Interview mit dem neuen Generalvikar

Köster: „Die Verantwortung teilen“

Er ist habilitierter Kirchenhistoriker und hat Erfahrung als Diözesan-Jugendseelsorger. Seit Freitag (01.07.2016) ist Norbert Köster neuer Generalvikar der Diözese Münster und löst somit Norbert Kleyboldt als Stellvertreter von Bischof Felix Genn ab.

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Im Interview berichtet der neue Generalvikar Norbert Köster, wie er das nach Mitgliedern zweitstärkste deutsche Bistum verwalten will. Außerdem spricht er über die Qualifizierung von Ehrenamtlichen für kirchliche Aufgaben – und darüber, wie er am besten abschalten kann.

Kirche+Leben: Herr Generalvikar Köster, eigentlich hätten Sie jetzt Ihre ersten Semesterferien als Professor für Kirchengeschichte in Linz vor sich.

Norbert Köster: Ja, allerdings kam kurz vor der Vertragsunterzeichnung im Oktober Bischof Genn mit der Frage auf mich zu, ob ich sein Generalvikar werden möchte. Nach kurzer Bedenkzeit habe ich „Ja“ gesagt, auch wenn ich ganz andere Pläne hatte. Das Schöne ist, dass ich in Münster bleiben kann, denn ich bin doch durch und durch Münsterländer. Außerdem hatte er sehr gute Argumente.

Welche denn?

Bischof Genn wollte jemanden haben, der von außen kommt. Zudem wollte er jemanden, der sich mit spirituellen Fragen auskennt und diese Perspektive bei Entscheidungen mit berücksichtigt.

Das ist ein ungewöhnlicher Ansatz für einen Verwaltungsposten.

Für Verwaltungsfragen habe ich hier etwa 500 Fachleute, die die Dinge umsetzen. Das muss ich nicht selbst tun. Aber es geht darum, die Grundausrichtung zu steuern: Wohin wollen wir eigentlich insgesamt? Wen wollen wir als Kirche wie unterstützen? Wie können wir auch neben den Gemeinden andere Orte schaffen, an denen wir Beziehungen zu den Menschen und zu Gott stiften können? Das sind spirituelle Fragen, die wir unter anderem gemeinsam mit den Räten angehen wollen. Es wird dann meine Aufgabe sein, diese Prozesse und ihre Umsetzung anzustoßen, zu begleiten und auch zu steuern.

Wie haben Sie sich darauf vorbereitet?

Ich war vier Monate lang „Praktikant“ im Generalvikariat. Außerdem habe ich dem Essener Generalvikar Klaus Pfeffer, einem früheren Kollegen aus der Jugendseelsorge, zwei Wochen lang über die Schulter geschaut.

Mit dem Thema Spiritualität haben Sie sich schon als Kirchenhistoriker befasst. Wie geht es hier weiter?

Ich bleibe Privatdozent an der Uni Münster, auch, um meine Lehrbefugnis nicht zu verlieren. Dazu hat mir auch Bischof Genn geraten und mich für zwei Semesterwochenstunden freigestellt. Außerdem macht es mir im Umgang mit den Studierenden große Freude, zu sehen, wie sie ticken, und mit ihnen gemeinsam nachzudenken. Im Wintersemester leite ich gemeinsam mit Professor Thomas Schüller eine Veranstaltung über das Zweite Vatikanische Konzil. Darauf freue ich mich. Wichtig ist mir auch, weiter Seelsorger in Münster-Kinderhaus und -Sprakel zu bleiben.

Wie ist Ihre eigene familiäre Prägung?

Ich habe fünf Schwestern und bin der Zweitjüngste. Mein Vater war Bundestagsabgeordneter und höchstens am Wochenende zu Hause. Von daher bin ich vornehmlich in einem Frauenhaushalt groß geworden. Unsere Eltern haben uns dazu erzogen, Aufgaben zu sehen und Verantwortung zu übernehmen. Sonst hätte das meine Mutter, die von Haus aus Sozialarbeiterin war, mit sechs Kindern kaum bewältigen können.

