Interview über Witze zu Corona und den Glauben als Halt in Krisenzeiten

Jürgen Beckers – Kabarettist, Karnevalist, Christ

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Humor ist sein Beruf und seine Berufung. Um Menschen als Kabarettist oder Karnevalist zu unterhalten, hat Jürgen Beckers alias „Jürgen B. Hausmann“ sogar seinen Beruf als Lehrer aufgegeben. Jetzt muss der gläubige Christ mit Corona fertig werden. Was hilft ihm dabei?

Herr Beckers, als was sehen Sie sich zuallererst: als Karnevalist, Kabarettist, Comedian…?

Karnevalist bin ich von Geburt an; das ist eine Passion. Am wenigsten würde ich mich als Comedian bezeichnen; diese Schiene ist nicht meine. Da benutzen viele eine Sprache, die ich nie gebrauchen würde. Umgekehrt bin ich diesen Comedians viel zu sehr Mainstream und zu volkstümlich. Gegen die Bezeichnungen Kabarettist oder Komiker habe ich dagegen nichts; Heinz Erhardt, mit dem ich mich allerdings keinesfalls vergleichen möchte, war zum Beispiel ein großer Komiker.

Wie kam es zum Künstlernamen „Jürgen B. Hausmann“?

Als ich noch nicht so bekannt war, bestand die Gefahr, dass ich mit dem Kölner Kabarettisten Jürgen Becker verwechselt wurde. Da kam mein Musiker Harald Claßen, der mich seit vielen Jahren begleitet, auf die Idee mit dem „Hausmann“. Er hat diese Figur erfunden, und mir hat das sofort zugesagt. 1999 habe ich zum ersten Mal „Hausmannskost“ präsentiert. Der „Hausmann“ spielt das Leben, wie das Leben so spielt, ob in der Ehe, der Nachbarschaft, auf Reisen, beim Arzt, beim Sport in der Schule oder bei Festen. Der Kernsatz in seinen Programmen lautet: „Jenau wie bei uns! So isset! So war et!“ Ich bin übrigens tatsächlich Hausmann, denn ich koche, putze, wasche und bügele, Letzteres allerdings seltener.

Längst treten Sie nicht nur im Rheinland auf, sondern in ganz Deutschland. Versteht das Publikum dort Sie überhaupt?

Sie dürfen nicht vergessen: Ich spreche dort etwas anders, als wenn ich in Alsdorf oder Aachen auftrete, also mit größeren Anteilen von Hochdeutsch und weniger Platt. Aber die Leute dort erfreuen sich am Klang des rheinischen Singsangs, auch wenn sie nicht immer alles verstehen.

Wie haben Sie privat den Frühjahrs-Lockdown erlebt - als ausgebildeter Lehrer?

Am Anfang gab es eine Schockstarre, weil man sich das in seiner ganzen Dimension gar nicht vorstellen konnte. Natürlich habe ich meine Kinder zu Hause beschult. Das Homeschooling ist auch gut gelaufen, obwohl es in meinem Kabarettprogramm nicht so geschildert wird. Aber es ist eine fremdartige Situation, die eigenen Kinder zu unterrichten, und nicht ganz einfach. Meine elfjährige Tochter Marie ist übrigens begeistert vom Fach Latein, ganz im Gegensatz zu meinem zehnjährigen Sohn Lukas.

Haben Sie sich in dieser Zeit zu Hause gelangweilt?

Auf die Anregung eines Bekannten hin haben wir im April in Alsdorf ein „Trio Corona“ gegründet, sind damit durch die Altenheime gezogen und hatten insgesamt 22 Auftritte in Aachen, Stolberg und Baesweiler. Das war eine tolle Erfahrung. Wir haben in Innenhöfen Open-Air-Vorstellungen gegeben, und anfangs saßen die alten Leute noch hinter Scheiben und schauten uns von dort aus zu. Damit haben wir sozusagen aus der Not eine Tugend gemacht. Die alten Menschen, die wochenlang ziemlich isoliert waren, zeigten eine große Dankbarkeit. Am 26. April hatte ich in Eschweiler wieder meinen ersten Auftritt im dortigen Autokino, diesmal mit dem Programm „Korona, Krise, Klopapier“. Obwohl immerhin 150 Autos gekommen waren, konnte man von „Stimmung“ dort nicht sprechen, weil keine Hupen und sogar keine Lichthupen betätigt werden durften. Trotzdem war es in einer harten Zeit hilfreich, dass man überhaupt noch etwas machen und vor Publikum auftreten konnte.

Wie ist Ihr Sommer verlaufen?

