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Katholische und evangelische Kirche in Niedersachsen wollen einen "gemeinsam verantworteten christlichen Religionsunterricht" im Land einführen. Ein entsprechendes Positionspapier stellten Vertreter der Bistümer, darunter Münster, und Landeskirchen vor.
Es handele sich um ein bundesweit einmaliges Konzept, das über die bisherige Kooperation der Kirchen beim Religionsunterricht hinausgehe. Es sei etwa die Entwicklung eines gemeinsamen Lehrplans angedacht. Auf Grundlage des Papiers wolle man in einjährige Beratungen mit den Landesbehörden, mit Lehrern, Schülern, Eltern und weiteren Fachleuten einsteigen.
Trennung nach Konfessionen „immer weniger plausibel“
Bisher gebe es in Niedersachsen die Möglichkeit, dass katholische Schülerinnen und Schüler am evangelischen Unterricht teilnehmen und umgekehrt, wenn sich aus organisatorischen Gründen kein Unterricht in getrennten Gruppen einrichten lasse, sagte der Leiter der Hauptabteilung Bildung im Bischöflichen Generalvikariat Hildesheim, Jörg-Dieter Wächter. Diese konfessionelle Kooperation finde in immer höherem Maße statt.
Zugleich sei es immer weniger plausibel, Kinder nach Konfessionen zu trennen. Daher habe man auf Basis "der exzellenten ökumenischen Erfahrungen" ein neues Modell des Religionsunterrichts für das Bundesland erarbeitet.
Womöglich ab dem Schuljahr 2023/24
Laut Wächter sind in Niedersachsen gegenwärtig 46 Prozent der Schüler evangelisch und 16 Prozent katholisch. Demgegenüber nähmen rund 75 Prozent der Schüler an einem christlichen Religionsunterricht teil.
Der neue Unterricht soll nach einer Übergangszeit an die Stelle der Fächer Evangelische und Katholische Religion treten, sagte Kerstin Gäfgen-Track von der Konföderation Evangelischer Kirchen in Niedersachsen. Es könnte nach Abschluss der Beratungen erstmals zum Schuljahr 2023/24 angeboten werden. Dabei solle der Rechtsanspruch auf einen eigenen Religionsunterricht der Konfessionen nicht aufgegeben werden.
„Auch konfessionelle Unterschiede benennen“
Der Unterricht bleibe bekenntnisorientiert nach Artikel 7 des Grundgesetzes, so Gäfgen-Track. Er werde weiterhin entweder von einer katholischen oder evangelischen Lehrkraft erteilt.
Es handele sich um ein benotetes Pflichtfach, das wie der bisherige konfessionelle Unterricht auch abiturfähig sei. „Der christliche Religionsunterricht wird gemeinsame Inhalte haben“, erläuterte die evangelische Expertin. „Er wird aber auch die Unterschiede, die es zwischen evangelisch und katholisch weiterhin gibt, klar benennen.“
Auch Offizialat Vechta im Bistum Münster beteiligt
An der nach Konfessionen getrennten Religionslehrer-Ausbildung wolle man festhalten, auch, um die Einstellung von Pädagogen aus anderen Bundesländern möglich zu halten. Allerdings solle eine von beiden Kirchen gemeinsam besetzte Stelle entstehen, die für die Akkreditierung der Studiengänge zuständig und Ansprechpartner für den gemeinsam konzipierten Unterricht sei.
Anregungen, Kritikpunkte und Fragen aus dem Beratungsprozess sollen in ein Symposion im Mai 2022 einfließen. Das Konzept wurde von den fünf evangelischen Kirchen in Niedersachsen, den katholischen Bistümern Hildesheim und Osnabrück und dem Bischöflich Münsterschen Offizialat Vechta erarbeitet.
Bischofskonferenz berät mit
Die katholische Deutsche Bischofskonferenz erklärte, sie werde sich mit ihrer Schulkommission an den Beratungen in Niedersachsen beteiligen. „Eine abschließende Bewertung der Entwicklung des Religionsunterrichts in Niedersachsen ist erst am Ende dieses Prozesses möglich“, sagte ihr Sprecher Matthias Kopp.
In Niedersachsen hatten katholische und evangelische Kirche 1998 bundesweit erstmals eine Vereinbarung getroffen, die gemischt-konfessionellen "kooperativen" Religionsunterricht in Ausnahmefällen möglich macht. Ähnliche Formen der Zusammenarbeit gibt es mittlerweile auch in anderen Bundesländern wie Nordrhein-Westfalen. Im Regelfall wird jedoch bis heute entweder evangelischer oder katholischer Unterricht erteilt.