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Das Museum „Relígio“ in Telgte zeigt in seiner 84. Krippenkunst-Ausstellung unter dem Titel „Heller Stern…“ klassische und moderne Krippen.
Das Westfälische Museum für religiöse Kultur „Relígio“ in Telgte im Kreis Warendorf hat seine 84. Krippenkunst-Ausstellung eröffnet. Im Gegensatz zu vielen anderen Krippenausstellungen zeige das „Relígio“ nicht nur klassische Krippen, sondern lege einen Schwerpunkt auf den künstlerischen Aspekt der Werke, erklärt Museumsleiterin Anja Schöne. Die Besucherinnen und Besucher erwarten rund 100 Krippendarstellungen, die unterschiedlicher kaum sein könnten.
Es stehen von Kindern angefertigte Skulpturen aus Salzteig neben Holzschnitzarbeiten professioneller Künstlerinnen und Künstler. Im Herdfeuerraum des Museums ist eine klassische Krippe mit großen Holzfiguren zu sehen. In einem weiteren Raum hängt ein Mobile von der Decke. Es braucht etwas Fantasie, um die daran angebrachten Wattebäusche und Stoffknäuel als Krippenszene zu erkennen. Das große Spektrum mache den besonderen Reiz der Ausstellung aus, ist Schöne überzeugt.
Ukrainische Krippe „Weihnachten im Luftschutzkeller“
Zu den berührenden Kunstwerken in der diesjährigen Schau zählt womöglich die Krippe mit der weitesten Anreise. Die ukrainische Ikonenmalerin Olya Kravchenko entwarf eine Krippendarstellung, in der Jesus im Keller eines Mietshauses geboren wird. Sie trägt den Titel „Weihnachten im Luftschutzkeller“.
Der Kölner Verein der Krippenfreunde stellte für Schöne den Kontakt zu Kravchenko in Lviv in der Westukraine her. Ihre Krippe wurde auf dem Rückweg eines Hilfstransports von Lviv nach Köln gebracht, wo Schöne das Kunstwerk persönlich abholte. Das Museum möchte das Kunstwerk als Zeitdokument von der Künstlerin abkaufen.
„Knastkrippe“ äußert Gesellschaftskritik
Eine weitere gesellschaftskritische Krippe hat der baden-württembergische Holzbildhauer Rudi Bannwarth mit Inhaftierten der Justizvollzugsanstalt Herford in Ostwestfalen entwickelt. Bannwarth verbrachte dafür selbst zwei Tage in dem Gefängnis und sprach mit den jugendlichen Inhaftierten zwischen 14 und 24 Jahren.
Die Krippenkunst-Ausstellung läuft bis zum 26. Januar 2025. Sie wird von einem Programm mit regelmäßigen Führungen, spirituellen Impulsen, Vorträgen und einer Lesung begleitet. Die Mitarbeitenden haben die verschiedenen Veranstaltungen und weitere Informationen auf der Website und in einem Faltblatt zusammengetragen. │ vd
In der „Knastkrippe“ sitzt ein junger Mann auf der Pritsche einer Gefängniszelle. Neben ihm seine Mutter und sein Großvater, die Maria und Josef darstellen. Diese Konstellation solle widerspiegeln, dass die inhaftierten Jugendlichen häufig ohne Vater aufwachsen würden, erklärt Schöne. Dass Jesus nicht als Baby gezeigt werde, solle verdeutlichen, dass Gott in jedem Menschen sei.
