24-jähriger Student engagiert sich an vielen Stellen

Martin Licher: Ein halbes Dutzend Jobs in „Maria Frieden“ in Lienen

Martin Licher (24) setzt sich in seinem Heimatdorf Lienen stark für die Kirchengemeinde ein. Ein Ergebnis: Die Zahl der Messdiener hat sich in den letzten zehn Jahren verdoppelt.

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Muss einer, der im „Kibben Himmel“ wohnt, zwangsläufig irgendetwas mit Kirche zu tun haben? Natürlich nicht, aber bei Martin Licher ist es so. Mit seinen Eltern, einem älteren Bruder und einer jüngeren Schwester wohnt der 24-Jährige im östlichsten Zipfel des westfälischen Teils des Bistum Münster in einer Ecke mit eben jenem „himmlischen“ Namen. Die Landesgrenze ist nicht weit, „aber spürbar“, meint Martin Licher. Das Leben spielt sich eher im Dorf ab. Ins nahegelegene Bad Iburg oder Glandorf führen Martin Lichers Wege selten.

Als Student fühlt er sich eher in größeren Städten wohl, ein bisschen Münster, ein bisschen Osnabrück, aber am liebsten Lienen: Zuhause zu wohnen findet der junge Mann nicht schlimm: „Das Haus ist ja groß genug, hier kann man sich aus auch dem Weg gehen“, meint er und schmunzelt.

 

Die ganze Familie im Einsatz

 

Die Eckbank in der gemütlichen Küche im warmen Kiefernholzambiente ist lang genug für die Großfamilie und viele Besucher. Die mit Postkarten und Einladungen üppig bestückte Pinnwand zeigt: Hier leben gesellige Menschen. Vor allem die vielen DIN-A-4-Papiere mit den darauf gedruckten Exceltabellen fallen auf: „Mehr Dienstpläne hängen in der Kirche auch nicht“, meint Martin mit einem Lachen.

Also muss es wohl so sein, dass ohne Familie Licher in Lienen nicht viel geht, zumindest was den Kirchenbetrieb rund um „Maria Frieden“ betrifft: Lukas Licher kümmert sich um die Einteilung der Messdienerhelfer, Lea ist bei den Lektoren, Mutter Christa kümmert sich um den Blumenschmuck in der Kirche, Martin leitet seit 2016 eine Messdienergruppe und ist im Bauausschuss.

 

Die Kirche im Dorf

 

Und Vater Hermann-Josef? „Ach, der betet“, schmunzelt Martin: „Wenn Fronleichnam vor der Tür steht und nicht gerade Corona ist, dann hat er seine Truppe am Start, mit der die Altarbühne aufgebaut wird.“ Ansonsten hat sein Vater in seinem Job als Grundschullehrer viel zu tun, während seine Mutter Haus und Hof mit dem üppigen Gemüsegarten managed: „Erdbeeren haben wir noch nie gekauft“, meint Martin und zeigt mit dem Arm über die vielen Reihen, alle profimäßig auf Stroh angelegt und unter Netzten vor Vogelfraß geschützt.

Onkel Martin ist der Beste: Nichte Greta hat Spaß in der Küchenschaukel. Auf der Bank schaut Lea Licher zu, daneben sitzt Gretas Mutter, Eva Lienkamp. | Foto: Marie-Theres Himstedt
Onkel Martin ist der Beste: Nichte Greta hat Spaß in der Küchenschaukel. Auf der Bank schaut Lea Licher zu, daneben sitzt Gretas Mutter, Eva Lienkamp. | Foto: Marie-Theres Himstedt

Etwa 8.000 Menschen leben in Lienen, 1.200 davon sind katholisch. Während im angrenzenden Kattenvenne die Gottesdienstbesucher in die evangelische Kirche gehen, gibt es in Lienen mit der weiß verputzen, kleinen kompakten „Maria Frieden“ ein eigenes Gotteshaus.

 

Immer mehr Messdiener

 

Was zu tun gibt es immer, und so ist der Student mit trockenem Humor im Gemeindeleben aktiv. Seine Vorbilder: Das Ehepaar Agnes und Wolfgang Kaufmann, die seit Jahrzehnten das alle zwei Jahre stattfindende ökumenische Ferienlager ausrichten. Auch kümmern sich die beiden intensiv um den Messdiener-Nachwuchs.

