Kommentar von Reporter Michael Rottmann zu steigenden Kirchenaustritts-Zahlen

Auch eine geschrumpfte Kirche kann Großes bewirken

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Bleiben am Ende nur noch Enttäuschung und Entmutigung, wenn – wie derzeit - immer mehr Menschen die Kirche verlassen? Das muss nicht sein, meint Michael Rottmann und verweist auf ein ermutigendes Beispiel.

Das zweite Forum des Synodalen Wegs hat sie in seiner Textvorlage deutlich benannt: die Not, in die geweihte Missbrauchstäter uns, das Kirchenvolk, gebracht haben. In der Vorlage heißt es: „Viele schämen sich heute, katholisch zu sein.“

Leicht auszurechnen, was folgt, wenn derart Enttäuschte sich dazu noch Gespött ausgesetzt sehen: „Und bei so einem Verein machst du noch mit?“ Hin- und hergerissen zögen nicht wenige einen Schlussstrich, heißt es: „Viele verlassen die Kirche, nicht wenige, um ihren Glauben zu retten.“

Nein, es ist nicht das Ende der Fahnenstange – die Kirche wird noch weiter schrumpfen. Nicht nur, aber auch wegen des durch den sexuellen Missbrauch verur-sachten Vertrauensverlusts. Der coronabedingte Rückgang der Kirchenaustritte im vergangenen Jahr war nur eine statistische Atempause.

 

Realismus statt Resignation

 

Die Austrittswelle wird also weiter an der Kirche nagen. Daran ändern auch noch so gute (und wichtige!) Schritte der laufenden Reformprozesse Synodaler Weg oder Weltsynode kurz- oder mittelfristig nichts. Dies auszusprechen, hat weniger mit Resignation zu tun als mit Realismus.

Auf kurz oder lang werden wir Christen künftig wohl fast überall in unserem Land als Minderheit unter überwiegend Konfessionslosen leben. Das fordert unsere Kirche in ihrem Selbstverständnis heraus. Welche Rolle bleibt einer nach Zahlen unbedeutender gewordene Kirche in der Gesellschaft dann noch? Wird man sie noch ernst nehmen? Kann sie überhaupt noch etwas bewirken?

 

"Salz der Erde"

 

Wohl nicht mehr als starke, machtbewusste Institution. Stattdessen wird das gelebte Zeugnis von Menschen wichtiger, die ihren biblischen Auftrag, „Salz der Erde“ zu sein, ernst nehmen.

Dass auch solch ein Zeugnis Berge zu versetzen vermag, das haben zum Beispiel Christinnen und Christen in der DDR-Diaspora bewiesen. In der Minderheit haben sie mit gewaltlosem Protest geholfen, einen Unrechtsstaat zu Fall zu bringen – und damit Großes bewirkt.

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