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Ein ehemaliger Gemeindereferent aus dem Bistum Eichstätt wurde wegen Vergewaltigung verurteilt. Der Familienvater nahm mit der damals 16-Jährigen erstmals sexuellen Kontakt auf. Mit Volljährigkeit der jungen Frau vergewaltigte er diese. Die Richterin am Landgericht Traunstein lobte das Verhalten der Kirche in diesem Fall als vorbildlich.
Wegen Vergewaltigung einer jungen Frau ist ein ehemaliger Gemeindereferent am Dienstag vom Landgericht Traunstein zu einem Jahr und zehn Monaten Gefängnis verurteilt worden. Die Strafe wurde nach einem Geständnis und einem Täter-Opfer-Ausgleich für drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt. Der Angeklagte hat bereits 10.000 Euro Schmerzensgeld an die Geschädigte gezahlt und zugesagt, keinerlei Kontakt mehr zu ihr aufzunehmen.
Mit seinem Geständnis bewahrte der 37-jährige Familienvater das psychisch kranke Opfer davor, selbst aussagen zu müssen. Im Rahmen einer Verfahrensabsprache ließ die Anklage weitere Vorwürfe fallen, darunter den des sexuellen Missbrauchs einer Schutzbefohlenen.
Richterin spricht von „toxischer Beziehung“
Die Richterin sprach in ihrer Urteilsbegründung von einer „toxischen Beziehung“. Der Angeklagte habe seine Vertrauensposition als Seelsorger sowie die emotionale Abhängigkeit und Unerfahrenheit der jungen Frau jahrelang ausgenutzt. Zugleich würdigte die Richterin das Verhalten der Kirche in diesem „atypischen Fall“ als vorbildlich.
Beide kannten sich aus der Zeit, in der der verheiratete Angeklagte Jugendseelsorger mehrerer katholischer Pfarrgemeinden in Oberbayern war. Ab 2016 kam es dort bereits zu sexuellen Kontakten zu der damals erst 16-Jährigen, die schließlich von ihren Eltern unterbunden wurden.
Vergewaltigung in Hotel
Im November 2018, der Mann war zwischenzeitlich in seine oberpfälzische Heimat zurückgekehrt, lud er die mittlerweile volljährige junge Frau zu einem Treffen in ein Münchner Hotel ein, wo er sie fesselte und vergewaltigte.
Das Bistum Eichstätt hat sich inzwischen von dem Mitarbeiter getrennt. Nach einer Umschulung ist er heute in einem handwerklichen Beruf tätig. In seinem Schlusswort entschuldigte sich der Angeklagte bei der Geschädigten und wünschte ihr eine „rasche und vollständige Genesung“.
Günstige Sozialprognose
Das Gericht bescheinigte dem ehemaligen Seelsorger eine günstige Sozialprognose. Zu den Bewährungsauflagen zählt, dass er jeden Wohnsitzwechsel den Behörden anzeigen und sich bei einer Fachambulanz für Sexualstraftäter vorstellen muss.
Das Erzbistum München und Freising sowie das Bistum Eichstätt erfuhren nach eigener Darstellung im Sommer 2020 von den Vorwürfen. Die Betroffene hatte sich an eine unabhängige Ansprechperson der Kirche für solche Fälle gewandt, wo sie nach Aussage der Richterin „sehr viel Aufmerksamkeit und Sensibilität“ erfuhr. Das Erzbistum zeigte den Mann daraufhin an.
Erneuter Einsatz in Seelsorge fast ausgeschlossen
Nach der Interventionsordnung der Deutschen Bischofskonferenz ist ein erneuter Einsatz des Mannes in der Seelsorge der katholischen Kirche so gut wie ausgeschlossen. Dies könne aber nicht zu 100 Prozent garantiert werden, „da es kein zentrales Register gibt“, erklärte eine Sprecherin des Bistums Eichstätt vor dem Urteilsspruch auf Anfrage. „Aber sollte das Bistum Eichstätt von einem neuen Dienstgeber erfahren, werden wir diesen über die Taten und eventuelle Auflagen unter Beachtung der gesetzlichen Vorschriften informieren.“
Die katholische Kirche in Deutschland verlangt von allen Mitarbeitenden in der Seelsorge ein erweitertes polizeiliches Führungszeugnis. Die Frist bis zur Löschung einer abgeurteilten Vergewaltigung im Bundeszentralregister beträgt 20 Jahre. Ein förmliches Berufsverbot hielt das Gericht in diesem Fall für unverhältnismäßig. Es sei jedoch klar, dass „so jemand nicht in die Seelsorge gehört“, so die Richterin.