Mit von der Partie ist auch häufig „Hami“, wie Pater Hans-Michael Hürter aus Ladbergen hier genannt wird. 35 bis 40 Kinder sind momentan dabei, worauf Martin Licher richtig stolz ist. „Wir sind ganz schön gewachsen!“

 

Es ist eine Menge los

 

Beziehungen seien das A und O, findet der 24-Jährige. So war es für die kleine Lienener Gemeinde sicher auch vom Vorteil, dass mehr als 20 Jahre Pastoralreferent Norbert Brockmann quasi neben der Kirche wohnte. „Wenn man Jugendarbeit ernst nimmt, muss sie so gestaltet sein, dass die Kinder direkt nach der Erstkommunion weiter angesprochen fühlen“, meint Martin Licher.

Dafür haben seine Mitstreiter und er sicherlich Talent: Auf den Social Media Kanälen und in der Tageszeitung  informieren sie über die Messdiener-Aktionen. Neben dem liturgischen Dienst am Altar veranstalten sie Kirchencafés, Adventsbasare und Ausflüge in einen Freizeitpark oder kochen zusammen.

 

Film, Musik und Foto im Einsatz

 

Außerdem setzten sie Film, Musik und Fotos gekonnt ein. 2018 gewann ein Film der Gruppenleiter beim Katholikentag in Münster einen Preis. Zum Jahresthema „Einsamkeit“, dem sich die Pfarrei Seliger Niels Stensen Lengerich 2019 verschrieben hatte, gestalteten die älteren Jugendlichen eine Fotostory im Pfarrmagazin.

Durch Corona sind ähnliche Aktionen gefährdet: „Das verstehe ich auch und ich bin auch dafür, die Risikogruppe zu schützen. Für die Kinder ist es trotzdem schade. Und nur telefonieren oder chatten reicht einfach nicht, um eben solche Beziehungen aufrecht zu erhalten“, findet Martin Licher deutliche Worte. Die Firmlinge allerdings hätten sich trotzdem für ein digitales Angebot entschieden, „wohl auch, weil sie nicht absehen können, wo sie schulisch oder beruflich nächstes Jahr stehen“, vermutet Martin Licher, der seit 2014 auch Firmkatechet ist.

 

Jugendgottesdienst mit Krimi-Thema

 

Ein wichtiger Teil der Jugendarbeit sind die ansprechenden Jugendgottesdienste, die die Gruppe alle Vierteljahre auf die Beine stellt. Mit dabei: Martin Licher in der Band „Aufbruch“. Er spielt Gitarre. Besonders legendär: Der „Ostermontagstatort aus dem Münsterland“ im Jahr 2017: „Da lief die original Titelmelodie, wie man sie aus dem Krimi im Fernsehen kennt“, berichtet Martin Licher und bricht das Gespräch ab um seine ältere Schwester zu begrüßen.

Gerade kommt Eva Lienkamp mit ihrer Tochter Greta in die Küche. Da findet das Interview erst einmal ein Ende, denn die Dreijährige krabbelt direkt zu Martin auf die Küchenbank, auf der Lea Licher ebenfalls Platz genommen hat. Mutter Christas Streuselkuchen duftet, aber „Onkel Martin“ ist viel interessanter und prompt zieht Greta einen Kasten mit Theaterpuppen hervor. „Das ist das Tolle hier, es ist immer jemand da zum Spielen“, meint Martin, und lässt die Puppen tanzen, während sich Eva an den „Tatort-Gottesdienst“ erinnert: „Den wollte ich unbedingt besuchen“, sagt sie, „da war Greta auch schon mit, gerade mal zwei Wochen alt.“

Die Kirche Maria Frieden in Lienen ist fast fertig renoviert. Die Einweihungsfeier mit Weihbischof Christoph Hegge im Juni wird verschoben. | Foto: Marie-Theres HimstedtDie Kirche Maria Frieden in Lienen ist fast fertig renoviert. Die Einweihungsfeier mit Weihbischof Christoph Hegge im Juni wird verschoben. | Foto: Marie-Theres Himstedt

Die Familie geht im Gemeindeleben auf. Es war schon immer so, dass jeder eine Aufgabe übernommen hat. Der Onkel seines Vaters war der erste Pferrer in Lienen.

