Jens Joest über moralische Aspekte der Energiedebatte

Kein Platz für Egoismus in der Gas-Krise!

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Auch wenn das erste Ziel von Politik und Gesellschaft sein sollte, dass niemand im kommenden Winter frieren muss: Die Gas-Krise zeigt einen Egoismus auf, den die Deutschen sich nicht länger leisten können, meint unser Redakteur Jens Joest.

Trotz knapper und sehr teurer Ener­­gie: Kein Mensch soll in diesem Winter frieren – das muss das erste Ziel der Politik sein. Sie sollte gezielt jenen helfen, die die Preise ansonsten nicht zahlen können – und nicht Besserverdienende gleich mit entlasten.

Doch damit nicht genug: Die Energiekrise zeigt, wie egoistisch Deutschland seit Jahren denkt und handelt. Zur Erinnerung: Gas ist knapp, weil wir – zu Recht – Russlands Kriegsmaschine nicht länger über Energie-Importe schmieren wollen. Damit „riskieren“ die Deutschen zwar Geld – die Ukrainer aber riskieren ihr Leben. Sie riskieren es sogar für ihre Nachbarländer. Denn nur ein nicht gewonnener Krieg dürfte Wladimir Putin auf Dauer von imperialen Ideen abbringen.

Egoismus bei Atomkraft und Gasförderung

Beispiele für deutschen Egoismus gibt es einige – etwa die Kernkraft: Während Deutschland mit großer Geste aus der Atom­­energie ausstieg, hat es sich im Stillen darauf verlassen, Atomstrom aus Frankreich zuzukaufen, falls es mal eng wird.

Beispiel Gas: Vor der Insel Borkum könnte gefördert werden, was umstritten ist. Aber ist es fairer, Erdgas aus den Niederlanden zu importieren, wo über einem Gasfeld im Raum Groningen schon Häuser absacken?

Egoismus bei Windrädern und Stromtrassen

Beispiel Bayern: Das Land versorgt sich aus Gaskavernen in Österreich – und erschrickt ernsthaft, dass das Nachbarland die Energie nun selber braucht?

Beispiel Erneuerbare Energien: Solange billiges Gas floss, hat niemand darüber nachgedacht, wie man Wind- und Sonnenenergie speichert, wenn mal Flaute oder Nacht ist. Ebenso kurzsichtig ist es, sich gegen neue Stromtrassen und Windräder in der ach so unberührten heimischen Idylle zu wehren. Als ob Rotoren im auch bei Touristen beliebten Müns­­terland oder an der Küste weniger auffielen als im Süden.

Egoismus bei Fracking und Flüssiggas

Beispiel Gas: Fracking hat seine Risiken. Aber ist es in Ordnung, Gas aus Fracking-Förderung in Nordamerika als LNG-Flüssiggas über den Atlantik zu schippern, Fracking-Versuche in Niedersachsen aber auszuschließen?

In der größten Wirtschaftskrise seit 1945 gibt es keine Lösungen, die nicht auch uns weh tun. Die deutsche Gesellschaft muss selbst Opfer bringen. Die Zeit des moralischen Egoismus auf Kosten anderer sollte vorbei sein.

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