Anzeige
Neulich hat er in der Berliner Philharmonie gespielt, wie immer auswendig. Er ist ein Social-Media-Star, jetzt kommt er nach Münster. Warum Orgel?
Herr Liebermann, Sie kommen gerade von einem Konzert in Budapest zurück, wo Sie sämtliche Triosonaten von Johann Sebastian Bach gespielt haben. Macht knapp anderthalb Stunden – und Sie spielen alles auswendig. Wie schaffen Sie das?
Wie der Name schon sagt, bestehen die Triosonaten aus drei voneinander unabhängigen Stimmen – also für die linke Hand, die rechte Hand und für die Füße im Pedal. Bach hat sie für seinen ältesten Sohn Wilhelm Friedemann als Übungsstücke geschrieben, damit er ein großer Organist wird. Sie sind tatsächlich kognitiv eine echte Herausforderung. Für gewöhnlich wird im Konzert eine Triosonate gespielt, wenn man Glück hat zwei. Aber ich liebe die Herausforderung. Warum es mir leichtfällt, alle sechs Triosonaten auswendig zu spielen, kann ich nicht genau erklären. Vermutlich spielt eine gewisse Veranlagung eine Rolle. Wenn ich ein Werk oft genug gespielt habe, gelingt es mir in der Regel recht mühelos, es auswendig wiederzugeben. Meine Finger machen automatisch das, was sie machen sollen.
Nebenbei machen Sie auch noch Abi – wie bekommen Sie das alles in Ihren Kopf? Fällt Ihnen die Schule leicht?
Eigentlich schon – außer Mathe. Am Freitag ist Mathe-Klausur, am Mittwoch Englisch. Für Englisch habe ich schon ein bisschen gelernt, für Mathe noch nicht.
Sie sind 19 Jahre alt und doch schon ein alter Hase auf der Orgel, spielen so ziemlich alle großen Werke. Wie haben Sie das Instrument entdeckt – was faszinierte sie?
Ich habe mit zwölf an der Orgel angefangen, aber davor habe ich schon Klavier gespielt. Ich wollte die Orgel einfach ausprobieren, die ja schon optisch, aber auch von der Klangfülle her ziemlich beeindruckend ist. Kein Instrument reicht da heran! Ich mag es gern, wenn ich auf viele Dinge gleichzeitig achten muss. Ich muss die Registrierung im Kopf haben, dazu das eigentliche Spiel mit Händen und Füßen und auf verschiedenen Manualen – das macht mir unglaublich viel Spaß.
Orgelmusik ist im herkömmlichen Sinn „klassische Musik“. Die meisten Ihrer Altersgenossen hören wohl eher andere Musik. Was fasziniert Sie an klassischer Musik?
Klassische Musik ist einfach ganz hohe Kunst! Vor allem Johann Sebastian Bach, den ich für den größten Komponisten halte, hat Musik geschrieben, die heilig ist. Sicherlich hat das mit seiner tiefen Gottesverbundenheit zu tun. Diese alte Musik war die Popmusik seiner Zeit, sie ist bis heute aktuell – ich frage mich, ob die Popmusik von heute in 300 Jahren genauso viel gespielt werden wird.