KONKLAVE

Papstwahl: Gibt es wirklich einen deutschen Favoriten?

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Benedikt XVI. war der vorerst letzte Deutsche auf dem Stuhl Petri. Wie die Chancen der drei deutschen Kardinäle im Konklave stehen.

 

Wird nach Benedikt XVI. wieder ein Deutscher zum Papst gewählt? Zumindest sehen einige säkulare Medien Chancen dafür und berufen sich auf Vatikanexperten. Allerdings spricht bereits die geringe Zahl möglicher deutscher Kandidaten dagegen. Von insgesamt sechs deutschen Kardinälen sind nur drei unter den 133 Papstwählern: Reinhard Marx, Gerhard Ludwig Müller und Rainer Maria Woelki. Die weiteren Kardinäle Walter Brandmüller (96), Walter Kasper (92) und Friedrich Wetter (97) fallen aufgrund ihres Alters aus. 

Ebenso spricht der Umstand, dass vor nicht allzu langer Zeit ein Deutscher die Kirche führte, gegen einen weiteren deutschen Papst. Nach Hadrian VI. dauerte es 482 Jahre, bis mit Benedikt wieder ein Papst aus dem deutschen Sprachraum den Stuhl Petri bestieg. Nicht zuletzt ging der Einfluss der Deutschen in der Kurie seit dem Amtsverzicht des bayerischen Papstes 2013 stetig zurück. Wie steht es also um die Chancen der drei Deutschen im Kardinalskollegium?

Reinhard Marx: Belastete Vergangenheit

Viele säkulare Medien führen derzeit Reinhard Marx (71) als einen der Papabili. In der Tat kommt dem Erzbischof von München und Freising im Vorfeld des Konklaves eine wichtige Rolle zu: Als Koordinator des vatikanischen Wirtschaftsrates gehört Marx qua Amt der Sonderkongregation unter Leitung des Kardinalkämmerers Kevin Farrell an. Er ist damit Teil der vorübergehenden Kirchenleitung und für den ordnungsgemäßen Ablauf der Papstwahl verantwortlich. Zudem berichtete Marx in der siebten Generalkongregation der Kardinäle am 30. April über die angespannte finanzielle Lage des Heiligen Stuhls. Diese Aufgaben dürften die Bekanntheit des Münchner Erzbischofs unter seinen Kollegen erhöht haben. Darüber hinaus gilt Marx als früher Vertrauter des verstorbenen Papstes. Er könnte dessen Linie fortführen.

Allerdings nahm Franziskus den Münchner Erzbischof 2023 nicht mehr in seinen Kardinalsrat auf. Nicht zuletzt musste Marx nach der Veröffentlichung des Münchner Missbrauchsgutachtens 2022 sein Versagen einräumen. Im Mai 2021 bot er dem Papst sogar seinen Rücktritt an, um „Mitverantwortung für die Katastrophe des sexuellen Missbrauchs“ zu tragen, wie es in einem Brief von Marx an Franziskus heißt. Der Papst lehnte das Gesuch bereits im Juni 2021 ab: „Mach weiter, so wie Du es vorschlägst, aber als Erzbischof von München und Freising.“ Dass ein Kardinal mit dieser Vorgeschichte zum Papst gewählt wird, wäre zumindest ungewöhnlich.

Gerhard Ludwig Müller: Hohes Konfliktpotenzial

Vor allem rechtskatholische Medien bringen immer wieder Gerhard Ludwig Müller (77) ins Spiel. Säkulare Medien haben es ihnen vielfach nachgetan. Der ehemalige Bischof von Regensburg stieg unter Benedikt XVI. zum Präfekten der Glaubenskongregation auf. Allerdings verlängerte Franziskus Müllers Amtszeit nach 2017 nicht und ersetzte ihn durch den spanischen Jesuiten Luis Ladaria. Der Kardinal tat sich in der Folgezeit als scharfer Kritiker des Papstes hervor. Zuletzt gab er kurz nach Franziskus’ Tod in der italienischen Tageszeitung „La Repubblica“ zu Protokoll, dass der argentinische Papst „manchmal etwas zweideutig“ gewesen sei. Unter dessen Vorgänger aus Bayern habe dagegen „perfekte theologische Klarheit“ geherrscht.

2020 unterzeichnete Müller sogar den coronaleugnerischen Aufruf „Veritas liberabit vos!“ des inzwischen exkommunizierten Vatikandiplomaten Carlo Maria Viganò. Aus diesen Gründen ist seine Wahl zum Papst kaum denkbar. Sie würde in der Kirche zu großen Konflikten, wenn nicht gar zu einem Schisma führen. Die öffentliche Präsenz des Kardinals beruht womöglich auch auf der bewussten Platzierung seines Namens durch digitale Angebote wie dem „College of Cardinals Report“.

Rainer Maria Woelki: Geringe Bekanntheit trotz vieler Skandale

Rainer Maria Woelkis (68) Name kursiert dagegen wenig. Viele Auseinandersetzungen im Erzbistum Köln machten ihn zu einem der bekanntesten Bischöfe Deutschlands. Wegen der „sehr turbulenten“ Situation in der Erzdiözese habe Franziskus von Woelki sogar ein Rücktrittsgesuch erbeten, so der Papst 2022 im Gespräch mit den europäischen Kulturzeitschriften der Jesuiten. Auch wenn dieses offenbar nicht angenommen wurde, ist eine Wahl des Kardinals zum Papst angesichts der mit seiner Person verbundenen Skandale unwahrscheinlich.

In Rom gehört Woelki verschiedenen Vatikanbehörden wie dem Dikasterium für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung an. Darüber hinaus ist er in der Güterverwaltung des Apostolischen Stuhls tätig. Dennoch hört man immer wieder von kundigen Beobachtern, dass der Kölner Erzbischof in der Weltkirche zu unbekannt und zu unbedeutend sei, um als „papabile“ zu gelten.

Alle Informationen zur Papstwahl finden Sie in unserem Konklave-Ticker.

 

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