Wie kam da Ihr Berufswunsch Priester an?

Das war zunächst ein Schock für meine Eltern, aber sie haben mich dann unterstützt. Mein Vater ist vor neun Jahren gestorben, meine Mutter ist 87 und nimmt bis heute regen Anteil daran, welche spannenden Aufgaben und Begegnungen ich habe. Mit meinen Schwestern und den sieben Neffen und Nichten bin ich eng verbunden und kriege eine Menge mit.

Wie sehen Sie vor diesem Hintergrund die Forderung nach mehr Frauen in kirchlichen Führungspositionen – auch angesichts der künftigen Entwicklung der Kirche?

Das ist im Generalvikariat ein großes Thema, an dessen Umsetzung wir arbeiten. Und mit Blick auf die kleiner werdende Zahl von Priestern bemühen wir uns auch um neue Formen der Qualifizierung von Ehrenamtlichen. Denn es wird in Zukunft die zentrale Frage sein, wer in den Gemeinden Leitungsaufgaben übernehmen kann und wie wir die Verantwortung teilen. Da sehe ich spannende, fruchtbare Prozesse. Wir haben jetzt zum Beispiel einen ersten Kurs für Ehrenamtliche, die den Beerdigungsdienst übernehmen. Das wird künftig der Weg sein.

An der Uni Münster soll in den nächsten Jahren der „Campus Theologie“ für evangelische, katholische und sogar muslimische Theologen entstehen. Welche Chancen birgt dieses innovative Projekt für einen Generalvikar, der auch noch selbst dort lehrt?

Das wird uns als Fakultät sicher sehr bereichern. Man muss aber auch wachen Auges sehen, dass das Uni-Rektorat damit nicht nur die Religion fördern will, sondern auch Einsparungen beabsichtigt. Andererseits wird hier deutlich: Die Auseinandersetzung mit Religion ist eine fundamentale Aufgabe der Universität und der Gesellschaft. Das ist jahrelang verdrängt worden und holt uns jetzt nicht nur durch das Thema Islam wieder ein. Auch in vielen Fragen der Ethik, etwa im Umgang mit Sterben und Tod, kommen wir ohne sie nicht aus. Für einen Generalvikar ist es eine wichtige Frage, wie wir uns hier einbringen können auf verschiedenen Ebenen.

Eine Gelegenheit dazu wird auch der 101. Katholikentag 2018 in Münster bieten. Wie soll der sich von den ersten 100 unterscheiden?

Wir müssen sehen, wie wir die historische Aufgabe der Katholikentage, nämlich sich in politische Fragen einzumischen, umsetzen können. In Leipzig waren zum Beispiel die großen Politikforen eher schwach besucht, während Gesprächskreise über den Glauben überfüllt waren. Welche Lehren wir daraus ziehen, müssen wir gemeinsam mit dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken als Veranstalter sehen. Auf jeden Fall wollen wir die Räume in der Innenstadt nutzen und auch unsere Gemeinden einbeziehen. Außerdem wird es 2018 eine große Ausstellung in Münster zum Thema Frieden geben, bei der wir natürlich mitmachen.

Worum geht es Ihnen dabei?

Wir wollen den Gedanken stärken, dass das christliche Menschenbild zum Frieden beiträgt. Natürlich hat die Kirche im Laufe ihrer Geschichte auch versagt und entgegen ihren eigenen Intentionen gehandelt. Gerade deshalb müssen wir die Grundidee von der Würde des Menschen, die uns nur Gott schenken kann, wieder stärker einspeisen – gerade angesichts extremistischer Tendenzen, die ganz offensichtlich weltweit erstarken.

Das sind anstrengende Herausforderungen. Wie entspannen Sie?

Wir haben einen alten Kotten in der Nähe von Rheine, der für unsere Familie eine Art Treffpunkt geworden ist. Da sind auch oft meine Neffen und Nichten, da kann ich gärtnern und lesen und dabei prächtig abschalten. Aber erst einmal freue ich mich auf die neue Aufgabe als Generalvikar.

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