Moderator „predigt“ beim Saison-Auftakt in Dortmund

Jörg Thadeusz: Fußballspiele besser vorbereitet als Gottesdienste

Moderator Jörg Thadeusz wird beim Saison-Eröffnungsgottesdienst von Borussia Dortmund die Ansprache halten. „Kirche-und-Leben.de“ erzählt er unter anderem, wie der Fußball ihm den Unterschied zwischen Gut und Böse beigebracht hat.

Anzeige

Der Autor und Moderator Jörg Thadeusz (49) wird beim Saison-Eröffnungsgottesdienst am Donnerstag in der Gründungskirche von Fußball-Bundesligist Borussia Dortmund die Ansprache halten. Im Interview mit „Kirche-und-Leben.de“ erzählt der evangelische Christ, wie der Fußball ihm den Unterschied zwischen Gut und Böse beigebracht hat, und wo Kirche „deutlich mehr Pressing spielen“ muss, um mit ihrer Botschaft bei den Leuten anzukommen.

Kirche+Leben: Wieso halten gerade Sie eine Ansprache beim Saison-Eröffnungsgottesdienst von Borussia Dortmund? Welche Verbindung haben Sie zum Fußball und zur Kirche?

Jörg Thadeusz: Die Veranstalter haben mich ausgewählt, und das empfinde ich als großes Kompliment. Mein Stiefvater hat mich zum ersten Mal ins Westfalenstadion mitgenommen, als ich zwölf Jahre alt war. Seit damals weiß ich, was gut (BVB) und böse (FC Bayern München, FC Schalke 04) ist. Eine letztlich religiöse Unterscheidung.

Ich bin getaufter, konfirmierter und brav Kirchensteuern zahlender evangelischer Christ. Allerdings mitunter, wie es sich für einen Protestanten gehört, auch sehr skeptisch. Denn ich verstehe die Botschaft des Evangeliums weder als Ermunterung zur allgemeinen Kuschelei. Noch halte ich sie für den Entwurf des Koalitionsvertrages einer rot-grünen Regierung.

Welche Parallelen sehen Sie zwischen Gläubigen und Fußballfans beziehungsweise zwischen einem Gottesdienst und einem Fußballspiel?

Viele Gottesdienste, die ich besucht habe, waren sehr langweilig. Zuletzt war ich bei einem Tauf-Gottesdienst. Der war regelrecht verstörend. Weil die Pfarrerin uns offenbar für Vorschulkinder hielt und deswegen mit Plüschfiguren hantierte, um eine diffus-christliche Botschaft zu symbolisieren.

Da Fußball in Deutschland wichtiger ist als Religion, sind Fußballspiele meistens besser vorbereitet als Gottesdienste. Die Leute auf dem Platz müssen alles abrufen, was sie drauf haben. Der Auftritt des einen oder anderen Geistlichen gerät dagegen oft wie ein unterspanntes Freundschaftsspiel.

Wo kann Kirche etwas vom Fußball lernen?

Mir gefällt die Klarheit des Fußballs. Die oder wir. Treffer, oder eben daneben. Sieg, kein Sieg, oder sogar Niederlage.

Wenn viele Deutsche nicht einsehen, warum Flüchtlinge aus dem Mittelmeer gerettet werden sollen, dann hat die Kirche so sehr versagt, dass sie abstiegsgefährdet ist. Dann bedeutet die „Christlichkeit“ unserer Gesellschaft nur düstere Folklore mit Kreuzen und Moralschikanen im erotischen Bereich. Ich muss die nicht verstehen, die Leute ertrinken lassen würden. Die müssen verstehen, warum sie im Unrecht sind. Zur Verbreitung dieser Klarheit muss die Kirche deutlich mehr Pressing spielen.

Kirche oder Stadion – wo verbringen Sie lieber Ihre Zeit am Wochenende?

Kirche klingt besser. Das Stadion ist allerdings meine Kathedrale. In der Kirche besuche ich Jesus mit schlechtem Gewissen und wünschte, ich könnte ihn besser verstehen. Im Westfalenstadion spielt Verständnis keine Rolle mehr. Nur noch Gefühle.

Anzeige