 

Großonkel war erster Pfarrer

 

Von 1946 bis 1961 habe Pastor Franz Garske „die junge Gemeinde entscheidend mitgeformt und durch den Kirchbau dazu beigetragen, dass viele Flüchtlinge oder Heimatvertriebene in Lienen im christlichen Sinne ein neues Zuhause gefunden haben“, heißt es in der Chronik.  Aus dieser Sicht ist auch wohl der Name der Kirche „Maria Frieden“ zu verstehen.

Dann kann es ja kein Zufall sein, dass ausgerechnet sein Großneffe jetzt im Bauausschuss zu eben jener Kirche sitzt? „Ach, den Großonkel kannte ich gar nicht“, winkt Martin ab, aber in den Bauausschuss musste er unbedingt.

 

Für einen Raum gekämpft

 

„Bisher hatten wir Messdiener im alten Pfarrheim unsere eigenen Räume.“ In dem Neubau, der direkt der Kirche vorgelagert wird, sollte das erst nicht der Fall sein. Als angehender Ökonom kennt sich Martin Licher mit Zahlen aus, „die Schlüsselzuweisung sah so aus, dass in der Nutzungsfläche von 180 Quadratmetern kein Jugendraum enthalten war“, sagt er.

Die Messdiener, allen voran Martin Licher, blieben hartnäckig. Ein Brief ging an Weihbischof Christoph Hegge, der sich bereits 2017 bei der Firmung in dem kleinen Ort von der gut aufgestellten Jugendarbeit überzeugen konnte. Die Feier zur Segnung der renovierten Kirche, des neuen Pfarrsaals und natürlich des neuen Jugendraums wurde verschoben.

 

Student in Osnabrück

 

Einen Grund für seine „Faszination Kirche“ kann Martin Licher nicht unbedingt benennen. Kam sein Engagement zwangsläufig, aus der Not heraus, weil es „auf dem Land“ nichts Anderes gibt? Das bestreitet Martin Licher entschieden: „Wir wohnen vom Schwimmbad genauso weit entfernt wie von der Kirche.“ Das Wasserbecken war ebenfalls für ihn und seine Geschwister wie ein zweites Zuhause. Aber irgendwann wurde ihm der Sport zu viel, zumal er auch noch Fußball spielt und im Öffentlichkeitsausschuss der Kirchengemeinde aktiv ist.

Wohin werden seine Wege führen, wenn Martin Licher jetzt sein Studium beendet? Die Schilder vor seinem Elternhaus zeigen Reiseziele aus der Familie. | Foto: Marie-Theres Himstedt
Wohin werden seine Wege führen, wenn Martin Licher jetzt sein Studium beendet? Die Schilder vor seinem Elternhaus zeigen Reiseziele aus der Familie. | Foto: Marie-Theres Himstedt

Auf dem Weg ins Dorf muss Martin Licher alle paar Meter die Hand zum Gruß erheben. Er jobbt neben seiner Bachelorarbeit an der Hochschule Osnabrück mit den Schwerpunkten Öffentliches Management und Controlling im hiesigen Raiffeisenmarkt: „Da kommen schon so ein paar Kontakte zusammen“, meint er und lacht.

 

Werte sind ihm wichtig

 

Kontakte, die er vielleicht bald hinter sich lässt. Gerade hat er in einem dreimonatiges Praktikum die Arbeit der Diakonie in Gütersloh kennen gelernt. Wohin es nach seinem Abschluss geht? „Dahin, wo ich einen guten Job finde, indem ich gestalten und mich einbringen kann.“

Kann Kirche und Glaube da auch ein Hindernis sein? Martin Licher schüttelt den Kopf. Allerdings habe er schon festgestellt, dass es ihm wichtig sei, wenn in einer Beziehung die Partner gleiche Werte vertreten: „Das bedeutet mir was.“

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