Antonius Hamers im Interview mit „Kirche+Leben“

Katholische Kirche lobt und kritisiert Koalitionsvertrag in NRW

Lob und Kritik für den Koalitionsvertrag in NRW äußert der Vertreter der katholischen Kirche in Düsseldorf. Positiv seien die Vereinbarungen zur Familienpolitik. Studiengebühren für Nicht-EU-Ausländer lehnt die Kirche ab.

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Antonius Hamers, Priester des Bistums Münster, leitet das Katholische Büro Nordrhein-Westfalen. Es vertritt die fünf NRW-Bistümer bei Landtag und Landesregierung in Düsseldorf. Im Interview mit „Kirche+Leben“ bewertet Hamers den Koalitionsvertrag der neuen CDU-FDP-Regierung.

„Kirche+Leben“: Herr Hamers, welche positiven Aspekte finden Sie im Koalitionsvertrag?

Antonius Hamers: Da fallen mir drei ein. Erstens, dass die Familienpolitik gleich am Anfang steht. Sie war und ist der katholischen Kirche ein besonderes Anliegen. Zum Beispiel steht im Koalitionsvertrag, dass es bei der Finanzierung der Kindertagesstätten „dringenden Handlungsbedarf“ gibt. Das sehen wir auch so, waren auch schon mit der Vorgängerregierung in guten Gesprächen. Wir finden, die Landesregierung sollte die Familienpolitik als Querschnittsaufgabe bei allen Vorhaben mitbedenken. Zweitens freut mich, dass die Vereinbarung die Vielfalt der Einrichtungsträger wertschätzt. Das steht sowohl bei den Kitas als auch bei den Schulen. Drittens wird die Rolle der Kirchen für den gesellschaftlichen Zusammenhalt positiv gewürdigt. Das ist ermutigend mit Blick darauf, was die Kirchen alles leisten, etwa in Krankenhäusern, beim Denkmalschutz oder bei der Integration von Flüchtlingen – gerade durch den beeindruckenden Einsatz unserer Ehrenamtlichen.

Was gefällt Ihnen weniger?

Vor allem zwei Punkte. Das Vorhaben, Studiengebühren für Nicht-EU-Ausländer einzuführen, lehnen wir ab. Aus unseren Hochschulgemeinden wissen wir, dass die finanziellen Möglichkeiten ausländischer Studierender oft sehr begrenzt sind. Mit Gebühr werden sich viele von ihnen ein Studium in NRW nicht mehr leisten können. Das ist auch deswegen kontraproduktiv, weil so ein Studium Fluchtursachen bekämpft. Studierende kehren als gut ausgebildete Ärzte, Ingenieure oder Juristen in ihre Heimatländer zurück. Auch, um dort Strukturen zu verbessern.

Und zweitens?

Wir sehen den Plan kritisch, die Zahl verkaufsoffener Sonntage von vier auf acht zu erhöhen. Es ist klar, dass es einen Ausgleich mit den Interessen des Handels geben muss. Vier Sonntage waren unserer Ansicht nach ein guter Kompromiss, zumal der Sonntagsschutz Verfassungsrang hat – sowohl im Grundgesetz als auch in der Landesverfassung. Auch das Bundesverwaltungsgericht hat sich kürzlich in einem Urteil auf vier verkaufsoffene Sonntage bezogen. Ich bin gespannt, ob sich eine Ausweitung politisch und juristisch durchsetzen lässt.

Antonius Hamers.Antonius Hamers. | Foto: Michael Bönte

Die neue Landesregierung will die Inklusion auf „Schwerpunktschulen“ konzentrieren und weniger Förderschulen schließen als von SPD und Grünen geplant. Wie bewerten Sie das?

Es steht außer Frage, dass Inklusion auch an Regelschulen ein wichtiges Anliegen ist. Sie muss aber mit Augenmaß betrieben werden. Wir begrüßen, dass es weiterhin ein Netz von Förderschulen geben soll, damit Eltern eine Wahlmöglichkeit haben. Wichtig ist, was das Beste für das Kind ist: Kann es eine Regelschule besuchen – oder ist es an einer Förderschule besser aufgeboben?

Flächendeckend ausgebaut werden soll der islamische Religionsunterricht.

Das begrüßt die Kirche. Es muss aber gewährleistet sein, dass die Religionslehrer qualifiziert ausgebildet sind, und zwar an Studieneinrichtungen in Deutschland. Das sind Maßstäbe, die die Kirchen im Übrigen auch an den christlichen Religionsunterricht anlegen.

Es gibt Stimmen aus der Koalition, in NRW nicht weiter mit dem Moscheeverband Ditib zusammenzuarbeiten. Er sei von der Regierung eines anderen Staats – der Türkei – beeinflusst. Kann sich die Politik einfach aussuchen, mit welchen islamischen Vertretern sie spricht?

Man wird auswählen müssen, mit welchen Verbänden und Moscheegemeinden man regelmäßig spricht. Das Problem ist, dass es auf muslimischer Seite keine klare Mitgliederstruktur gibt. Die Ditib nimmt für sich in Anspruch, für alle türkischstämmigen Muslime zu sprechen. Vermutlich wird nicht jeder Muslim diese Sicht teilen. Wir müssen aber auch zur Kenntnis nehmen, dass die Ditib einen erheblichen Teil der Moscheegemeinden im Land vertritt. Deshalb halte ich es für falsch, pauschal zu sagen: „Wir wollen nicht mit der Ditib reden.“ Ich denke, man muss ihr deutlich machen, welche Anforderungen unserer Religionsrecht an sie stellt – und dann prüfen, inwieweit sie diese auch erfüllt.

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