Nach Inhaftierung des wegen Missbrauchs angeklagten Priesters

Kirchenrechtler Schüller: Woelki mit "unentschuldbaren Versäumnissen"

  • Kirchenrechtler Thomas Schüller sieht bei der Kölner Kirchenleitung ein nicht zu entschuldigendes Verhalten im Missbrauchsfall eines angeklagten Priesters.
  • Der Angeklagte ist wegen Wiederholungsgefahr inhaftiert worden.
  • Kardinal Woelki und sein Generalvikar hätten intensivere Maßnahmen ergreifen müssen, um weitere Taten zu verhindern.

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Kirchenrechtler Thomas Schüller sieht nach neuen Tatvorwürfen gegen den Kölner Priester und mutmaßlichen Missbrauchstäter U. "unentschuldbare Versäumnisse" bei der Kölner Bistumsleitung um Kardinal Rainer Maria Woelki. "Dass es offenbar noch 2019 erneut zu Übergriffen durch U. kommen konnte, ist auch einem verantwortungslosen Umgang der Bistumsleitung mit einem Langzeit-Sexualtäter geschuldet", sagte er dem "Kölner Stadt-Anzeiger". Erzbischof und Generalvikar hätten ihre Aufsichts- und Kontrollpflicht verletzt.

Kardinal Woelki, der sich noch bis zum 2. März in einer Auszeit befindet, und sein Generalvikar Markus Hofmann hätten gegen Vorgaben der kirchlichen Leitlinien verstoßen, kritisierte Schüller. Sie hätten U. zwar am 4. April 2019 per Dekret die Ausübung priesterlicher Dienste untersagt. Dabei hätten sie aber nicht genügend wirksame Maßnahmen ergriffen, um einen Kontakt von U. zu Minderjährigen auszuschließen und damit neue Missbrauchstaten zu verhindern.

Informierte die Bistumsleitung ausreichend?

Im Kern geht es bei Schüllers Vorwürfen darum, ob ein für die Überwachung des Dekrets zuständiger höherer Geistlicher genügend Informationen von der Bistumsleitung hatte, um die Gefahr richtig einschätzen und U. wirksam überwachen zu können.

Am Donnerstag war der angeklagte Priester U. noch im Gerichtssaal verhaftet und unverzüglich in die Justizvollzugsanstalt gebracht worden. Aufgrund der Vielzahl der Vorwürfe, die sich teilweise auch auf die jüngere Vergangenheit bezögen, habe man Wiederholungsgefahr gesehen, so das Gericht.

Der Fall des Priesters U.

U. steht seit November vor Gericht, weil er in den 1990er-Jahren drei minderjährige Nichten zum Teil schwer missbraucht und sich 2011 an einem elfjährigen Mädchen vergangen haben soll. Als Zeuginnen sagten in dem Prozess zudem weitere mutmaßliche Opfer unter Ausschluss der Öffentlichkeit aus.

Als 2010 die erste Anzeige gegen U. vorlag, hatte ihn das Erzbistum Köln zunächst beurlaubt. Nachdem die Anzeige aber zurückgezogen worden war und die Staatsanwaltschaft ihr Verfahren eingestellt hatte, durfte er wieder als Krankenhauspfarrer arbeiten. Bei dieser Tätigkeit hatte er wohl auch wieder Kontakt zu Kindern und Jugendlichen. 2018 hatte das Erzbistum den Fall dann im Zuge seiner Missbrauchsaufarbeitung wieder aufgerollt, an die Behörden gemeldet und U. per Dekret die Ausübung priesterlicher Dienste untersagt.

Keine ausdrücklichen Auflagen für private Kontakte

Das Erzbistum Köln hat nach Angaben der Zeitung erklärt, dieses Dekret impliziere ein Kontaktverbot zu Kindern und Jugendlichen. Nach Informationen des "Kölner Stadt-Anzeigers" enthält der Standardtext hierzu aber keine ausdrücklichen Auflagen oder Bestimmungen zu privaten Kontakten.

Nach Auffassung von Kirchenrechtler Schüller verlangen die kirchlichen Leitlinien, dass der zuständige Bischof bereits bei ersten Anhaltspunkten für möglichen Missbrauch durch einen Kleriker alles dafür tun müsse, dass keine weitere Gefahr für Kinder und Jugendliche ausgeht. Erst recht hätte die Bistumsleitung dies mit Erlass des Dekrets gewährleisten müssen, so Schüller weiter: "Woelki und Hofmann sind zumindest in einer moralischen Mithaftung."

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