Interview mit dem Würzburger Liturgiewissenschaftler über ein aufwendiges Projekt

30-Minuten-Film über Hochgebet der Messe - wozu, Professor Stuflesser?

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Immer weniger Menschen gehen zur Kirche, wegen Priestermangels gibt es immer weniger Messfeiern. Martin Stuflesser, Liturgie-Professor in Würzburg, hat dennoch ein 30-Minuten-Video zum Hochgebet der Messe produziert. Warum? Für wen? Antworten im Kirche+Leben-Interview.

Herr Stuflesser, ein halbstündiger Film über das Hochgebet in der heiligen Messe - warum?

Am Rand der Passionsspiele von Oberammergau habe ich den Jesuiten Christof Wolf kennengelernt, der Dramaturg, Dokumentarfilmer und Produzent beim ordenseigenen Medienunternehmen Loyola Productions ist. Wir unterhielten uns über die Inszenierung, über die Möglichkeit filmischer Darstellung und kamen auf den Gedanken, dass es über Liturgie eigentlich nichts Derartiges gibt. Es wird zwar immer wieder betont, wie wichtig die Eucharistie ist, und doch bleibt sie offenbar vielen Menschen in ihrer tiefen Bedeutung verschlossen. Etwas zugespitzt formuliert: In dem Moment, in dem der Priester mit dem Hochgebet beginnt und die Gemeinde das Sanctus gesungen hat, fällt sie in einen gewissen Dämmerschlaf, kurz unterbrochen vom Glöckchenläuten bei der Wandlung. Es lohnt sich also, haben wir gesagt, dazu einen Film zu machen.

Wer soll den Film sehen, an wen wendet sich dieser Film?

Im Prinzip soll ihn jeder sehen, der sich für Liturgie interessiert. Wir haben keine explizite Zielgruppe definiert. Wir wollten ausprobieren, wie man das Medium Film für das Thema Liturgie nutzen kann. Wenn man den Film sieht, wird man hoffentlich merken: Die Bildsprache ist mindestens so wichtig wie das, was darin erklärt wird.

Wie soll der Film zu den Leuten kommen?

Der Film ist auf Youtube anzuschauen, und die Klickzahlen zeigen schon jetzt, dass er sein Publikum findet. Nach 24 Stunden hatten wir fast 2.000 Klicks, das ist enorm für einen solchen Sachfilm. Natürlich haben wir uns auch an die Liturgiereferate der Bistümer gewandt, denn der Film könnte sich etwa für Fortbildungen von Kommunionhelferinnen und Kommunionhelfern eignen, auch für den Religionsunterricht in der Oberstufe, aber auch für Liturgieausschüsse in den Gemeinden …

Einen solchen Film in der starken Bild-Ästhetik, mit Kamerafahrten, Dreharbeiten während einer Messe mit Ihnen als Zelebrant zu produzieren, ist eine ziemlich aufwendige Sache. Nun übernehmen Sie zwar auch die Aufgaben als Produzent, Autor und Sprecher, aber: Wer finanziert das Werk?

Das hat zunächst Loyola-Productions vorfinanziert, weil wir nicht für eine mögliche Filmreihe über Liturgie Werbung machen können, ohne möglichen Sponsoren genau zu zeigen, wie das aussehen könnte. Wir hoffen auf Unterstützer, denn in der Tat ist das ein teures Projekt: Wir haben eine Woche lang mit Kameramann, Tontechniker, Lichttechniker, Produktionsassistentin und Produzent gedreht, brauchten ein halbes Jahr für die Nachbearbeitung, die Musikimpressionen sind von einem Saxophonisten in München eigens aufgenommen worden. Das hat alles seinen Preis.

Ein Zitat aus dem Film: „Es geht immer um das Große Ganze, den großen Spannungsbogen des Handelns Gottes in Jesus Christus zu unserem Heil, das österliche Geheimnis, das Pascha-Mysterium.“ Sie verwenden bei allem Erklärwillen eine sehr liturgische, eine sehr theologische, binnenkirchliche Sprache. Warum?

Ich bin der ganz altmodischen Meinung, dass wir wissen müssen, was wir in der Liturgie feiern. Es war ein Irrtum, nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil zu glauben, man könne allein wegen der Gottesdienste auf Deutsch auch die tieferen theologischen Dimensionen automatisch verstehen. So einfach sind die Dinge aber nicht. Christentum hat viel auch mit Glaubenswissen zu tun, und das muss auf verschiedenen Kanälen unterschiedlich kommuniziert werden. Wenn ich ein 20-sekündiges Tiktok-Video über das Paschamysterium produziere – auch das machen wir an meinem Lehrstuhl –, würde ich sicherlich ganz anders sprechen. Aber hier geht es um einen längeren, ruhigen Film, der auf Youtube ja jederzeit angehalten, zurückgespult, vertieft werden kann. 

Immer weniger Gläubige feiern Gottesdienste mit. Wie kann es gelingen, dass wieder mehr Menschen die Messfeier als Höhepunkt und Quelle entdecken?

„Die beste Katechese ist eine gut gefeierte Liturgie.“ So hat es mein Münsteraner Doktorvater Klemens Richter immer gesagt und damit eine italienische Bischofssynode in den 1980er Jahre zitiert. Wir müssen durchaus etwas am Qualitätsmanagement unserer liturgischen Feiern arbeiten. Das hat sicherlich auch mit den konkreten Situationen der Pastoral zu tun: Können Leute überhaupt noch Zugang haben zu dieser Liturgie? Wann finden Gottesdienste statt? Gibt es genug Zeit und Energie auch bei den Seelsorgerinnen und Seelsorgern, um sie gut vorzubereiten und ihnen vorzustehen? 

Sie selber sind Priester. Wie ist Ihre Erfahrung?

Ich bin zweifelsohne in einer sehr privilegierten Situation: Wir feiern immer sonntags um 17.30 Uhr Eucharistie, lassen uns dabei Zeit, feiern eine entfaltete Liturgie, die auch mal 70 Minuten dauert, legen Wert auf gute Kirchenmusik, haben einen ausführlichen Weihrauchritus bei den Fürbitten – und es kommen jedes Mal mehr Menschen. Aber noch einmal, darüber hinaus: Es ist wichtig, Liturgie zu erklären – und zwar auf allen Ebenen. Über Bücher hinaus sind Videos eine Möglichkeit, aber auch Social Media. Da sind gewisse Gruppierungen unserer Kirche sehr präsent, und ich frage mich, warum es nicht gelingt, Akzente zu setzen, die eher auf der Linie des Zweiten Vatikanischen Konzil liegen. Ich bin sicher, das hilft, damit Menschen wieder mehr zum Gottesdienst gehen. Wir machen die Erfahrung, dass das so gelingt.

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