Im Mai habe ich mein neues Programm „Korona, Krise, Klopapier – Special! Nix Vi rus?!“ auf Verdacht geschrieben und konnte es dann am Montag nach Pfings­ten dem Publikum zum ersten Mal präsentieren, und zwar in Baesweiler. Von Juni bis Oktober habe ich das 40-mal gespielt, unter anderem in Leverkusen, Mönchengladbach und in Dortmund, dort allein fünfmal.

Kann man über Corona Witze machen?

Das ist ein ganz schmaler Grat, aber es geht. Wenn ich zu Beginn meines Corona-Programms mit der Klopapier-Rolle herauskomme, lacht das Publikum schon. Ich nehme zum Beispiel auf die Schippe, dass viele Ehepaare sich im Lockdown auf den Wecker gegangen sind, und parodiere unsere neuen Einkaufs- und Reisegewohnheiten: dass man vor allem Toilettenpapier und Nudeln gehortet hat und nicht mehr in die Karibik fliegt, sondern zum Barmener See fährt. Die Hauptverkehrsstraßen, so sage ich voraus, werden demnächst durch Kanäle ersetzt, und Jülich wird dadurch zum Venedig des Westens. Das ist unsere nächste „Italien-Reise“. Mit einer Mischung aus Komik und Besinnlichkeit will ich den Menschen für die Corona-Zeit Mut machen. Gerade in diesen schweren Zeiten tut es gut, einmal herzhaft zu lachen.

Wie viele Ihrer Auftritte sind abgesagt worden? Welche Auflagen mussten Sie erfüllen?

Insgesamt mussten wir fast 100 Auftritte absagen. Seit Juni haben die Hygieneauflagen in der Städteregion Aachen zum Beispiel dreimal gewechselt. Bei meinen sommerlichen Open-Air-Auftritten in Alsdorf, Hückelhoven und Eschweiler kamen mir die Vorschriften eher zu lasch vor, weil dort viele Leute an einem Tisch sitzen, essen und trinken durften. Am 3. Oktober dagegen, als die Infektionszahlen wieder stiegen, mussten die Zuschauer Masken tragen, und ich habe jeden Einzelnen von ihnen persönlich begrüßt.

Wie sah es im zweiten Lockdown aus?

Am 30. Oktober hatte mein Programm „Von Herbs´ bis Neujahr, nix bleibt, wie et war“ in Alsdorf vor 120 Zuschauern Premiere. Das war für mich aufbauend und deprimierend zugleich. Lange hatten wir überlegt, ob ich in der Auftaktszene zur Musik des bayerischen Defiliermarsches einziehen und Witze über ein Oktoberfest ohne Bier reißen sollte. Genauso habe ich es letztlich gemacht und damit genau den Nerv des Publikums getroffen, das gespürt hat, was das bedeuten sollte. Die Stimmung war ein bisschen so wie bei einer Henkersmahlzeit, bei der man noch einmal richtig zuschlägt, bevor es ernst wird; die Premiere war zugleich die bisher letzte Vorstellung, denn alle anderen, die schon geplant waren, sind verschoben worden. Im Verlauf des Programms gehe ich unter anderem auf Halloween und St. Martin ein, präsentiere dem Publikum einen Adventskranz mit vier Klorollen und erzähle das Weihnachtsevangelium in einer Corona-Version: Maria und Josef dürfen nicht zur Volkszählung, und Josef arbeitet als Zimmermann im „Heimschreinering“. Am Ende wage ich einen sentimentalen Ausblick auf den Karneval 2021.

Wie bewältigen Sie diese Zeit, was gibt Ihnen Halt?

Das ist eine ganz traurige Zeit der negativen Nachrichten, aber auch eine Zeit, in der man sich auf das Wesentliche besinnen kann, eine Phase der Entschleunigung.  Normalerweise kommt bei mir im November, Dezember alles zusammen: Karneval und Kabarett, Auftritte bei Schulen und Tagungen. Im Januar, Februar und eventuell März, auf dem Höhepunkt der Karnevalssession, komme ich auf bis zu 100 Auftritte in sechs Wochen, sechs bis acht an einem Abend. Jetzt lese ich dagegen viel mehr, unterhalte mich lange mit anderen oder stehe einfach da und schaue mir den Himmel an. Ich bin jetzt am liebsten zu Hause und entdecke ganz neue Seiten des Lebens. Was fehlt uns eigentlich unter Corona? Eigentlich nichts. Mein Glaube hat sich in dieser Zeit verändert und verstärkt. Ich bete mehr und führe dabei ein intensives Zwiegespräch mit Jesus, in dem ich meine Freuden und Sorgen schildere. Jedes Kinderlachen und jede Blume weiß ich jetzt viel mehr zu schätzen als früher.

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