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Kirchen bleiben geöffnet, Theater und Kleinkunstbühnen müssen im November schließen. Ungerecht finden das einige. Pfarrer Hanno Rother zeigt dafür Verständnis und fordert, Musiker*innen, Schauspieler*innen und Co. die Gelegenheit zum Auftritt in Gottesdiensten zu geben – Gage inklusive.
Für den November haben sich die Ministerpräsident*innen und die Bundeskanzlerin geeinigt, einen Wellenbrecher-Lockdown zu verordnen: Einen Monat lang die Kontakte minimieren, um die erschreckenden Ansteckungszahlen zu reduzieren und die Pandemie soweit im Griff zu behalten, dass die Gesundheitsämter mit der Nachverfolgung noch hinterherkommen. So weit, so vernünftig.
Hanno Rother (39) ist ein Kind des Ruhrgebiets und Pfarrer in Recklinghausen. Als „Kirchendude“ ist er in Verkündigungssendungen der evangelischen und katholischen Kirche bei Produktionen von „funk“ zu sehen. Er hat einen eigenen Livestream-Kanal auf „Twitch“ und ist in der „Gamer*innen-Szene“ so etwas wie ein Influencer für Gott, indem er seinen Kommentar zur Welt mit den Menschen in seinem Chat teilt.
Natürlich werden die einzelnen Maßnahmen heiß diskutiert. Die Kirchen haben diesmal Poal gehalten und das Verbot von gemeinsamen Gottesdiensten abgewendet. Das hat sie jetzt aber mitten in die Schusslinie gebracht. Gerade Menschen, die ihr überaus kritisch begegnen, wittern eine ungerechtfertigte Bevorzugung der Kirche.
Ausgefeilte Hygienekonzepte
So sehr ich es für richtig halte, Gottesdienste so lang wie möglich möglich zu machen, so sehr begreife ich das Unverständnis von Kulturtreibenden, die wieder einmal einen Monat ihrer Lebensgrundlage beraubt werden. Auch in deren Kreisen gibt es einige, die den Kirchen ihr „Privileg“ neiden. Haben doch Veranstaltungsorte wie Theater und Kleinkunstbühnen mindestens ebenso ausgefeilte Hygienekonzepte wie Kirchengemeinden. Über diese Ungleichbehandlung darf man sich ärgern, selbst wenn man den grundrechtlichen Schutz der Religionsausübung nicht in Frage stellt. Man darf aber auch die normative Kraft des Faktischen anerkennen.
Nun sind mir auch viele kirchlich engagierte und verbundene Künstler*innen bekannt. Und ich meine nicht nur die Menschen, die mit Orgel- oder sonstigen Konzerten ohnehin regelmäßig in unseren Kirchräumen zu Gast sind. Auch unter den bildenden oder darstellenden Künstler*innen gibt es diese. Ihre Existenzangst kommt mir persönlich nah und ich verstehe ihre Klage, zumal ich keine Abschaffung des Christlichen wittern muss.
Manchem Gottesdienst täte ein bisschen kulturelle Abwechslung gut
Für mich stellt sich jetzt die Frage, wie wir als Kirche solidarisch mit Künstler*innen sein können. Auf Gottesdienste zu verzichten, würde in meinen Augen niemandem helfen (es sei denn, ich ginge davon aus, dass sich alle Menschen in Gottesdiensten infizierten).
Musiker*innen, Schauspieler*innen und Co. würde es doch viel mehr helfen, wenn wir ihnen die Gelegenheit zum Auftritt in unseren Gottesdiensten gäben – Gage inklusive. Manchem Gottesdienst täte ein bisschen kulturelle Abwechslung gut, Kunst und Glaube gehören seit jeher zusammen, und wem würde zum Beispiel das Glaubenszeugnis des heiligen Franziskus, von einem Schauspieler dargestellt, nicht im Gedächtnis bleiben?
Die Positionen der Gastkommentare spiegeln nicht unbedingt die Meinung der Redaktion von „Kirche+Leben“ wider.