Diskussion um Mahn- und Denkmal in Dorsten

Tisa von der Schulenburgs Brunnen erhitzt die Gemüter

Ein Kunstwerk der Künstlerin und Ordensfrau Tisa von der Schulenburg ist aus der Innenstadt von Dorsten entfernt geworden. Was aus dem Kunstwerk wird, beschäftigt viele Dorstener.

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Wegen der Pflasterung des Marktplatzes in der Dorstener Innenstadt ist das als „Tisa-Brunnen“ bekannte Mahn- und Denkmal Anfang des Jahres entfernt worden. Geschaffen hatte es Dorstens Ehrenbürgerin Tisa von der Schulenburg (1903-2001), eine weit bekannte Künstlerin und Ordensfrau. Von der Schulenburg, in der Nachkriegszeit zum katholischen Glauben konvertiert, trat 1950 in das Ursulinenkloster in Dorsten ein und nahm den Namen Schwester Paula an.

Den Brunnen entwarf die Ursulinin 1962. Die Reliefplatten aus Beton vermitteln die Geschichte der Stadt in Bildern und Schrift. Der Brunnen wurde aber auch zu einem Mahn- und Denkmal, weil er zu den ersten Kunstwerken gehörte, die im frühen Nachkriegsdeutschland an die Toten und der Verfolgten der Nazi-Diktatur im öffentlichen Raum erinnert hat.

 

Erinnerung an die Opfer des Krieges und der Diktatur

 

Auf einer Reliefplatte, die wie die anderen Reliefs aufgrund des verwitterten Betons kaum noch lesbar ist, heißt es: „Die den Greuel der Verwüstung überlebten, schlugen an ihre Brust, widersagten für alle Zukunft der Überhebung und Gewalttat, bekannten sich zu einem armen und bußfertigen Leben und erflehten für sich, ihr Volk und die Menschheit die Gnade der Umkehr und des Friedens. H. Spaemann - Zweiter Weltkrieg gefallen und gestorben: 870 Soldaten. Im Lazarett und Luftangriff 204 ausw. Soldaten. Vermißt 667 Soldaten, 79 Zivilisten. Es wurden vertrieben 45 jüd. Bürger der Stadt. Gest. 634 engl. Gefangene und Zivilisten. 614 Russen.“

Zu Beginn der Neugestaltung des Marktplatzes gab es die Meinung aus Politik und Verwaltung, den Brunnen nicht als Gesamtkunstwerk zu betrachten und ihn daher auseinander zu nehmen. Der Abbau des Brunnens schließlich hatte zu vielen Diskussionen geführt, ob und in welcher Form Tisas Brunnen als Replik wieder aufgebaut werden sollte und wie hoch der finanzielle Aufwand der Stadt für einen Wiederaufbau des Kunstwerks sein dürfe.

 

Stadtrat sichert Bürgerbeteiligung zu

 

Die Wucht der Diskussionen im Stadtleben führte schließlich am 24. Juni 2020 zu einem einstimmigen Beschluss des Rates der Stadt Dorsten, in dem es heißt: „Die von Tisa von der Schulenburg für den Brunnen am Markt geschaffenen Originalkunstwerke (Reliefplatten) werden aufgrund der massiven Schädigungen der vergangenen sechs Jahrzehnte, zum Beispiel durch Witterungseinflüsse, dauerhaft gesichert und in angemessener Weise der Öffentlichkeit als lesbare und mahnende Stadtgeschichte, zum Beispiel in Form eines Wandfries, zugänglich gemacht. Der Prozess der Sicherung der Reliefplatten soll in würdiger Form durch die Bürgerschaft begleitet und thematisiert werden.“

In diesem Sinn kündigte Bürgermeister Tobias Stockhoff (CDU) eine öffentliche Bürgerbeteiligung und Befragung an, um die Wogen weiter zu glätten. Einen Vorschlag machte bereits der Vorstand des Vereins für Bergbau-, Industrie- und Sozialgeschichte Dorsten.

 

Persönliche Stellungnahme des Bürgermeisters

 

In einem Schreiben an die Stadtverwaltung und den Bürgermeister rät der Bergbauverein: „Natürlich muss ein Nachfolgebrunnen installiert werden, aber sicher kein Brunnen, der als eine Art Collage verschiedene Arbeiten von Schwester Paula spiegeln würde, sondern ein Nachfolge-Brunnen als Replik dessen, was von Schwester Paula vor knapp 60 Jahren auf den Markt gesetzt wurde. Replik muss nicht 1:1 Nachbau mit Beton oder Zement bedeuten, Replik kann auch bedeuten, von den gesicherten Reliefplatten Bronzen machen zu lassen.“

In einem persönlichen Fazit zur Kontroverse sagte Stockhoff: „Bei der Zukunft des Tisa-Brunnens auf dem Marktplatz würde uns als Stadt eine gewisse sachliche Nüchternheit beim aktuellen katastrophalen baulichen Zustand des Kunstwerks, mehr Selbstkritik bei unserer bisherigen Wahrnehmung des Brunnens, ein gewisser Pragmatismus in der künstlerischen Bewertung von einem Replikat und etwas mehr inneres Brennen für unsere Stadtgeschichte und unsere Ehrenbürgerin weiterhelfen.“

 

Orden: Tisa hätte gelitten

 

Über die Diskussion sagt die Ursulinenschwester Barbara Austermann, die den Nachlass von Tisa von der Schulenburg verwaltet: „Der Brunnen war ein Geschenk Tisas an die Stadt Dorsten. Deshalb können und möchten wir vom Konvent nichts zu den Diskussionen sagen. Wer Tisa beziehungsweise Schwester Paula gekannt hat, weiß aber, wie sehr sie gelitten hätte, wenn ein Kunstwerk von ihr zerstört worden wäre.“

Dass die Kunst der Ordensfrau in Dorsten sehr geschätzt wird, weiß Lambert Lütkenhorst, der Vorsitzende der Tisa-von-der-Schulenburg-Stiftung: „Tisa hat mit ihrem Leben und mit ihrer Kunst Steine weggeräumt: in den Köpfen der Menschen Steine der Ignoranz, des Nichtverstehens, der Intoleranz, der Mutlosigkeit. Damit sie nicht zu Wurfgeschossen werden. Und so ist Schönes entstanden.“

 

Neuer Bildstock zeigt Tisa-Kunstwerk

 

Unterdessen ist ein andere Glaubenszeichen von Schwester Paula in den öffentlichen Raum zurückgekehrt. Die Initiative Ideenfabrik Stadtsfeld in diesem Dorstener Stadtteil hat die Schutzmantelmadonna aus der 2016 profanierten St.-Johannes-Kirche in einem Bildstock neu zugänglich gemacht. Das Bronzerelief wurde 1984 gegossen. „Am Rossiniweg im Stadtsfeld in Nähe zum langjährigen Standort in St. Johannes bekommt die Schutzmantelmadonna einen dauerhaften Platz“, sagt Gerhard Jendrzey von der Ideenfabrik.

Eine Nachbarschaftsinitiative wird sich um die Pflege der Anlage kümmern. „Es war ein langer Weg von der Idee bis zur Realisierung. Und der Weg ist noch nicht zu Ende, denn jetzt geht es darum, diesen Platz als Ort der Begegnung und Besinnung mit Leben zu erfüllen. Nur dann haben wir unser Ziel erreicht“, sagt Jendrzey.

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