500 Karnevalisten bei Wallfahrt dabei

Karneval in Kevelaer: Närrisches Treiben noch vor Sessionsstart

  • 500 Karnevalisten sind am Wochenende zu ihrer traditionellen Wallfahrt nach Kevelaer gekommen.
  • Die Wallfahrtssaison ist bereits beendet, die Karnevals-Session noch nicht eröffnet – trotzdem findet der Termin vor dem 11. November statt.
  • Die Schnittmenge zwischen frommer Wallfahrt und närrischem Treiben ist gar nicht so klein, sagen die Initiatoren.

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Außerhalb der Wallfahrtssaison gibt es nur drei Anlässe, an denen die Holzplatte vor der „Consolatrix afflictorum“ in der Wallfahrtskapelle in Kevelaer entfernt wird: Weihnachten, Ostern und zur Wallfahrt der Karnevalisten. Zwischen Oktober und Mai ist das Bildnis der „Trösterin der Betrübten“ sonst nicht zu sehen. Diese Einordnung adelt die Jecken. Die sehen den Start ihrer „fünften Jahreszeit“ am 11. November aber ohnehin nicht so weit weg vom tiefen Glauben, der dort seinen Platz hat. „Im Karneval spiegelt sich das ganze Leben wider“, sagt Elke Schumacher. „Also auch die Bitten und Gebete der Gläubigen, die hierherkommen.“

Die Vizepräsidentin vom Karnevalsverein Blau-Gold Kevelaer ist für die Organisation der Wallfahrt mit zuständig. Dazu waren am vergangenen Wochenende wieder Karnevalisten aus ganz Nordrhein-Westfalen zusammengekommen. „500 waren es“, sagt Schumacher. „Viele erst kurzfristig oder gar nicht angemeldet.“ Immerhin ging die Teilnehmerzahl nach der Corona-Pandemie wieder deutlich nach oben. Von Spitzenwerten davor mit bis zu 800 Wallfahrern sind sie aber immer noch ein gutes Stück entfernt.

„Die Hände zum Himmel“ zum Auszug

Sie kamen aber endlich wieder aus den umliegenden Ortschaften, aus dem Westerwald, aus Köln, auch aus den Niederlanden. Mit ihren Ornaten und Standarten war das Bild viel bunter als bei anderen Wallfahrten. Und auch mit ihren Liedern zeigten sie, dass da eine ganz besondere Truppe ihren Weg in die Basilika gefunden hatte: Neben klassischen Gotteslobliedern klang das zwischendurch durchaus karnevalistisch. „Patrona von Kevelaer“ war die bayerische Vorlage „Patrona Bavaria“ umgedichtet worden. Und zum Auszug reckten sie begleitet vom Spielmannszug der „Swingenden Doppelzentner“ die „Hände zum Himmel“.

Eigentlich geschieht das alles in einer Zwischenzeit: Die Wallfahrtszeit ist beendet, die Session hat noch nicht begonnen. Aber der Termin am letzten Sonntag vor dem 11. November ist gesetzt. Was auch schon mal zu Schwierigkeit führte, weiß Schumacher. „Die Kölner mussten sich vom dortigen Komitee erst eine offizielle Erlaubnis holen, um anreisen zu dürfen.“

Aus persönlichem Engagement wächst Tradition

Eine Erlaubnis für den Zeitpunkt außerhalb der Saison mussten sie sich Karnevalisten in Kevelaer von der Wallfahrtsleitung nie holen. Dafür ist den Verantwortlichen die Initiative viel zu wichtig. „Wir haben das von Anfang an unterstützt“, erinnert sich der Generalsekretär der Wallfahrt, Rainer Killich, an die Anfänge im Jahr 2001. „Und wir sind bis heute mit großer Freude gemeinsam weitergegangen.“

Die Initiative kam damals natürlich vom Blau-Gold Kevelaer. „Nur so können langfristige Traditionen entstehen“, sagt Killich. „Es braucht Menschen, die von ihrer Gesinnung aus die Sache ins Rollen bringen.“ Daraus entstand eine Wallfahrt, die aus Netzwerken zusammenwuchs. Die das Leben der Menschen in den verschiedenen Facetten mit dem Glauben verbindet. Die sich aus persönlichem Engagement trägt. „Wenn die Wallfahrtsleitung das initiiert hätte, wäre keiner gekommen.“

Karneval und Wallfahrt – das passt

Blau-Gold Kevelaer hinter dem Goldeinfassung des Gnadenbilds: Elke Schumacher und Markus Stassen in der Wallfahrtskapelle. | Foto: Michael Bönte
Blau-Gold Kevelaer hinter der Goldeinfassung des Gnadenbilds: Elke Schumacher und Markus Stassen in der Wallfahrtskapelle. | Foto: Michael Bönte

Und so konnte etwas zusammenwachsen, was auf den ersten Blick eigentlich nicht zusammenpasste. „Und es passt doch“, widerspricht Markus Stassen. „Karneval ist doch nie nur Spaß und Tralala, nicht nur Helau und Bier.“ Der Vorsitzende vom Blau-Gold Kevelaer weiß, dass die Karnevalisten nicht aus einem „luftleeren Raum“ zusammenkommen. „Sie kommen aus einem ganz normalen Alltag mit ihren Sorgen und Herausforderungen.“ Das hat auch Platz im Karneval, gerade an einem solchen Ort wie dem Kapellenplatz, betont er. „Es gibt bei der Wallfahrt auch immer die ruhigen Ecken, in denen sich Teilnehmer zum persönlichen Gebet zurückziehen.“

Auf der anderen Seite ist Wallfahrt nie nur „schwarz-weiß“, sagt Killich. „Hier ist das ganze Jahr über buntes Treiben – auch andere Gruppen bringen Musik und Lebensfreude mit.“ Je mehr Farben auf den Kapellenplatz kommen, desto besser, empfindet der Wallfahrtsleiter. Um die Karnevalisten macht er sich da keine Sorgen. „Die bringen sie von Natur aus mit.“

Es darf gelacht und geweint werden

Die Schnittmenge ist also groß. „Kirche feiert das Leben und die Karnevalisten tun das auch“, bringt Schumacher das in eine Formel. „Auf anderen Wallfahrten darf gelacht werden – wir dürfen bei unserer Wallfahrt auch mal weinen.“ Auf Kritik von außen ist das auch deshalb nie gestoßen. „In Westfalen wäre das vielleicht ein Thema, aber wir sind hier am Niederrhein – da stellt das keiner infrage.“

Auch ihren Vater konnte Schumacher letztlich davon überzeugen. „Er war sehr fromm und konnte mit der Idee der Karnevalisten in der Basilika zunächst nicht viel anfangen.“ Erst als sie ihn in die Wallfahrtsmesse einlud, als er die Menschen dort lachen und singen hörte, aber auch die Tränen der Rührung sah, konnte er sich dafür begeistern.

Gold, Silber und bunte Fahnen

Der Stolz ist herauszuhören, wenn die Initiatoren vom Blau-Gold Kevelaer über die Entwicklung ihrer Wallfahrt in den vergangenen Jahren berichten. Allein der Abbau der Holzplatte vor dem Gnadenbild ist für sie ein Zeichen, welchen Stellenwert dieser Tag mittlerweile gewonnen hat. „In den ersten Jahren standen wir nach dem Auszug aus der Basilika noch vor dem Brett“, sagt Schumacher. Heute strahlt beim anschließenden Mariengebet das Gold und Silber um das Bildnis der „Consolatrix afflictorum“ gemeinsam mit den bunten Uniformen und Fahnen der Karnevalsgesellschaften.

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