Was Friedrich Grüterich gegen das Insektensterben unternimmt

Käfer und Spinnen unterm Kruzifix

Immer weniger bunte Schmetterlinge im Garten – für Friedrich Grüterich aus Vechta war das ein Warnsignal. Insekten brauchen Raum zum Leben, sagte er sich und baute mit Bekannten ein so genanntes Insektenhotel. Aber mit einem besonderen Akzent.

Anzeige

Was raschelt da bloß hinter der Holzklappe? Friedrich Grüterich tritt ganz nah an den ausgesägten Schlitz heran, hinter dem man gelbe Strohhalme erkennt und – einen Schwanz. Der 77-Jährige lächelt. „Sieh mal an, eine Feldmaus!“, sagt er. „Und zwar nicht nur eine, ein ganzes Nest!“

Die gehören hier eigentlich nicht hinein. Schlimm sei das aber nicht. „Vielleicht müssen wir auch dieses Fach noch mit Draht absichern“, meint er. So wie das Fach daneben, an dem sich ziemlich schnell und ungebeten Krähen zu schaffen gemacht hatten. Denn für die Vögel ist das mehr fast drei Meter hohe Objekt nicht für gedacht – sondern für ganz andere Lebewesen: Schmetterlinge, Wildbienen und Käfer zum Beispiel.

 

Lebensraum zwischen Holzplatten, Lehmklumpen und Stroh

 

So genannte Insektenhotels sieht man immer öfter in Parks, an Waldrändern. Manche Hobbygärtner stellen kleinere Versionen auch im eigenen Garten auf. Als künstlich geschaffene Überwinterungsräume sollen sie krabbelndem und surrendem Getier helfen, mit Nischen, Spalten und Löchern zwischen Steinen, in Holzplatten, Lehmklumpen oder geschichtetem Stroh – ein wenig von dem Lebensraum, der durch Besiedlung, Betonierung oder einseitige Landwirtschaft verloren gegangen ist.

Das brachte Friedrich Grüterich aus Vechta vor zwei Jahren auf die Idee, auch in seiner Umgebung so etwas zu errichten, zwischen Brennnesselbüschen an einem Schotterweg am Rande einer Wasserschutzzone, in den nur selten Autos hineinfahren.

 

Der Natur und dem Glauben verbunden

 

Die Artenvielfalt sei bedroht, gerade Insekten hätten es immer schwerer. Das ist das eine Argument für den Rentner, der einen großen Teil seiner Kindheit und Jugend am Dümmer verbracht hat. „Da ist man natürlich mit der Natur besonders verbunden“, sagt er.

Aber auch sein Glaube ist dem langjährigen Kolpingbruder wichtig bei dem Projekt. Große Worte macht er nicht darüber, sondern zeigt auf den Giebel der Anlage, die er gemeinsam mit seinem Nachbar Theo Oldehus in dessen Tischlerwerksatt gezimmert und später mit weiteren Nachbarn an Ort und Stelle aufgestellt hat. Ein Kreuz hängt dort oben und zwei laminierte Din-A-4-Bögen. „Gott hat uns die Natur geschenkt. Es gilt, sie zu erhalten“, steht darauf zu lesen. Grüterich nickt: „Es wird ja nicht besser heutzutage mit der Natur. Deswegen ist der Spruch da.“

 

„Wir kleinen Leute können nichts ändern“

 

Ein Insektenhotel sei ein guter Platz für so ein Bekenntnis, meint er, gerade in der heutigen Zeit. Der Rentner erzählt von der Windschutzscheibe seines Autos. Früher hätten daran im Sommer zahllose tote Fliegen und Käfer geklebt, heute nur noch wenige. Für ihn ein Anzeichen dafür, dass die Zahl der Insekten schrumpft und auch die Artenvielfalt.

Und an Schmetterlingsarten finde man fast nur noch Kohlweißling und Zitronenfalter. „Ich habe in diesem Sommer einen einzigen Kleinen Fuchs gesehen und mein Garten ist 1.500 Quadratmeter groß, mit vielen Blumen. Es ist nix mehr da, es wird alles überdüngt und was weiß der Kuckuck. Wir kleinen Leute können nichts ändern.“ Außer, ein klein wenig helfen und Bewusstsein schaffen wie mit dem Insektenhotel mit Giebelkreuz.

 

Das Kreuz ist „gebraucht“

 

Das besteht fast komplett aus Rest- und Abfallstücken. Grüterich und seine Mitstreiter haben dennoch beim Bau auf Langlebigkeit geachtet. Sämtliche Schrauben sind aus Edelstahl, genauso wie das Dach, das ein Handwerksbetrieb gestiftet hat. Und auch das Kreuz ist „gebraucht“. Es besaß früher einen Standfuß, der aber völlig wurmstichig war. Also hat Grüterich für den Korpus ein neues aus Eiche gebaut.

Das Kreuz am Insektenhotel ist nicht das erste, das er in die Öffentlichkeit bringt. Auch vor seinem Einfamilienhaus hat er eines aufgestellt. Es stammt von einem Mann, den der Krieg als Vertriebenen aus dem heutigen Tschechien ins Oldenburgische geführt hatte. Er hatte es als Andenken aus seiner Heimat mitgebracht. Friedrich Grüterich hatte ihm kurz vor seinem Tod versprochen, es aufzustellen und in Ehren zu halten.

 

Menschen verusachten bisher größten Schaden

 

Für Abhilfe gegen Krähen ist am Insektenhotel gesorgt. Als nächstes will Grüterich etwas gegen den Mäusebefall unternehmen. Aber wie in der Natur bei den Insekten – für den größten Schaden an der Anlage waren bisher Menschen verantwortlich.

Schon zwei Mal haben Unbekannte die Holzscheite gestohlen, die am Fuß des Insektenhotels so aufgeschichtet sind, dass dort zum Beispiel Igel Unterschlupf finden können. Gegen Mäuse und Krähen hilft Zaundraht. Menschliche Diebe abschrecken soll jetzt eine Wildfalle.

Anzeige