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Jesus ist unser Bruder, weil er einer von uns geworden ist. Aber er ist doch auch Gott, spricht man so familiär zu dem, der uns erlöst hat? Eine Serie durch den Advent blickt auf die Titel, die wir für den haben, dessen Kommen diese Zeit erwartet. Passen sie noch zu uns - und zu unserer Beziehung zu dem, um dessen Ankunft sich alles dreht?
Wie nah soll Gott uns kommen dürfen? Eine merkwürdige Frage, so mitten in der Adventszeit, die doch bedenkt und feiert, dass Gott uns Menschen so nah kommen will, wie es nur geht: Er wird einer von uns. Darum gibt es an vielen Orten ja auch den Brauch, dass im Advent eine Marienfigur oder auch die leere Krippe von Haus zu Haus getragen wird, um zu erspüren: Hierher, bis in unser Haus, unser Leben, unser Herz will dieser Gott kommen. So weit lässt er sich herab, so tief in unsere Seelenfalten hinein und tiefer in alle Abgründe. Uns so nah, wie wir uns selber nicht sind.
Und doch ist der Advent mit seinen Liedern, Bildern und Worten doch eher davon geprägt, dass da ein Großer, der Größte, der Allmächtige auf dem Weg zu uns ist: der Heiland und Retter, der Friedensfürst und König aller Königreich. Ob es uns letztlich doch zu gewaltig ist, ob wir es im Kern doch nicht glauben können, dass tatsächlich Gott, der Schöpfer der Welt, einer von uns wird und wir darum vorsichtsshalber die hoheitliche Form wahren, statt uns vorwitzig ihm gemein zu machen, mit dem heruntergekommenen Allmächtigen?
Was denn jetzt - mal Meister, mal Diener?
Es ist ein schwieriges Unterfangen, klipp und klar und eindeutig zu benennen, wer denn dieser Jesus für uns ist. Daran ist zu einem Teil auch die Tradition der Frömmigkeit nicht unschuldig. Denn manche Titel wollen tatsächlich nicht so recht zu anderen Titeln passen. Da ist Jesus einerseits Gottessohn und Sohn der Jungfrau, zugleich aber der Bräutigam. Mal ist er der Hirte, dann wieder das Lamm. Einmal ist er Meister und Herr, dann wieder Sklave und Diener. Und manche sagen: Wenn er doch von Maria als Mutter der Menschheit geboren wird, dann ist er doch tatsächlich auch unser aller Bruder. Andere rätseln, ob Jesus Einzelkind war oder ob er tatsächlich Geschwister hatte.
Auch das Evangelium berichtet ja davon, dass „seine Mutter und seine Brüder“ ihn eines Tages besuchen – doch er will nichts von ihnen wissen und reagiert sogar etwas unwirsch: „Wer den Willen Gottes tut, der ist für mich Bruder und Schwester und Mutter.“ Dazu verquere Familienverhältnisse: Josef, Marias Bräutigam, wird nur als sein Ziehvater verstanden, und noch unterm Kreuz stellt Jesus seiner Mutter einen neuen Sohn an die Seite, nämlich Johannes, seinen Lieblingsjünger, wie es heißt.
Advent: schrittweise vertraut
Dass Jesus tatsächlich unser Bruder geworden ist, das feiern wir an Weihnachten. Ein Kind wie du und ich, wenngleich die Umstände der Geburt schon etwas besonders waren. Und doch mutet Weihnachten uns zu, eben dies zu glauben – und der Advent, uns Schritt für Schritt damit vertraut zu machen: dass Gott uns tatsächlich so nah kommt, dass er Mensch wird, einer von uns.
So nah und so tief herunter, dass er im Heruntergekommensten erkannt werden will, im Ausgestoßenen, im Entrechteten, in der Missachteten, zum Schweigen Gebrachten, im Verfolgten und Ängstlichen, in der Hungernden und Alleingelassenen. Wo immer es uns gelingt, diesen Menschen unsere ganze Nähe zu geben, da sind wir ihm nah, sagt er.
Gott begegnet uns als Schwester
So nah kommt er uns, dass beinahe wir uns schämen, ihm derart heruntergekommene Existenzen zur Menschwerdung zumuten zu müssen.
Vor allem natürlich kommt er uns als Kind nah, wehrlos, nackt und voller Leben. Und er begegnet uns natürlich nicht nur in Männern, auch als Schwester also, der große Gott, der sich uns naht. All dem macht hoch die Tür!
Gebetsanreden - Eine Serie durch den Advent
Teil 1: Die Schwierigkeit, vom "Herrn" zu sprechen