Heilige, Hure, Mutter, Geschäftsfrau, Gotteslästerin

Madonna und die Kirche – Pop-Ikone wird 60

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Madonna ist eine Meisterin der Selbstinszenierung und der kalkulierten Skandale. Die Grande Dame des Pop macht und nimmt sich auch mit 60 Jahren noch immer, was sie will. Damit eckt sie oft an – auch bei der Kirche.

Glockenläuten, ein Mönchschor: Madonna tritt auf bei der Gala des Metropolitan Museum of Art im vergangenen Mai in New York, blonde Zöpfe, weißes hauchdünnes Kleid. Die Pop-Ikone singt ihren fast 30 Jahre alten Hit „Like a Prayer“ („Wie ein Gebet“). Mit dem Song eckte sie damals bei konservativen Politikern und Organisationen an – und bei Kirchenleuten. „Himmelskörper“ ist das Thema der glamourösen Prominentenschau in New York, es geht um den Einfluss der katholischen Kirche auf die Mode.

Der nur zwölfminütige Überraschungsauftritt ist eine Zeitrafferreise durch die Karriere der erfolgreichen Popmusikerin. Sinnbildlich wird sie misshandelt, von heraneilenden Jungfrauen auf die Stufen einer angedeuteten Kathedrale geworfen. Sie erhebt sich mit einem stählernen Schulterpanzer, eine Jeanne d'Arc des Pop: eine starke Powerfrau, die selbstbewusst ihr Leben gestaltet. Vor 60 Jahren, am 16. August 1958, wurde Madonna Louise Veronica Ciccone in Bay City im US-Staat Michigan geboren.

 

Mit Dornenkrone am Kreuz

 

Sie setzte Trends in Musik und Videokunst, in Mode und Bühnen-Performance. Für viele Frauen in der Popmusik wie Britney Spears, Katy Perry, Rihanna, Shakira oder Pink ist sie ein Vorbild. Und sie beherrscht das Spiel mit der Provokation noch immer – wenn auch mittlerweile eher augenzwinkernd in der Rückschau auf die vielen inszenierten Skandale der letzten 35 Jahre.

Die Sängerin knutschte einen „schwarzen Jesus“, sang als Protest gegen die Todesstrafe auf dem elektrischen Stuhl, hängte sich vor mehr als zehn Jahren mit Dornenkrone ans Kreuz. Der Vatikan lief Sturm, Papst Johannes Paul II. persönlich bezichtigte die Sängerin der Gotteslästerung. Die damalige hannoversche Landesbischöfin Margot Käßmann rief zum Boykott von Madonnas Deutschland-Konzerten auf.

 

Vatikan verlieh Kleidungsstücke und Juwelen für Gala

 

Heute erregt die Musikerin kaum mehr die Gemüter. Die Wandelbare, die Stile und Identitäten lustvoll wechselt und sich künstlerisch immer wieder neu erfindet, ist selbst zur Popart, zum Gesamtkunstwerk geworden.

„Ich spiele gerade jetzt, die ganze Welt ist eine Bühne“, sagte die Ausnahmekünstlerin, die seit einem Jahr in Portugal lebt, einmal in Anlehnung an ein Shakespeare-Zitat. Selbst der Vatikan scheint mit dem schwarzen Schaf seinen Frieden geschlossen zu haben: Für die Kostümgala im New Yorker Metropolitan Museum of Art zumindest verlieh die Papst-Behörde 50 Kleidungsstücke und Juwelen.

 

Hassliebe zum Katholizismus

 

Seit 1983, als sie mit dem Sommer-Sonne-Song „Holiday“ erstmals die Hitparaden eroberte, spielt die „Queen of Pop“ mit sexuellen und religiösen Motiven, schlüpft in die Rolle der Heiligen und der Hure. Als Kindfrau räkelte sie sich lasziv auf dem Cover ihrer zweiten Schallplatte „Like a Virgin“ (1984). Die Katholikin mit italienischen Vorfahren brach als Jugendliche mit dem Katholizismus, mit dem sie in einer Art Hassliebe verbunden ist.

Ein Grund für die Auflehnung gegen alles Kirchliche mag in ihrer Erziehung in strengen katholischen Schulen liegen. Zugleich ist Madonna unentwegt auf spiritueller Suche: Ein aktuelles Foto auf ihrer Facebookseite zeigt sie vor einem Altar kniend mit der Zeile „Nimm meine Sünden und wasche sie weg“.

 

Undurchschaubar wie eine Sphinx

 

Madonna, die in den frühen 80er Jahren Kruzifixe als Mode-Accessoires etablierte, kritisierte die Anti-Kondom-Politik des Vatikan. Ihre Tochter benannte sie nach dem katholischen Wallfahrtsort Lourdes. Zugleich bezeichnet sie sich als eine Anhängerin der Kabbala, einer jüdisch-mystischen Geheimlehre.

Die Kunstfigur Madonna ist undurchschaubar wie eine Sphinx, hinter dem Maskenspiel wird der wirkliche Mensch nur schemenhaft erkennbar. Als Meisterin der Selbstinszenierung und Selbstvermarktung – mit rund 300 bis 350 Millionen verkauften Tonträgern ist sie die reichste Frau im Musikgeschäft – nimmt sie sich, was sie will. Zweimal war sie verheiratet, ist mit immer neuen Liebhabern („Toy-Boys“) in den Schlagzeilen.

 

Adoption von Waisenkindern als „PR-Nummer“?

 

Künstlerisch und geschäftlich behält sie die Fäden in der Hand und setzt sich für die Rechte von Frauen und sexuellen Minderheiten ein. Das hat sie in den Augen einiger auch zu einem Idol des Feminismus gemacht.

Dass Madonna in den vergangenen Jahren vier Waisenkinder aus dem südostafrikanischen Malawi adoptierte und dort Hilfsprojekte für Kinder unterstützt, brachte ihr auch negative Schlagzeilen ein. Dies sei eine „PR-Nummer“, der reiche Popstar wolle sich nur Liebe und Anerkennung kaufen, kritisierten Medien.

 

Spendenaktion zum 60. Geburtstag

 

„Meine Mutter starb, als ich klein war“, versicherte Madonna im Gespräch mit Waisen in Malawi, „deshalb möchte ich die Mutter sein, die ich nie hatte.“ Anlässlich ihres 60. Geburtstages organisiert sie eine Online-Spendenaktion für Kinder-Hilfsprojekte in Malawi.

Zuletzt mischte sich Madonna in die „Me-Too“-Debatte um sexuelle Übergriffe auf Frauen ein. Während ihrer ganzen Karriere habe sie gegen sexuelle Nötigung angekämpft, twitterte sie, als Hollywood-Schauspielerinnen und Aktivistinnen im Januar die Initiative „Time's up“ („Die Zeit ist reif“) gründeten: „Ich habe das schon seit Jahren gesagt! Endlich etwas Solidarität.“

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