Forderung mit „Beichtmobil“ nach Veröffentlichung von Münchner Missbrauchs-Gutachten

Maria 2.0 will Schuldeingeständnis von Kölner Bistumsspitze

  • Im Erzbistum Köln sorgt ein zurückgehaltenes Missbrauchsgutachten seit Wochen für Wirbel.
  • Die Initiative Maria 2.0 protestiert per „Beichtmobil“ und fordert Schuldeingeständnisse der Bistumsspitze.
  • „Es ist für uns unerträglich, dass keine Verantwortung übernommen wird“, sagt die Kölner Theologin Maria Mesrian.

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„Raus mit der Akte“ steht in großen Lettern auf einem silbernen VW-Bus vor dem Kölner Dom. Mit diesen Worten fordert die Initiative Maria 2.0 im Rheinland - ein Zusammenschluss reformorientierter katholischer Frauen - die Veröffentlichung eines anwaltlichen Gutachtens, das das Erzbistum Köln seit Wochen beschäftigt. „Falsche Fassaden“ prangt auf einem Transparent, das eine der rund ein Dutzend Protestteilnehmerinnen in die Höhe hält. Auf ihre Alltagsmaske hat sie „Mund auf“ geschrieben.

Mit dem silbernen „Beichtmobil“ fordern die „Beichtmütter“ von Maria 2.0 die Kölner Bistumsspitze auf, persönliche Schuld im Umgang mit möglichen Missbrauchsfällen einzugestehen. „Wir schämen uns für diese Kirche“, sagt die Engagierte Maria Mesrian der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Und: „Für uns sind die Gründe nicht nachvollziehbar, warum dieses Gutachten nicht veröffentlicht wird.“

 

Der Hintergrund

 

Mit „diesem Gutachten“ ist ein Papier der Münchner Anwaltskanzlei Westpfahl Spilker Wastl (WSW) gemeint. Die hatte Ende 2018 vom Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki den Auftrag erhalten, zu untersuchen, wie Verantwortliche im Erzbistum Köln in der Vergangenheit mit Missbrauchsfällen umgegangen sind. Ausdrücklich wollte Woelki Namen genannt wissen. Daraus wurde bislang nichts. Die für März angesetzte Veröffentlichung des Gutachtens wurde zunächst wegen äußerungsrechtlicher Bedenken verschoben.

Am 30. Oktober sagte das Erzbistum die Herausgabe nun ganz ab. Das Gutachten leide unter massiven handwerklichen Mängeln, hieß es. Kardinal Woelki berief sich dabei auf die Einschätzung des Kölner Strafrechtsexperten Björn Gercke und weiterer Juristen. WSW wies die Kritik zurück; die Untersuchung könne jederzeit veröffentlicht werden.

 

„Unerträglich, dass keine Verantwortung übernommen wird“

 

Die protestierenden „Beichtmütter“ vor dem Kölner Dom können Woelkis Argumente nicht nachvollziehen. Das Erzbistum sei mit dem Design der Untersuchung doch einverstanden gewesen, argumentiert Mesrian. Der Bericht zeigt ihrer Ansicht nach, wie Taten vertuscht und Täter geschützt worden seien. „Es ist für uns unerträglich, dass keine Verantwortung übernommen wird.“ Schuld einzugestehen sei wichtig, um wieder Glaubwürdigkeit für die Kirche herzustellen. Dafür brauche es eigentlich gar kein Gutachten, findet die Diplom-Theologin.

Der Plan des Erzbistums, Verantwortliche per Untersuchung zu benennen, steht indes immer noch im Raum. So ist Gercke mit einem neuen Gutachten beauftragt worden, das bis zum 18. März 2021 öffentlich vorliegen soll. Sein Papier werde für das Erzbistum ungemütlich werden, kündigte Gercke an. Woelki betonte: „Ich erwarte keine Schonung - im Gegenteil.“

 

„Theater und viel Geld“

 

Diese Aussichten vermögen die Frauen von Maria 2.0 kaum zu beruhigen. „Ich habe das Gefühl, es geht nur darum, die Täter zu schützen“, sagt die Protest-Teilnehmerin Bernadette Rüggeberg. „Das merkt man an dem Theater und an dem vielen Geld, das da ausgegeben wird, für die eine Studie, für die nächste Studie.“

Unterdessen legt eine Mit-Protestierende eine Unterschriftenliste mit der Forderung nach Veröffentlichung des Gutachtens aus. Passanten können sich darin eintragen. Die sind an diesem Nachmittag allerdings rar - wie vermutlich in allen deutschen Innenstädten während der Corona-Krise.

 

„Beichtmobil“ vor dem Bischofshaus

 

Schließlich bleibt eine Fußgängerin mit gepunkteter Maske stehen. Auf die Aktion angesprochen, meint sie knapp „Ich halte nichts vom Beichten“ und wendet sich zum Gehen. Als ihr erklärt wird, dass es sich nicht um ein „Beichtmobil“ für Passanten, sondern für die Kölner Bistumsspitze handelt, findet sie die Aktion doch gut. Von der Kirche würde sie sich eine viel umfassendere Aufarbeitung von Missbrauch wünschen, sagt sie. Sexuelle Übergriffe gebe es zwar auch in anderen Organisationen. „Aber in der Kirche ist es besonders beschämend.“

Mit ihrem VW-Bus wollen die „Beichtmütter“ von Maria 2.0 am Wochenende vor dem Kölner Bischofshaus stehen. Ob ein Geistlicher das Gespräch mit der Gruppe suchen wird, ist fraglich. Auf KNA-Anfrage teilte das Erzbistum mit: „Wir haben die Ankündigung der Veranstaltung zur Kenntnis genommen.“

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