Podiumsdiskussion zum 50-jährigen Bestehen des Freckenhorster Kreises

Kirchenhistoriker Wolf: Reform war bei Päpsten ein Unwort

Beim Jubiläum des Freckenhorster Kreises hat der Kirchenhistoriker Hubert Wolf erklärt, für Reformen seien keine weitere Dialogprozesse nötig. Viele Modelle aus der Vergangenheit könnten heute angewandt werden.

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Mit 80 Gästen hatte der Freckenhorster Kreis (FK) zum Jubiläum gerechnet. Es kamen mehr als doppelt so viele und diskutierten lebhaft mit. Um eine Besinnung auf die 50-jährige Geschichte der am 16. April 1969 in Freckenhorst gegründeten Bewegung von Priestern und Laien sollte es nach FK-Sprecher Ludger Funke nicht gehen.

Stattdessen hatte die Initiative prominente Podiumsgäste wie den Kirchenhistoriker Professor Hubert Wolf und die Journalistin Christiane Florin aufs Podium gebeten. Wolf hielt das Impulsreferat: „Kirche in der Krise. Reform – wo und wie?“

 

Wolf: Missbrauchsskandal ist größte Systemkrise der Kirchengeschichte

 

Der Historiker sieht in der 2.000-jährigen Geschichte und Tradition der Kirche die Quelle und Chance zu ihrer Reformierung. Bereits 1522 habe Papst Hadrian VI. gefordert, „alle Anstrengungen zu unternehmen, die Kirche, von der das Übel ausgeht, zu reformieren“.

Der aktuelle Missbrauchsskandal sei nun die größte Systemkrise in der Kirchengeschichte überhaupt. Johannes Paul II. und Benedikt XVI. hätten unter ihren Pontifikaten Reformen zum „Tabu und zum Unwort“ gemacht. Dabei sei die Kirche immer Wandlungsprozessen unterworfen gewesen. „Das, was wir heute Kirche nennen, besteht so erst seit dem 19. Jahrhundert.“

 

Was früher in der Kirche schon möglich war

 

Lebhaft war auch die Diskussion unter den  rund 160 Teilnehmern. | Foto: Karin Weglage
Lebhaft war auch die Diskussion unter den  rund 160 Teilnehmern. | Foto: Karin Weglage

Wolf zählte viele Entwicklungsprozesse auf: In früheren Jahrhunderten sei die Beichte von Menschen abgenommen worden, die sich über ihre Nachfolge qualifiziert haben – „von Nonnen und Mönchen“. 500 Jahre lang habe ein Konsis­torium aus Kardinälen die Entscheidungen in Rom getroffen und nicht der Papst.

„Auch die Bischöfe wurden nicht immer von Rom ernannt.“ Weibliche Diakone habe es gegeben. „1.000 Jahre haben Frauen rechtlich als Bischöfe agiert. Erst das Zweite Vatikanische Konzil hat das unmöglich gemacht.“

 

Wolf: Dialogprozesse haben zu nichts geführt

 

70 Prozent des Besitzes habe nicht den Bischöfen, sondern den Gläubigen gehört. Das alles seien Modelle, die auch heute Anwendung finden könnten, so Wolf. „Wir brauchen deswegen jetzt auch keine weiteren Dialogprozesse. Die haben in der Vergangenheit zu nichts geführt.“

Für seine Reform-Anregungen erntete Wolf dann lebhaften Applaus: die Abschaffung des Zölibatsgesetzes, die Einführung einer unabhängigen Verwaltungsgerichtsbarkeit, eine zeitgemäße Sexualmoral, die Wahl der Bischöfe durch die Gläubigen, die Durchsetzung des Subsidiaritätsprinzips auf allen Ebenen, einen neuen Umgang mit Frauen in den Ämtern und die Übertragung der Finanzhoheit  von den Bischöfen auf die Gläubigen. Die Kirchensteuer müsse in den Gemeinden landen.

 

Florin prangert „Verachtung von Frauen“ in der Kirche an

 

Die Journalistin Christiane Florin (stehend) diskutierte mit Professor Hubert Wolf (rechts) und weiteren Podiums-Teilnehmern über die aktuelle Missbrauchs- und Kirchenkrise. | Foto: Karin Weglage
Die Journalistin Christiane Florin (stehend) diskutierte mit Professor Hubert Wolf (rechts) und weiteren Podiums-Teilnehmern über die aktuelle Missbrauchs- und Kirchenkrise. | Foto: Karin Weglage

Die Teilnehmer auf dem Podium beurteilten die Reformbereitschaft der Bischöfe allesamt als wenig hoffnungsvoll. Sie riefen zur Selbstermächtigung auf. „Viele haben aufgegeben“, sagte etwa Christiane Florin, Journalistin und Autorin des Buches „Der Weiberaufstand“. Die Kirche reagiere nicht einmal darauf, dass ihr die Leute wegliefen.

Florin prangerte die „Verachtung von Frauen“ in der Kirche an: „Wir sind auch keine Missbrauchs-Präventions-Geschöpfe“, kritisierte sie Ansätze, mit mehr weiblichen Führungskräften die alten Strukturen noch retten zu können.

 

Florin: Synodaler Weg der Bischöfe ist Ablenkung

 

„Der synodale Weg der Bischöfe aus der Missbrauchskrise ist eine Ablenkung“, erklärte sie. „Denen überlassen wir die Kirche aber nicht“, rief sie dazu auf, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen. Allerdings müsse man mit Widerstand rechnen, „Es wird versucht, einen fertig zu machen“, berichtete sie aus eigener Erfahrung. „Die Autoritären wissen das, die Liberalen sind eher verschämt im Umgang mit der Macht.“

Andreas Dieckmann, Pfarrer aus Ennigerloh, stellt bei Gemeinde-Mitgliedern eine „Erlaubniskultur“ fest, die an Priestern orientiert sei. „Ich sage dann: ‚Nehmt die Reform selbst in die Hand. Es geht nur von unten nach oben.‘“

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