frankreich kämpfte er für die Rechte von Arbeitslosen, Obdachlosen, Häftlingen und illegal im Land lebenden Ausländern. Gelegentlich wurde er als Vermittler angerufen, etwa wenn "Illegale" mit den Behörden über Bleiberechte stritten.

2000 kam es zwar zu Gesten der Versöhnung mit dem damaligen Vorsitzenden der Französischen Bischofskonferenz, Kardinal Louis-Marie Bille. Doch außer der Versicherung, Brüder zu bleiben und in der Kirche geeint zu sein, folgten kaum praktische Konsequenzen.

Gründer einer virtuellen Diözese

In Kirchenkreisen hieß es, Gaillot habe bald danach abermals bischöfliche Mitbrüder mit unfreundlichen Bemerkungen verärgert. Der Kölner Kardinal Joachim Meisner hielt bis zuletzt an seinem Hausverbot für Gaillot fest.

So blieb er für die Öffentlichkeit vor allem im Internet präsent. Er gründete die erste "virtuelle Diözese", die unter www.partenia.org ein Jahr nach seiner Amtsenthebung zunächst in französischer Sprache, später unter anderem auch auf Deutsch online ging. Nach eineinhalb Jahrzehnten zog sich Gaillot 2010 auch dort zurück.

Treffen mit Papst Franziskus

Seitdem war es ruhig um ihn und fast wäre er wohl schon ein Fall für die Kirchenhistoriker geworden, hätte ihn nicht 2015 Papst Franziskus ins Bewusstsein zurückgeholt. Er empfing Gaillot kurz vor dessen 80. Geburtstag zu einem 45-minütigen "privaten Gespräch" im Vatikan. Ein Vertrauter Gaillots sprach anschließend von einem "Treffen von Gleichgesinnten".

Mit Blick auf die Segnung von zivil wiederverheirateten Geschiedenen und homosexuellen Paaren habe der Papst gelächelt und gesagt: "Der Segen Gottes ist für alle da." Zur Sorge für Flüchtlinge und Migranten, eine der zentralen Aufgaben Gaillots seit seiner Absetzung, habe Franziskus betont: "Die Migranten waren und sind immer das 'Fleisch' der Kirche." Gaillot selbst sagte nach der Begegnung, er fühle sich nunmehr "rehabilitiert".

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