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AfD und radikale Rechte: Die merkwürdigen Kontakte einer „Christfluencerin“

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Sie will mit allen über Christus sprechen. Besondere Vorliebe zeigt die evangelikale Influencerin Jasmin Neubauer für die AfD. Damit nicht genug.

Jasmin Neubauer ist eine der reichweitenstärksten Christfluencer. Unter dem Namen „Liebe zur Bibel“ folgen ihr inzwischen mehr als 75.000 Accounts auf Instagram. Ihr Content wirkt auf den ersten Blick harmlos: Kacheln mit Bibelsprüchen und Kreuze in modischem Beige oder ausdrucksstarke Porträts in strahlenden Farben. 

Allerdings fiel Neubauer in der Vergangenheit immer wieder durch ihre Nähe zur radikalen Rechten auf: So trat sie 2023 in einem YouTube-Video des rechtsradikalen Aktivisten Leonard Jäger über einen Queer-Gottesdienst an der Humboldt-Universität zu Berlin auf. Darin dient Neubauer dem YouTuber, der auch als „Ketzer der Neuzeit“ bekannt ist, als eine Art theologische Expertin.

Im Anschluss distanzierte sich sogar der evangelikale SCM-Verlag, der eigenen Aussagen zufolge in den vergangenen Jahren mit Neubauer „bei kleineren Projekten“ zusammengearbeitet hatte, von der Influencerin. Sie habe eine „rote Linie überschritten“. Man distanziere sich „von allen, die Stimmung gegen Minderheiten oder Menschen im LGBTQ+-Umfeld machen“.

Gespräch mit der AfD

Offenbar hat Neubauer nun eine weitere rote Linie überschritten. Am Samstag veröffentlichte sie zusammen mit Jäger auf Instagram einen Zusammenschnitt aus einem Interview, das dieser vor kurzem mit der AfD-Parteivorsitzenden Alice Weidel führte. Das Reel reiht Aussagen von Weidel über Gott und Religion aneinander: Die AfD-Frau sagte, sie würde „sehr gerne an Gott glauben“. Sie sei davon überzeugt, dass „da etwas ist“. Ähnliches hatte Weidel bereits im Gespräch mit dem US-Milliardär Elon Musk auf X, ehemals Twitter, angedeutet. Irgendwann fragt Jäger Weidel, ob sie bereit wäre, mit einer christlichen Influencerin, der „größten Deutschlands“, einen „Podcast zu drehen, um über diese Themen weiter zu sprechen“. Er meint Jasmin Neubauer. Weidel ist sofort begeistert und stimmt zu.

Offensichtlich teilt die Influencerin die Begeisterung von Jäger und Weidel. Dem Reel stellt Neubauer eine Caption zur Seite: „Unabhängig davon, ob links, rechts, grün oder mitte … ob Gutmensch oder Bösmensch – wir sollten doch mit jeder Person sprechen und ihr von Jesus erzählen, denn Jesus ist für ALLE gekommen.“ Später wird Neubauer die Caption überarbeiten und hinzufügen: „(Dies ist keine Wahlwerbung.)“ Dieser Zusatz irritiert, da Jäger am Ende des Zusammenschnitts Weidel explizit ein gutes Ergebnis wünscht: „Gottes Segen, und: Ja, ich drück die Daumen, dass das was wird mit der Wahl.“

Trotz Kritik große Zustimmung

Unter dem Reel geben einige Anhänger von „Liebe zur Bibel“ ihrer Verwunderung Ausdruck: „Puhh, dass geht mir jetzt echt zu weit. Wieso Alice Weidel eine Bühne bieten“, heißt es dort zum Beispiel. Andere Kritiker wie die Ordensfrau Marie-Pasquale Reuver werden deutlicher: „Einfach nur schockierend! Und letztlich auch spirituell missbräuchlich mit scheintheologischen Argumenten eine Bühne zu bieten, sie zu pushen und als christlich vertretbar darzustellen.“

Gleichzeitig finden sich aber deutlich mehr Stimmen, die Neubauer verteidigen: „Boah paar Leute in den Kommentaren triggern mich. […] Betet doch für Alice Weidel und was gäbe es besseres als dass sie zum Glauben findet?“ Viele sind von der Ankündigung des Gesprächs mit der AfD-Frau regelrecht elektrisiert: „Das wird so soooo gut!!“ Die Vorfreude passt zu einer Umfrage, die Neubauer in ihrer Story teilte: „Ich würde mir mal […] ein Stimmungsbild machen wen ihr so wählt. ANONYME Abstimmung.“ 46 Prozent der Teilnehmer votierten eine Stunde nach dem Posten der Story für die AfD, 33 Prozent für die CDU.

Jäger ist erfolgreicher Rechtsinfluencer

Neubauer meldete sich schließlich mit einem „kurzen Nachtrag“ zu Wort. Sie werde „IMMER, zu jeder Zeit, an jedem Ort mit jeder Art Mensch reden, und nie die Möglichkeit verpassen, die der Heilige Geist schenkt, über Jesus zu sprechen“. Das schließe „Baerbock, Scholz, Weidel oder Merz“ ein. Auch vor Jäger hätten sie zwei Jahre zuvor viele Menschen gewarnt, weil er „schließlich rechtsradikal [sei] (was nicht stimmte)“. Heute habe sich der „Ketzer“ bekehrt, seinen Lebensstil geändert, sich taufen lassen und folge Jesus nach.

Dass Jäger inzwischen zu einem der wichtigsten rechtsradikalen Influencer aufgestiegen ist, lässt Neubauer unter den Tisch fallen. Auf YouTube folgen ihm inzwischen mehr als eine halbe Million Accounts, auf Instagram etwa 215.000. Zuletzt ließ sich Jäger in Mar-a-Lago in Florida mit Donald Trump ablichten und reiste zu dessen neuerlicher Vereidigung nach Washington. In Deutschland suchte er ebenfalls den Kontakt zu zentralen Figuren der rechten Szene. Auf seinem YouTube-Kanal finden sich zum Beispiel Interviews mit dem ehemaligen Verfassungsschutz-Präsidenten Hans-Georg Maaßen und der AfD-Bundestagsabgeordneten Beatrix von Storch.

Geringe Kritikbereitschaft

Aufgrund der zahlreichen Rückmeldungen sah sich Neubauer nochmals gezwungen, das Reel in ihren Storys zu kommentieren. Die Kritik kann sie nicht nachvollziehen: „Jetzt geht es ab. Leute. Ich rede mit jedem und dieses Argument ich würde Menschen ,eine Bühne‘ bieten…. Leute……“ Um ihre Position zu untermauern, zieht sie das Beispiel Jesu heran: „Glaubt ihr echt Jesus würde sich wegwenden von irgendeinem Menschen?! Everybody needs Jesus.“

Klar ist: Aus dem angekündigten Gespräch mit Weidel lassen sich keine Parteipräferenzen ableiten. Allerdings setzen Neubauer und Jäger damit ihre Rechtsentwicklung fort. Die Bereitschaft, Personen wie Weidel abseits eines journalistischen Kontexts unkritisch zu befragen, lässt sich biblisch allemal hinterfragen. Jesus ging zu den „Zöllnern und […] Dirnen“ (Mt 21,31), zu den Armen, den Schwachen und Ausgestoßenen – an die Ränder. Nicht zu denen, die – wie die AfD – diese Ränder mit Gewalt bedrohen.

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