Nicht nur Harmonie beim Kirchentag

Lammert macht den Kirchen beim Ökumene-Fest in Bochum Druck

Das Ruhrgebiet war am Wochenende Schauplatz für einen Kirchentag im Kleinformat. Im Reformationsjahr setzten die Kirchen ein Zeichen der Gemeinsamkeit - trotz kritischer Zwischentöne.

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Norbert Lammert trifft die Stimmung im Saal - wenn auch nicht unbedingt die von Kardinal Reinhard Marx oder des Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm. Als der Politiker am Samstag zum Auftakt des ökumenischen Festes der beiden großen Kirchen im Bochumer RuhrCongress seinen Ärger über die anhaltende Spaltung zwischen den Konfessionen bekundet, ist der Applaus der rund 750 Zuhörer groß.

Bei dem Kirchentag im Kleinformat gibt es viel Zustimmung zur Kritik Lammerts, dass es immer noch kein gemeinsames Abendmahl von Protestanten und Katholiken gibt. Es ist nicht das erste Mal, dass der CDU-Politiker und Katholik die beiden Konfessionen zur Überwindung ihrer Grenzen mahnt. Bei seinem Auftritt im Bochum bringt er es aber noch einmal besonders deutlich zum Ausdruck: Er könne „keinen einzigen relevanten Glaubensunterschied“ erkennen, der gegen die Einheit spreche. Und das unterschiedliche Amts- und Kirchenverständnis dürfe doch keine Trennung begründen.

 

Lammert: Konfessionen streben nach Macht

 

„Liebe Leute, Kirchen- und Amtsverständnis, nicht Glaubensunterschiede - in welcher Welt leben wir eigentlich?“, ruft er in den Saal. Viele Menschen teilten die Werte der Kirchen. Weil aber die Konfessionen nach Macht strebten, wachse eine Distanz zu den Kirchen als Institutionen. Ökumene könne nicht allein von den Kirchenleitungen erwartet werden, sondern müsse auch „von unten kommen“, sagte er in Richtung der kirchenleitenden Geistlichen, darunter auch die Gastgeber, Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck und die westfälische Präses Annette Kurschus.

Zu dem Treffen eingeladen hatten neben Bischofskonferenz und EKD das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) und der Deutsche Evangelische Kirchentag, um im Reformationsjahr 2017 mit Podiumsdiskussionen, musikalischen Veranstaltungen und anderen kreativen Aktionen noch einmal ein deutliches Zeichen für das Gemeinsame der beiden Konfessionen zu setzen.

 

Marx warnte vor Zeitdruck

 

Marx bekundete Verständnis für Lammerts Ruf nach Einheit, warnte aber auch vor einem „überzogenen Zeitdruck“ beim Bemühen, die Differenzen zu überwinden. Zugleich betonte der Kardinal, dass längst nicht mehr von „Kirchenspaltung“ gesprochen werden könne. Die Konfessionen seien weit darüber hinaus, auch wenn sie noch nicht vollkommen übereinstimmten. Auch Bedford-Strohm widersprach Lammert. Unter der Formulierung „versöhnte Verschiedenheit“ seien unter anderem reformierte und lutherische Christen zur evangelischen Kirche zusammengewachsen.

Die Präsidenten von Zentralkomitee und Kirchentag, Thomas Sternberg und Christina Aus der Au, verwiesen auf die gemeinsame Verantwortung der Christen vor allem im gesellschaftspolitischen Bereich. „Wir Christen lassen uns nicht auf den Himmel irgendwann vertrösten“, sagte Aus der Au und spielt damit auf das Motto des Tages an: die Vaterunser-Bitte „Wie im Himmel so auf Erden“. Christen wollten „die Erde hier und jetzt verändern“. Ziel der Kirchen sei es, zu einer gerechteren und friedlicheren Welt beizutragen, ergänzte Sternberg.

 

Kein Gott ohne Leiden

 

Diesen Gedanken griffen Marx und Bedford-Strohm beim Abschlussgottesdienst vor typischster Ruhrgebietskulisse auf. Auf dem Platz vor dem Bergbau-Museum, wo Fördergerüst der stillgelegten Zeche Germania aufragt, feierten sie mit rund 850 Teilnehmern bei Sonnenwetter einen Abschlussgottesdienst. In der Dialogpredigt bekundete Bedford-Strohm den Wunsch, dass Christen gemeinsam die Politik bewegen. Notwendig sei etwa ein stärkerer Kampf gegen Hunger. Oder weniger Rüstungsexporte. Zudem müsse der Klimawandel begrenzt werden. Zu den Opfer gehörten etwa Menschen in Tansania, die fast nichts zum CO2-Ausstoß beitragen, aber dennoch den Auswirkungen hilflos ausgeliefert seien. „Warum sollte es nicht bei jeder Regierungsentscheidung eine Eine-Welt-Verträglichkeitsprüfung geben“, fragte der Geistliche.

Marx stimmte dem zu. Es könne nicht von Gott gesprochen werden, ohne von den Leidenden her zu denken. Der Kardinal: „Je frömmer wir werden, umso mehr gehen wir hinein in die Wunden der Welt.“

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