Zur Umbennenung des Pfarrheims in Datteln

Kommentar zu Reinhard Lettmann: Beurteilung braucht Zeit

Das Reinhard-Lettmann-Haus in Datteln wird umbenannt. Chefredakteur Christof Haverkamp sagt im Kommentar, warum es bei Namensnennungen und Seligsprechungen gut ist, einige Jahre nach dem Tod verstreichen zu lassen.

 

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Das Reinhard-Lettmann-Haus in Datteln wird umbenannt. Das haben Pfarreirat und Kirchenvorstand entschieden. Chefredakteur Christof Haverkamp sagt im Kommentar, warum es bei Namensnennungen und Seligsprechungen gut ist, einige Jahre nach dem Tod verstreichen zu lassen.

Ein zeitlicher Abstand ist immer sinnvoll, um die Verdienste eines Menschen, aber auch seine Fehler angemessen beurteilen zu können. Historiker wissen das: So mancher Straßenname eines Politikers wurde schon geändert nach der Entdeckung, dass der Mann braune Flecken auf dem weißen Hemd wegen seiner Tätigkeit in der Zeit des Nationalsozialismus hatte. Umgekehrt wurden christliche Persönlichkeiten wie Dietrich Bonhoeffer oder Oscar Romero in früheren Zeiten viel negativer beurteilt als heute.

Aus gutem Grund schreibt das katholische Kirchenrecht vor, dass nach dem Tod einer Frau oder eines Mannes erst fünf Jahre verstreichen sollen, bevor ein Seligsprechungsverfahren beginnt. Die zeitliche Distanz soll gewährleisten, dass das Urteil objektiver und differenzierter ausfällt als bei einem Eilverfahren.

 

Als Generalvikar anerkannt, als Bischof hochbeliebt

 

Nach dem Tod von Papst Johannes Paul II. trugen Anhänger im April 2005 auf dem Petersplatz Transparente mit der Forderung „santo subito“ (etwa: „heilig sofort“). Schnell wurde er dann auch heiliggesprochen, was jedoch nicht hilfreich war – im Gegenteil. Neben den vielen unbestritten großen Verdiensten des polnischen Pontifex werden mittlerweile seine Fehler erkennbar, gerade im Umgang mit Missbrauchsfällen. Kritiker werfen ihm Vertuschung vor.

Ähnlich verhält es sich bei der Beurteilung von Reinhard Lettmann. Als Generalvikar war er anerkannt, als langjähriger Bischof hoch beliebt. Doch inzwischen wird klar, dass er Missbrauchsfälle unter den Teppich kehren wollte, wie die Debatte in Datteln erkennen lässt. An seinem Heimatort war man stolz auf den berühmten Sohn des Ortes und hatte bald nach seinem Tod das Gemeindezentrum nach ihm benannt. Jetzt entschieden sich Pfarreirat und Kirchenvorstand nach intensiver Diskussion für eine Umbenennung.

 

Was wird man uns später vorwerfen?

 

Was heißt das für uns heute? Vor allem: Mit eindeutigen Bewertungen früherer Zeiten nicht vorschnell zu sein, sondern vorsichtig. Hinterher ist man oft klüger.

Was wird man uns später vorwerfen? Dass wir zu wenig gegen Armut und Hunger getan haben? Dass wir vom Klimawandel  gewusst und dennoch nicht reagiert haben? Oder etwas ganz anderes, an das wir heute noch gar nicht denken?

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