Anzeige
Die Austrittszahlen der 25- bis 35-Jährigen steigen seit Jahren an – in der evangelischen wie in der katholischen Kirche. Doch der Vorschlag, dies durch Kirchensteuerreduzierung stoppen zu können, greift zu kurz, meint Daniel Gewand in seinem Kommentar.
Jungen Erwachsenen soll die Kirchensteuer erlassen werden, um sie in der Kirche zu halten. So der Vorschlag des EKD-Ratsvorsitzenden Bedford-Strohm. Er und andere Kirchenverantwortliche gehen dabei davon aus, dass die jungen Erwachsenen es sind, die den Kontakt zur Kirche verlieren.
Außerdem gehen sie davon aus, dass junge Erwachsene Kirchenmitglieder bleiben, wenn ihnen die Kirchensteuer erlassen wird. Doch so einfach ist es nicht.
Vorschlag greift zu kurz
Daniel Gewand, Pastoralreferent und Verantwortlicher für das Projekt frei.raum.coesfeld für junge Erwachsene, Autor und Sprecher bei Kirche in 1LIVE, Theologiestudium an der Ruhr-Universität Bochum, ifp Journalistenausbildung, Jahreshospitation beim WDR Hörfunk.
Zunächst einmal das Positive: Bedford-Strohm und andere evangelische Kirchenverantwortliche machen sich Gedanken über junge Erwachsene und deren Verbindung zur Kirche. Denn: Die Austrittszahlen der 25- bis 35-Jährigen steigen seit Jahren an – in der evangelischen wie in der katholischen Kirche. Doch der Vorschlag, dies durch Kirchensteuerreduzierung stoppen zu können, greift zu kurz.
Warum? Junge Erwachsene sind nicht käuflich. Verschiedene Studien belegen, dass die Kirchensteuer an sich kein Austrittsgrund ist. Aufgrund einer Kirchensteuerreduzierung würden also nur wenige junge Erwachsene in den Kirchen bleiben.
„Rushhour“ des Lebens kommt in den Kirchen nicht vor
Zudem muss die Perspektive umgekehrt werden: Nicht die jungen Erwachsenen verlieren den Kontakt zu den Kirchen, sondern die Kirchen verlieren den Kontakt zu den jungen Erwachsenen. Die Kirchen schaffen es selten, während der Ausbildung oder des Studiums, der Karriereplanung und der Familiengründung mit den jungen Erwachsenen in Verbindung zu bleiben.
Sie zeigen zu wenig Interesse an deren Fragen und Herausforderungen. Die Themen der sogenannten „Rushhour“ des Lebens kommen – bis auf wenige Ausnahmen – in den Kirchen nicht vor. Aber gerade die gilt es in den Blick zu nehmen.
So halten die Kirchen Kontakt
Die Kirchen sollen weiterhin von jungen Erwachsenen Kirchensteuern einziehen. Aber sie müssen ehrliches Interesse an deren Lebensthemen zeigen, ihre Fragen ernst nehmen und Hilfen für deren Herausforderungen anbieten.
So halten die Kirchen Kontakt. Und dann werden manche junge Erwachsene auch mit den Kirchen in Kontakt bleiben – unabhängig von der Kirchensteuer.
Die Positionen der Gastkommentare spiegeln nicht unbedingt die Meinung der Redaktion von „Kirche+Leben“ wider.