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Wie Katholiken ein Zeichen gegen rechts setzen - seit 90 Jahren

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Im Kreis Wesel engagieren sich Christen seit Jahrzehnten gegen Rechtsextremismus. Was es damit auf sich hat, erklärt Diakon Martin Berendes.

Herr Berendes, was hat es mit dem „Bußgang der Männer“ nach Eppinghoven in Dinslaken auf sich?

Zu Beginn des Nationalsozialismus 1934 haben sich Männer am Vorabend des fünften Fastensonntages, dem sogenannten Passionssonntag, wie auch Hunderttausende in ganz Deutschland sternförmig auf den Weg gemacht, um in einer Kirche ihres Dekanates, bei uns in der Kirche St. Johannes Baptist in Dinslaken-Eppinghoven, Gottesdienst zu feiern und Gott um seinen Beistand in dieser damals schwierigen Zeit zu bitten. Es kamen so viele, dass sogar zeitweise zwei Gottesdienste gefeiert werden mussten.

Wie politisch war dieser Bußgang?

Es war auch ein Zeichen des stillen Protestes, denn die Nazis hatten schon nach ihrer Machtergreifung 1933 begonnen, mit dem Verbot christlicher Vereine und Verbände die Christen zum Schweigen zu bringen. Seit dieser Zeit findet der Bußgang bis heute in jedem Jahr statt. Immer wieder wurde an die menschenverachtende und hasserfüllte Ideologie des Nationalsozialismus und den stillen Protest der Zeitzeugen erinnert. Natürlich hat sich der Bußgang in den vergangenen Jahrzehnten verändert. Neben dem Ursprung wurden auch immer wieder weitere Themen unterwegs und im Gottesdienst mit in den Blick und ins Gebet genommen. Die Zahl der Teilnehmenden hat – wie in der ganzen Kirche – abgenommen. Erfreulicherweise beteiligen sich seit Jahren auch Frauen und nehmen den Weg auf sich, um ein Zeichen des Glaubens zu setzen.

Warum ist ein solches „Zeichen gegen rechts“ heute wichtig?

Die letzten Jahre haben für uns erschreckend gezeigt, dass Rechtsradikalismus – vertreten durch die AfD – wieder seinen Platz in der Gesellschaft gefunden hat. In Voerde hat fast ein Viertel aller Wahlberechtigten bei der Bundestagswahl vor wenigen Wochen die AfD gewählt! Und mehr als 25 Prozent in manchen Wahlbezirken! Nun haben hoffentlich nicht alle AfD-Wähler eine rechtsradikale Gesinnung. Jedoch müssen gerade wir als Kirche unsere Stimme erheben. Gerade jetzt und heute.

Aus welchem Bewusstsein heraus verstehen Sie ihre Einladung?

Vor 80 Jahren wurden Widerstandskämpfer wie der Selige Nikolaus Groß und Dietrich Bonhoeffer zum Tod verurteilt und hingerichtet. Sie haben sich wie viele andere gegen Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Hass gestellt – und teuer mit ihrem Leben bezahlt. Die Bewahrung der Schöpfung, Förderung der Demokratie und Stärkung der Gesellschaft, kirchliches Engagement, Gerechtigkeit, gutes soziales Miteinander und Menschenwürde sind unabdingbare Voraussetzungen für ein gutes Zusammenleben in unserem Land. Wir – Michael Prinz, der Diözesanpräses der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung (KAB) und Priester im hiesigen Pastoralen Raum Dinslaken-Hünxe-Voerde-Walsum ist – und ich haben uns entschieden, den Bußgang in diesem Jahr Friedensgang nach Eppinghoven zu nennen. Wir suchen Frieden, nicht Spaltung. „Nie wieder“ ist jetzt, ist heute. Wir müssen erinnern, mahnen, reden und auch dafür beten, dass solches Leid, wie im Nationalsozialismus geschehen, nie wieder Menschen angetan wird.

Wie gestalten Sie den diesjährigen Gang am 5. April 2025 und den Gottesdienst?

Wie auch in den vergangenen mehr als 90 Jahren sind die Teilnehmenden aus unserem Dekanat – dem jetzigen Pastoralen Raum Dinslaken-Hünxe-Voerde-Walsum – eingeladen, sich in ihren Gemeinden zu treffen, um sich dann gemeinsam zu Fuß oder per Fahrrad auf den Weg zu machen. Wir haben Texte vorbereitet, die unterwegs die Möglichkeit der Besinnung und des Gebets, aber auch des Gesprächs bieten. Während des Gottesdienstes, der um 22 Uhr beginnen soll, werden wir uns auch mit dem Abschiedsbrief von Nikolaus Groß beschäftigen, der eine Frau und sieben Kinder hinterlassen hat und der diesen Brief wenige Tage vor seiner Hinrichtung am 23. Januar 1945 in Berlin-Plötzensee geschrieben hat. Ein beeindruckendes und stärkendes Glaubenszeugnis.

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