Gefragt sind Ehrenamtliche mit Ahnung von Landwirtschaft

Landfrauen-Telefon NRW sucht neue Beraterinnen

Landleben ist kein Heile-Welt-Leben. Davon können diejenigen ein Lied singen, die in der Landwirtschaft arbeiten. Um anonym Sorgen besprechen zu können, gibt es das Landfrauen-Telefon NRW. Doch auch Männer können sich melden.

Anzeige

Eheleute leben sich auseinander. Das kommt vor. Oft merken sie gar nicht, dass sie sich neben der Arbeit und der Erziehung der Kinder über die Jahre verloren haben. Oder es leben mehrere Generationen unter einem Dach, die nicht miteinander klarkommen. Das sind Themen, die auch Landwirte beschäftigen. Doch der Hof steht oft an erster Stelle. Nicht jeder möchte dann sofort in die Konfrontation gehen oder eine Eheberatung zu Rate ziehen.

Genau da tritt das Landfrauen-Telefon NRW ein. Zweimal die Woche bieten Beraterinnen aus ganz Nordrhein-Westfalen ein anonymes Telefongespräch an – und das kostenlos.

 

Wenn irgendetwas nicht stimmt

 

Ursula Muhle ist seit 2017 Geschäftsführerin des Landfrauen-Telefons. Sie kennt die Situation der Anrufenden: „Oft merken sie, dass irgendetwas nicht stimmt. Und sie haben dann auch schon eine Idee, was es sein könnte.“

Für die ehrenamtlichen Beraterinnen gilt es dann, durch viel gezieltes Nachfragen der Sache auf den Grund zu gehen: „Es geht darum zu fragen, wie die Person auf diese Idee kommt.“ Die Situation zu spiegeln und Mut zuzusprechen, sei hilfreich. Anrufen und sich beraten lassen können Männer und Frauen gleichermaßen. Ungefähr 25 Prozent der Anrufer sind laut Muhle männlich.

 

Generationenkonflikte und Hofübergabe

 

Die Probleme seien vielfältig: Generationenkonflikte kämen häufig vor, da landwirtschaftliche Familien oft persönlich, aber auch finanziell voneinander abhängig seien: „Das System Familie und das System Betrieb sind da schwer zu trennen. Das sind spezielle Konflikte, denn die Generationen arbeiten jeden Tag zusammen.“

Ein anderes Thema sei die Hofübergabe, wenn sie im vollen Gange ist und es Probleme gibt. Oder sie steht an, und die Anrufer möchten wissen, wie sie sie am besten angehen. Auch Ehekrisen sind von Bedeutung. „Die Kinder sind 25 oder 30 Jahre alt, verheiratet und aus dem Haus“, erklärt Muhle. Plötzlich merke dann ein Ehepartner, dass das Persönliche auf der Stecke geblieben ist, das Paar sich auseinander gelebt hat. Gewalt und Alkohol spielten ebenso eine Rolle: „Alles, was das Leben hergibt, gibt es auch im landwirtschaftlichen Bereich.“

 

Was im Gespräch geschieht

 

Während des Gesprächs können sich die Anrufenden sammeln. Die Beraterinnen blicken gemeinsam mit ihnen von oben und neutral auf das gesamte System. Sie reden als Gesprächsführerinnen über Ängste und Sorgen der Anrufer, aber auch über Schönes. Konkrete Lösungsvorschläge gibt es weniger. Vielmehr sollen den Anrufenden das Problem und die Ursprünge dafür bewusst werden.

Etwa 45 bis 60 Minuten dauert ein Gespräch. Es gebe immer die Möglichkeit, noch einmal anzurufen: „Die Chance ist, dass dann noch einmal jemand anderes von außen draufschaut.“

Die Beraterinnen können den Anrufenden raten, woanders Hilfe zu holen, etwa beim Steuerberater oder bei der Landwirtschaftskammer. Sie verweisen auch auf die Ländliche Familienberatung. „Da gibt es großes Interesse, wenn man schon einmal den Mut gefasst hat“, sagt Muhle.

 

Wie die Beraterinnen gelernt haben

 

Alle drei Wochen sind die Beraterinnen mit dem Telefondienst dran. „Das wird schon viel“, sagt Muhle. Deshalb sucht das Landfrauen-Telefon neue Beraterinnen. Ein landwirtschaftliches Verständnis sollten sie haben, um den ganzen Hintergrund zu kennen.

Nach einem Auswahltag im November geht die Ausbildung von 2020 bis 2021. In fünf Blöcken à drei Tage lernen die neuen Beraterinnen vor allem, das System Familie und das System Betrieb zu verstehen und zu analysieren. Muhle sieht das auch als persönlichen Vorteil für die Frauen, da sie so viele Sachen besser verstehen würden.

Ebenso lernen sie, empathisch zu sein und Mut zuzusprechen, auch wenn sie eventuell nicht der Ansicht des Anrufenden sind. Denn auch für diesen Fall bleiben sie in ihrer Beraterrolle.

Landfrauen-Telefon
Das Landfrauen-Telefon NRW gibt es seit 2000. Nach einem Jahr Pause startete es 2017 neu. Die Träger sind der Westfälisch-Lippische und der Rheinische Landfrauenverband. Erreichen können Ratsuchende  das Telefon am Montag von 18 bis 22 Uhr und am Mittwoch von 9-13 Uhr unter 02591/ 9 40 34 09. Wer Lust hat, Beraterin zu werden oder sich informieren möchte, meldet sich unter Ulla.Muhle(at)t-online.de.

Anzeige