"Europa-Etappe" des weltweiten synodalen Prozesses der katholischen Kirche

Keine Debatte, keine Abstimmung: So arbeitet die Europa-Synode in Prag

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Wenn katholische Kirchendelegierte aus 40 Ländern Europas debattieren, prallen Kulturen aufeinander. Vom Ja zu LGBTQ-Liebesbeziehungen bis zum Nein zu Verhütungsmitteln ist alles vertreten. Kann es da einen Konsens geben?

Erstmals in der langen Geschichte der katholischen Kirche in Europa tagt derzeit in Prag eine Versammlung der Ortskirchen aus allen Ländern des Kontinents. Diese Etappe ist Teil eines bis 2024 dauernden weltweiten Beratungsprozesses, den Papst Franziskus angeordnet hat, um die Kirche zu erneuern.

Auch in anderen Kontinenten finden solche Versammlungen statt, doch nirgends prallen kirchenpolitische und theologische Strömungen so aufeinander wie in Europa. Von Verteidigern der katholischen Identität, die sich von postmoderner Beliebigkeit scharf abgrenzen, bis hin zu Befürwortern einer alle Lebens-, Liebes- und Glaubensvarianten einschließenden offenen Kirche ist viel vertreten.

Die Deutschen kennen Synode anders

Das Synodensekretariat im Vatikan hat den Prozess unter das Bibelzitat gestellt "Mach den Raum deines Zeltes weit". Und es hat Vorgaben zum Ablauf gemacht, damit die Beratungen trotz unvereinbarer Positionen nicht Sieger und Besiegte hervorbringen. Diese Art von Synode nennt der Sekretär der Weltsynode, Kardinal Mario Grech, die "katholische Art, das synodale Prinzip zu verwirklichen". Sie unterscheidet sich deutlich von dem, was man im deutschsprachigen Raum als Synode oder Kirchenparlament kennt.

Dort sind Synodalversammlungen ein eingeübtes Verfahren. Die evangelischen Landeskirchen machten es vor, die katholische Kirche hat es kopiert. Man debattiert über Texte, von denen manche am Ende zu kirchenrechtlichen Vorschriften werden.

Gleich lange Statements

Das sichtbarste Werkzeug solcher Synoden ist das Abstimmungs-Gerät. Durch das Drücken von Knöpfen können die Synodalen Zustimmung, Ablehnung oder Enthaltung ausdrücken. In der katholischen Prager Variante fehlt die Abstimmungs-Maschine. Stattdessen haben die Delegierten ein Gerät, mit dem sie den Sprachkanal für die Simultanübersetzung wählen.

Damit die Delegierten aus allen Ländern, auch den kleineren, gleichberechtigt zu Wort kommen, durfte in Prag jede der 39 Delegationen ein gleich langes Statement vortragen. So entstand ein mosaikartiges Bild von Hoffnungen und Sorgen, die das "Volk Gottes" und seine Kleriker derzeit umtreiben.

Große inhaltliche Unterschiede

Fast alle sorgen sich darum, das ihnen die Jugend davonläuft. Die meisten wünschen sich unter dem Eindruck des Missbrauchsskandals eine Rückbesinnung auf den Kern der Botschaft Jesu. Man will Umkehr, Erneuerung, neue Glaubwürdigkeit.

Auf der praktischen Ebene gehen die Meinungen aber weit auseinander. Die einen wollen den Klerikalismus bekämpfen, den sie als Hauptursache des Missbrauchs sehen. Andere wollen den Klerus verteidigen, weil er den Markenkern der katholischen Struktur ausmache. Manche wollen eine Kirche, die niemanden ausgrenzt, egal wen er oder sie liebt. Andere wollen an der Morallehre festhalten und nichts gutheißen, was laut Bibel Sünde ist.

Unklares Verfahren

Die Länder-Statements wurden angehört, immer wieder unterbrochen von Pausen des Gebets. Debatten oder Abstimmungen gab es nicht. Die Statements wurden bei einem Redaktionsteam eingereicht, das einen Text daraus formulieren sollte, der allen gerecht wird. Und dann saßen die Delegierten stundenlang in Stuhlkreisen nach Sprachgruppen zusammen und debattierten über "Eindrücke", "Spannungen", "Fragen". Was in diesen "geistlichen Gesprächen" zur Sprache kam, wurde ebenfalls im Plenum vorgetragen.

Und dann gab es noch eine Reihe von "freien Beiträgen", wieder ohne Debatten oder Abstimmungen. Es blieb unklar, nach welchen Kriterien und Verfahren aus all dem ein Abschlusspapier zustande kommen soll, auf dessen Grundlage die Bischöfe am Freitag und Samstag weiter beraten und gegebenenfalls ein weiteres Papier beschließen wollen.

Keine Kritik an der Methode

Nach den Maßstäben eines deutschen Kirchenparlaments wirkt dieses Verfahren vage, doch unter den Teilnehmern äußerte niemand Kritik. Im Gegenteil. Alexandre Joly, Bischof von Troyes, fasst es so zusammen: "Man merkt von Sitzung zu Sitzung mehr, dass man zusammen unterwegs ist. Man weiß nicht genau, wo es hinführt und was dabei herauskommt, aber das gemeinsame Unterwegssein ist eine wichtige Erfahrung."

Beate Gilles, als Generalsekretärin der Deutschen Bischofskonferenz und beim Synodalen Weg mit einer ganz anderen Abstimmungskultur vertraut ist, zeigte sich zufrieden mit dem Verfahren, das auch ihren Blick geweitet habe - und sie lobte die vielen Zeiten der Stille und des gemeinsamen Betens.

Noch ist ungewiss, ob die Methode des "Nebeneinanderlegens der unterschiedlichen Lesarten", so Gilles, ausreicht, um die spürbaren Spannungen und den Drang nach Veränderung zu moderieren. Dieser kommt vor allem von denen, die sich durch die Morallehre und Geschlechterordnung der Kirche diskriminiert und abgelehnt fühlen. Diese Frage wurde in Prag immer wieder gestreift. Entschieden wird frühestens im Oktober in Rom.

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