Karl-Hermann Kemper zum Umgang mit der Kirchenkrise

Kirche muss wieder Elan und Zuversicht ausstrahlen

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Die Institution Kirche wird kleiner, der Gürtel muss enger geschnallt werden. Doch anstatt um sich selbst zu kreisen, sollte die Kirche lieber wieder Elan versprühen, kommentiert Propst Karl-Hermann Kemper.

Den Gürtel enger zu schnallen, von gewohnten Standards Abschied zu nehmen, sich nicht mehr alle Wünsche leisten zu können, ist für niemanden leicht. Im Gegenteil, die Realität zwingt zu einem veränderten Verhalten – und man beginnt nach links und rechts zu schielen: Womöglich ist man selber stärker benachteiligt, während Andere sich fein rausmachen. Rät die Vernunft nun nicht, zu sichern und rauszuholen, was rauszuholen ist, bevor nichts mehr geht?

Eigentlich will ich gar nicht unsere gesellschaftliche Situation beschreiben, sondern vielmehr das, was ich nicht selten bei Pfarreien beobachten kann, seitdem Spar- und Strategieprozesse allmählich auch umgesetzt werden. Kirchenhaushalte sind endlich und viel schmerzlicher: Die Zahl der Seelsorgenden geht massiv zurück. Aber auch die der ehrenamtlich Mitarbeitenden. Wie in weiten Teilen des gesellschaftlichen Lebens.

Ist weniger nicht mehr?

Der Autor
Karl-Hermann Kemper ist Propst in der Propsteigemeinde St. Peter in Recklinghausen. Zudem ist er Kreisdechant für das Kreisdekanat Recklinghausen.

Wir sind wirklich nicht die Marktführer, wenn es um beste Lösungen geht. Das muss aber auch nicht unser Kennzeichen sein. Schließlich wird wohl erst nach Jahrzehnten beurteilt werden können, was die beste Antwort auf die Herausforderungen unserer Zeit war oder gewesen wäre. Aber schon jetzt kann man erkennen, wie jemand damit umgeht.

Waren Christinnen und Christen nicht einmal vertraut mit dem Fasten? Oder anders gesagt: Gläubigen gelang es doch mal, den Gürtel enger zu schnallen und trotzdem glücklich zu sein, ja sogar wesentlicher zu werden. Waren wir nicht mal ganz berührt von dem Gedanken, dass weniger mehr sei?

Kirche braucht wieder Elan

Wie auch immer die kommenden Monate werden mögen – jetzt bräuchte es eine Kirche, die erfahren darin wäre, mit weniger auszukommen, ohne in die allgemeinen Mechanismen von Trostlosigkeit und Missmut zu verfallen. Die einen Elan in der Krise zeigt und Zuversicht ausstrahlt und untereinander solidarisch gehandelt und geteilt hat. Die im großen Fasten den Blick auf Ostern einfach nicht verliert. Und die weiß, dass Ostern so gesehen nicht „wieder mehr“, sondern „einfach besser“ bedeutet.

Die Stimmen werden lauter, die außerhalb der Kirche nach der Kirche rufen. Oder besser nach den Christinnen und Christen. Denn die beschäftigen sich für Außenstehende verstörend zu sehr mit sich selbst. Positiv gewendet bedeutet das doch: die Gesellschaft braucht uns und wartet, weil wir eigentlich etwas zu geben hätten.

In unseren Gast-Kommentaren schildern die Autor:innen ihre persönliche Meinung zu einem selbst gewählten Thema. Sie sind Teil der Kultur von Meinungsvielfalt in unserem Medium und ein Beitrag zu einer Kirche, deren Anliegen es ist, die Zeichen der Zeit zu erkennen.

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