BAMF und Kreis Coesfeld weisen Kritik zurück

Kirchenasyl: Issa A. wird nicht nach Ungarn abgeschoben

Der ghanaische Asylbewerber Issa A., der bis Dienstag (23.08.2016) in Münster im Kirchenasyl lebte, muss keine Abschiebung nach Ungarn mehr fürchten.

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Der ghanaische Asylbewerber Issa A., der bis Dienstag (23.08.2016) in Münster im Kirchenasyl lebte, muss keine Abschiebung nach Ungarn mehr fürchten. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) teilte am Freitag (26.08.2016) mit, es werde „über den Asylantrag nun im nationalen Verfahren entscheiden“ – also in Deutschland. Bisher war Ungarn zuständig, weil es der erste EU-Staat war, in dem der Ghanaer auf seiner Flucht registriert wurde.

Um eine Abschiebung nach Ungarn zu verhindern, war Issa A. im Kirchenasyl aufgenommen worden. Seine Unterstützer sahen in Ungarn eine angemessene Behandlung des herzkranken Ghanaers nicht gewährleistet.

Kirchenasyl am Dienstag geräumt

Am Dienstag hatte das Ausländeramt des Kreises Coesfeld auf Anordnung des BAMF Issa A. im Kapuzinerkloster in Münster festnehmen lassen. Grund war, dass dem Bundesamt noch keine Informationen vorlagen, warum A. ein Härtefall sei und die Abschiebung daher nicht erfolgen sollte. Das geht aus einer gemeinsamen Erklärung der Behörden vom Freitag hervor. Auch kirchensite.de hatte mehrfach entsprechend berichtet. Bischof Felix Genn und andere hatten sich schockiert über die Festnahme gezeigt.

Am Dienstagabend hatte das Verwaltungsgericht Münster einem Eilantrag stattgegeben, die Abschiebung vorerst auszusetzen. Das BAMF betont, der Ghanaer sei daraufhin „unverzüglich aus der Abschiebehaft entlassen“ worden.

Behörden: Wir handelten gemäß geltendem Recht

Bis zum Ende seines Asylverfahrens bleibt Issa A. nun in Nordkirchen im Kreis Coesfeld. Erhält A. kein Asyl, muss er nach Ghana zurückkehren. In Nordkirchen wurde ihm nach Angaben seiner Unterstützer bereits vor seiner Zeit im Kirchenasyl ein Ausbildungsplatz angeboten.

Derweil weisen die Behörden Kritik an der Räumung des Kirchenasyls zurück. Das BAMF und die Ausländerbehörde des Kreises Coesfeld betonen, sie hätten gemäß geltendem Recht gehandelt. Der Kreis Coesfeld erklärt ferner, von „brutaler Gewalt“ könne „keine Rede sein“.

Dossier lag dem Bundesamt nicht vor

Damit der Staat ein Kirchenasyl duldet, müssen die kirchlichen Stellen „so frühzeitig wie möglich“ darlegen, warum die Abschiebung im konkreten Fall eine unzumutbare Härte darstellt. „Obwohl sich der Antragsteller bereits seit Mitte Juni ohne nähere Begründung in Räumen kirchlicher Organisationen aufhielt, wurde dem Bundesamt erst am 24.08.16 ein Dossier zum Kirchenasyl vorgelegt“, schreiben die Behörden in ihrer Erklärung. Deshalb habe „das zwischen dem Bundesamt und den Kirchen vereinbarte Verfahren“ nicht angewendet werden können.

Das Bistum Münster und die Unterstützer des Betroffenen hatten seit Dienstag (23.08.2016) mehrfach eingeräumt, das Dossier zu Issa A. sei auf dem Weg nach Nürnberg, aber habe dem BAMF am Morgen der Räumung noch nicht vorgelegen. Grund dafür war, dass ein Gutachten über die Herzerkrankung des Ghanaers erst seit wenigen Tagen fertig war. Die Unterlagen gingen nach Behördenangaben am Tag nach der Auflösung des Kirchenasyls beim Bundesamt ein. Das heißt: Vor der Festnahme von Issa A. konnten sie nicht berücksichtigt werden.

Von brutaler Gewalt „kann keine Rede sein“

Zum Vorgehen bei der Festnahme erklärt der Kreis Coesfeld, Mitarbeiter der Ausländerbehörde, Polizisten, eine Richterin des Amtsgerichts Münster, ein Arzt und eine Dolmetscherin hätten das Kapuzinerkloster am Dienstag ohne Widerstand betreten. Nach einem Gesundheits-Check und einer rechtlichen Anhörung sei Issa A. aufgefordert worden, mit den Behördenvertretern das Kloster zu verlassen.

Dagegen habe der Ghanaer sich mit „leichter körperlicher Gewalt“ gewehrt. Deshalb hätten die Polizisten Issa A. Handschellen angelegt: „Von brutaler Gewalt gegen den Antragsteller kann keine Rede sein“, heißt es in der Erklärung.

Forderung, „keine Kirchenasyle mehr zu räumen“

Derweil ruft die Räumung des Kirchenasyls deutliche Kritik hervor. Die Ökumenische Bundesarbeitsgemeinschaft (BAG) „Asyl in der Kirche“ erklärte am Freitag, sie verurteile das Vorgehen „aufs Schärfste“. Hintergründe und Verantwortlichkeiten müssten umfassend aufgeklärt werden, sagte BAG-Vorsitzende Dietlind Jochims. Sie forderte „von allen Beteiligten, in Zukunft keine Kirchenasyle mehr zu räumen“.

Die beteiligten staatlichen Stellen würden sich „immer noch gegenseitig die Verantwortung“ für den Bruch des Kirchenasyls zuweisen. Das sei inakzeptabel. Die BAG betont, die Menschenrechte von Issa A. seien verletzt worden. Das habe auch das Verwaltungsgericht Münster festgestellt. Es hatte die geplante Abschiebung nach Ungarn wegen der dort für Flüchtlinge herrschende Zustände ausgesetzt.

Die Grünen in Nordrhein-Westfalen verurteilten die Räumung des Kirchenasyls in Münster als „bisher einzigartigen Tabubruch“. Das Eindringen in die Sicherheit des Kirchenasyls bedeute eine nicht zu rechtfertigende Härte für den Betroffenen“, erklärte die Partei am Donnerstagabend.

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