Abstrakte Krippen und begehbare Rauminstallationen
Außerdem gibt es zwei begehbare Rauminstallationen. Sechs Textilkünstlerinnen und -künstler haben als Gruppe „tx 02“ das Kunstwerk „Im Brennpunkt“ geschaffen. Wie durch ein Labyrinth gehen die Gäste an vergoldeten Feuerschalen vorüber, aus denen goldene Lurexfäden zur Decke des Raums aufsteigen. Am Ende des Zimmers angekommen, stehen sie vor einer Feuerschale, die an der Wand hängt und das Jesuskind in der Futterkrippe zeigt. Schöne beschreibt das Erlebnis folgendermaßen: „Hier ist ein spiritueller Raum entstanden.“
Die zweite Rauminstallation von Sabine Reibeholz und Marc von Reth mit dem Titel „Ins Licht“ ist eine besonders abstrakte Krippendarstellung. In einem hohlen Apfelbaumstamm hängen kleine Glasscheiben an dünnen Fäden und werden durch einen Ventilator sanft in Bewegung gehalten. Ein Scheinwerfer strahlt durch den hohlen Baumstamm und wirft bunte Lichter auf eine weiße Kugel, die den Stern von Bethlehem darstellen soll.
Stimmungsvolles Erlebnis für Jung und Alt
Gerda Schmidtmeier ist 1928 geboren und somit die älteste Teilnehmerin in diesem Jahr. Die 96-Jährige fertigt jedes Jahr eine neue Arbeit am Webrahmen an. Auf ihrem aktuellen Werk prangt der helle Weihnachtsstern prominent am dunklen Nachthimmel. Die jüngsten Künstlerinnen und Künstler gehören einer Mutter-Kind-Gruppe aus Alfter im Rhein-Sieg-Kreis an. Die Kinder sind teilweise erst drei Jahre alt und haben bunte Bilder gemalt, auf denen vor allem der Stern von Bethlehem und die Heiligen Drei Könige zu sehen sind.
Die Krippenausstellung in Telgte gibt es bereits seit der Gründung des Museums 1934. Durch den Zweiten Weltkrieg war es zwischenzeitlich sechs Jahre lang geschlossen, weshalb die Ausstellung mit diesem Jahr zum 84. Mal stattfindet. Die Museumsleiterin vermutet, warum es jedes Jahr Interessierte gebe, die sich die Krippen anschauen möchten: „Es ist einfach eine schön gestaltete Ausstellung und ein stimmungsvolles Erlebnis für die Besucher*innen.“ Jedes Jahr würden die Räume nach einem komplett neuen Farbkonzept gestrichen. Auch die Kunstwerke seien in jedem Jahr neu und würden dem Museum als Leihgaben lediglich für die Zeit der Ausstellung zur Verfügung gestellt.
Sowohl neue Werke als auch Bestände aus der Sammlung
Hier bildet die diesjährige Krippenkunst-Ausstellung jedoch eine Ausnahme: Aufgrund des Emshochwassers Ende vergangenen Jahres musste das Museum sein Archiv vor knapp einem Jahr komplett räumen. Dabei sind die Mitarbeitenden auf weitere Krippendarstellungen und Grafiken mit Bezug zu Weihnachten gestoßen, die sie ebenfalls ausstellen wollten.
Deshalb werden die Leihgaben der Künstlerinnen und Künstler, Laien und Kinder in diesem Jahr durch Werke ergänzt, die sich bereits in der Sammlung des Museums befanden. Nach so vielen Krippenausstellungen gebe es dennoch „jedes Jahr etwas, das auch wir noch nicht gesehen haben“, sagt Schöne.
Das Museum „Relígio“ befindet sich an der Herrenstraße 1-2 in 48291 Telgte. Es ist dienstags bis sonntags von 11 bis 18 Uhr geöffnet. Abweichende Öffnungszeiten: am ersten Weihnachtsfeiertag und an Neujahr von 14 bis 18 Uhr, am 30. Dezember von 11 bis 18 Uhr. An Heiligabend und Silvester ist das Museum samt Krippenkunst-Ausstellung geschlossen. Der Eintritt ist bis 21 Jahren frei, für Erwachsene kostet er sieben Euro. Gruppen ab 12 Personen zahlen sechs Euro pro Person. Führungen können auf Anfrage vereinbart werden und kosten 50 Euro für bis zu 20 Personen, Schulklassen zahlen 30 Euro. │ vd