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Franziskus im Rollstuhl – diese Bilder und manche Terminabsage nährten Gerüchte, der Papst könne abtreten wollen. Doch er ist voller Tatendrang, setzt überraschend die Kurienreform um und verlängert die Weltsynode um ein Jahr bis 2024.
Franziskus, seit dem 17. Dezember 86 Jahre alt, ist nun der älteste amtierende Papst seit mehr als einem Jahrhundert. Benedikt XVI. trat mit 85 zurück, Johannes Paul II. starb mit 84, Paul VI. im Alter von 80 Jahren. Franziskus interessiert dieses Detail wohl kaum. Auch der bevorstehende zehnte Jahrestag seiner Wahl im März 2023 dürfte Randthema sein. Die Arbeit ruft.
Franziskus ist nicht amtsmüde, obgleich 2022 geprägt war von Spekulationen um seine Gesundheit. Alles begann mit offensichtlichen Kniebeschwerden. Trotz aller Therapieversuche – Operation auf Papstwunsch ausgeschlossen – wurde das schmerzende Gelenk mit lädierten Bändern nicht besser. Treffen, Reisen wie der lang geplante Afrika-Besuch und Messen wurden abgesagt. Nicht alle Termine, aber immer wieder. Ein Rollstuhl wurde angeschafft, eine Gehhilfe ebenfalls.
Als dann eine außerordentliche Kardinalsversammlung für Ende August anberaumt wurde und der Papst einen Trip nach L'Aquila zum Grab seines Vorgängers Coelestin V. ankündigte, wurde aus dem Brodeln ein Toben. Journalisten bereiteten sich auf den Fall der Fälle vor. Coelestin V. gilt als erster Papst, der freiwillig das Amt abgab. Benedikt XVI. legte einst in einer vielgedeuteten Geste bei einem L'Aquila-Besuch seine Stola, das Pallium, auf Coelestins Grab.
Kurien-Umbau schneller
Doch nichts passierte, ein Sturm im Wasserglas. Stattdessen stand das Treffen der Kardinäle – direkt nach Erhebung zahlreicher Franziskus-naher Kardinäle – im Zeichen der Kurienreform. Die hatte der Papst nach jahrelanger Arbeit und Teilumsetzung im März veröffentlicht. Völlig unerwartet, selbst Vatikanbehörden fühlten sich überrumpelt. Bis Übersetzungen des teils ungeschliffenen Textes fertig waren, dauerte es Monate.
Doch Franziskus ist nicht nur nicht amtsmüde, er ist voller Tatendrang. Dem Inkrafttreten der Reform Anfang Juni, die unter anderem die Rolle von Laien stärkt und die Macht von Kurialen beschränkt, sollten Taten folgen.
Schwitzen im Maschinenraum
Im Maschinenraum des Vatikan schwitzt man seither. Neue Personalien, Transparenz bei den Finanzen – nicht unwichtig für einen laufenden Vatikan-Strafprozess zum Thema –, eine Stärkung der Kinderschutzkommission oder ein neuer Chef für die Evangelisierungsbehörde: Den Posten übernahm der Papst selbst.
Nebenbei unerwartete Franziskus-Entscheidungen, etwa die Auflösung der bisherigen Leitungsstrukturen des Malteserordens oder das Absetzen der Leitung von „Caritas Internationalis“. Die Umsetzung der meisten Entscheidungen ist längst nicht abgeschlossen.
Ein päpstliches Herzensanliegen
Ebenso wenig die seit rund einem Jahr laufende Weltsynode. Genauer gesagt: die Synode zur Synodalität. Das päpstliche Herzensanliegen ist ein mehrjähriger Prozess mit diözesaner und kontinentaler Phase – bis hin zu zwei für 2023 und 2024 geplanten Bischofssynoden in Rom. Erst in diesem Jahr hat Franziskus das Projekt bis 2024 verlängert.
Der synodale Prozess erhält Zustimmung, aber auch nicht wenig Gegenwind. Manch ein Bischof sorgt sich um die kirchliche Lehre, ein anderer mehr um seine Position. Die Deutschen mit ihrem parallel laufenden Synodalen Weg sind spezielle Kandidaten. Spätestens der im November absolvierte Ad-Limina-Besuch der deutschen Bischöfe im Vatikan sorgte für viel Nervosität – nicht nur in Deutschland.
Zu russlandfreundlich?
Doch Franziskus sieht lieber in die Ferne. Seine Reise Anfang April ins erzkatholische Malta war ein Heimspiel. Anders die Reise nach Kanada Ende Juli: Die Bußreise, wie er sie selbst nannte, stand unter dem dunklen Stern unbeschreiblicher Misshandlungen Indigener an oft katholisch geführten Internaten. Franziskus bemühte sich um Vergebung und Versöhnung – nicht ohne Kritik der Überlebenden.
Franziskus hat mehrfach betont, nicht nur in die Ukraine, sondern auch nach Russland reisen zu wollen. Da das Verhältnis zu Moskau aber gespannt ist, fanden beide Reisen noch nicht statt. Stattdessen reisten mehrere Kurienkardinäle, darunter Konrad Krajewski und Michael Czerny, mehrfach ins ukrainische Kriegsgebiet. Der Papst wurde zudem das ganze Jahr lang nicht müde, den Frieden durch alle Parteien einzufordern. Manch einer kritisierte seine diplomatischen Bemühungen als zu russlandfreundlich.
Reisen für den Dialog
Der tiefe Wunsch nach Frieden dürfte auch ein Motiv für seine beiden interreligiösen Reisen nach Kasachstan im September und Bahrain im November gewesen sein. Denn ohne Dialog besteht für den Argentinier keine Chance auf Frieden. Und für echten Dialog braucht es Begegnungen.
Die sucht Franziskus täglich, sie bleiben sein Lebenselixier – auch wenn er kurz vor Weihnachten Rücktrittsspekulationen selbst wieder anfachte: In einem Interview enthüllte der Papst, eine bedingte Rücktrittserklärung für den Fall seiner Amtsunfähigkeit unterschrieben zu haben.
Für den Fall der Fälle
Er habe das Dokument 2013 dem damaligen Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone übergeben und gehe davon aus, dass es nun Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin vorliege. Franziskus beschrieb, es gehe im Fall der Fälle etwa um „eine Verhinderung durch medizinische Umstände“. Er erläuterte gleichwohl nicht, wer die Amtsunfähigkeit – etwa bei einer geistigen Verwirrung oder einem Koma – feststellen muss.
Der Papst sieht ein solches Dokument offenbar sehr nüchtern. Er sagte, er glaube, Pius XII. (gestorben 1958) und Paul VI. (gestorben 1978) hätten Ähnliches verfasst. Spekulationen darüber hatte es immer wieder gegeben. Franziskus wäre dann lediglich der erste Papst, der ein solches Dokument öffentlich bestätigt hätte.