Was soll sich ändern? Wer soll künftig leiten? Was dürfen Laien?

Kulturwandel im Bistum Münster - der Stand der Dinge

Neue Formen der Leitung und eine intensivere Beziehung zu Gott und den Mitmenschen: Damit hat der Kulturwandel zu tun, den das Bistum Münster auf den Weg gebracht hat. Andreas Fritsch erläutert den Stand der Dinge.

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Gut ein halbes Jahr ist es jetzt her: Im Februar hat Bischof Felix Genn erstmals für einen Kulturwandel im Bistum geworben – hin zu einer „Kirche, die Beziehung stiftet“, wie es im Untertitel der damals veröffentlichten Broschüre heißt. Ein Markenkern des Bistums soll diese Kultur der Beziehung demnach werden. Innerhalb und außerhalb der Kirche soll sie erkennbar und erfahrbar sein. Soweit die Theorie. Und wo stehen wir jetzt?

Einer, der sich intensiv mit dem Kulturwandel beschäftigt, ist Andreas Fritsch, Leiter des Strategiebereichs Pastoralentwicklung in der Seelsorgeabteilung des Generalvikariats in Münster. Den Kulturwandel voranzutreiben, ist seine Aufgabe. Zahlreiche Gespräche hat er dazu geführt. Hat Priestern, Diakonen, Ordensleuten, Pastoralreferenten und Pfarreiräten die Überlegungen der Bistumsleitung vorgestellt, hat Pfarrer- und Dechantenkonferenzen besucht, ebenso das Diözesankomitee und die Verbände.

 

„Es trifft den richtigen Nerv“

 

„Die meisten sagen: Das Stichwort Kulturwandel trifft einen richtigen Nerv“, hat Fritsch erfahren. Rückfragen kamen allerdings, weil manchen unklar war, was gemeint ist mit dem Begriff „Beziehung stiften“.

Auch kritische Stimmen haben er und Generalvikar Norbert Köster sich anhören müssen. Einige Priester fragten: Wozu brauchen wir überhaupt einen Kulturwandel? Wir haben doch schon bisher eine Kirche der Beziehung gelebt! Vertreter von Kirchengemeinden befürchteten, nach dem Pastoralplan werde nun schon wieder etwas vom Domplatz in Münster verordnet und damit eine neue Sau durchs Dorf getrieben.

 

Zentrale Fragen

 

Fritsch begegnet dieser Skepsis mit Fragen: Wie steht die Gemeinde in Kontakt mit den Neuzugezogenen? Oder: Kennen wir wirklich das Leben der Menschen vor Ort?

„Dann kommt man schnell an den Punkt, dass noch Luft nach oben ist“, stellt er fest und ist überzeugt, dass es in den Gemeinden nicht nur darum gehen kann, die bestehenden Angebote am Laufen zu halten.

 

Dienen die Strukturen den Zielen?

 

Fritsch ist es wichtig, das Kernziel des Kulturwandels immer vor Augen zu haben: Menschen mit Gott und miteinander in Beziehung zu bringen. Dabei hat der Begriff Kulturwandel mit Gott zunächst nichts zu tun, sondern er stammt aus der Wirtschaft. Dort ist auch von „change management“ die Rede, von Unternehmen, die bei Veränderungen jeden Mitarbeiter mitnehmen wollen – von der Führungskraft bis zum Auszubildenden.

Unternehmensberater verweisen gern auf Werte, die unausgesprochen im Betrieb vorhanden seien. Und sie stellen Fragen wie: Dienen unsere Strukturen dem, was wir sein wollen? Oder: Wie lässt sich die Kommunikation ändern? „Kulturwandel ist bei uns genauso brauchbar wie in wirtschaftlichen Zusammenhängen“, sagt Fritsch dazu.

 

Fernstehende und Suchende im Blick

 

Ein Ziel ist es, nicht mehr ausschließlich jene Christen im Blick zu haben, die zu den Aktiven zählen und am Gottesdienst teilnehmen, die mitwirken in den Verbänden und Gremien. Die Bistumsleitung hält es für wichtig, sich stärker um Fernstehende und Suchende zu kümmern. „Wir erreichen momentan nur einen sehr kleinen Ausschnitt“, sagt Fritsch. „Doch es geht darum, auch darüber hinaus Menschen mit dem Evangelium in Kontakt zu bringen.“

Zum Wandel gehört eine verbesserte Zusammenarbeit zwischen Generalvikariat und den Gemeinden – und das Erproben neuer Leitungswege in den Gemeinden. „Bischof Felix Genn möchte eine Vielfalt von Leitungsmodellen rechtlich ermöglichen“, heißt es in der Broschüre zum Kulturwandel.

 

Mehr als ein Leitungsmodell

 

Die Pfarreien im Bistum sind unterschiedlich geprägt: ländlich oder städtisch, mitunter groß und aus mehreren Gemeinden bestehend, mit aktiven oder eher passiven Gläubigen. Daher will die Bistumsleitung nicht ein einziges Leitungsmodell verordnen. Entscheiden sollen die Gremien der Pfarrei, was für sie am besten passt.

Im November startet dazu ein Pilotprojekt mit drei bis fünf Pfarreien. Wer dabei ist, kann Fritsch noch nicht sagen, die Gespräche laufen noch. Fest steht eine Fortbildung an mehreren Wochenenden.

 

Worauf lassen Ehrenamtliche sich ein?

 

Das Programmheft dazu sieht aus wie die Umschlagseiten einer CD mit Bildmotiven aus der Jazzmusik. Aus gutem Grund: „Im Jazz und Blues wird Improvisation groß geschrieben“, heißt es in der Einladung. „Gleichwohl gibt es aber eine Verständigung über einen gemeinsamen Rhythmus und über eine gemeinsame Grundmelodie.“ Beides geht beim Jazz zusammen – ähnlich soll es bei der Fortbildung sein.

Ehrenamtliche sollen stärker mitwirken, Pfarrer mehr delegieren, aber nicht so, dass sie gönnerhaft Laien Befugnisse abgeben. Aber was dürfen Ehrenamtliche, was nicht? Worauf lassen sie sich ein? Und wird eine Art Kostenerstattung als Anerkennung für das Engagement gezahlt? Auch diese Fragen wurden bisher gestellt. „Wir werden diese und andere Antworten gemeinsam im Rahmen der Pilotphase entwickeln müssen“, sagt Fritsch.

 

Leiter der Pfarrei bleibt ein Priester

 

Vieles ist also denkbar. Fest steht aber auch: Kanon 517,2 des kirchlichen Gesetzbuchs (CIC), eine Art Paragraf für den Notfall, wird im Unterschied zu anderen deutschen Bistümern nicht angewandt. Er sieht vor, dass ein Bischof bei einem Priestermangel eine Gruppe oder einen Gläubigen mit der Gemeindeleitung betrauen kann und ein nebenamtlich leitender Priester – kein Pfarrer – die Pastoral verantwortet. Diese Möglichkeit schließt Bischof Felix Genn ausdrücklich aus.

Und wie geht es weiter? „Alles ist noch am Anfang“, sagt Fritsch. Im Generalvikariat sind die Abteilungen jetzt stärker vernetzt. Geht es etwa um Immobilien, sind nicht allein die Abteilungen für Denkmalschutz und Finanzen gefragt, sondern wegen der Pastoral auch die Seelsorgeabteilung. Ein erster Kulturwandel.

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