Zum Deutschen Hospiztag am 14. Oktober

Mehr als nur zuhören - wie der Hospizdienst Hamm Sterbende begleitet

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Sterben gilt vielerorts noch als Tabuthema. Hospize leisten einen wichtigen Beitrag dafür, dass schwerstkranke Menschen und ihre Angehörigen würdevoll begleitet werden. Zum Deutschen Hospiztag am 14. Oktober blicken wir hinter die Kulissen des Ambulanten Hospizdienstes in Hamm.

„Dasein und zuhören.“ Auf diesen ebenso einfachen Nenner bringt Hannelore Brennecke ihre ehrenamtliche Tätigkeit als Sterbe- und Trauerbegleiterin. Seit zehn Jahren unterstützt die 71-Jährige für den Ambulanten Hospiz- und Palliativberatungsdienst Hamm Schwerstkranke und Sterbende in ihrer letzten Lebenszeit sowie deren Angehörige. Mehr als 20 Menschen hat sie in dieser Zeit begleitet und damit wie sie sagt „ihr eigenes Leben bereichert.“

Bis zum Jahr 2012 stand Hannelore Brennecke noch hinter der Theke der Gaststätte „Zum Stefan“, eines Familienbetriebes in Hamm. Als „großes Glück“ beschreibt die Seniorin, dass sie ihre Eltern bis zum Tod begleiten konnte. Ihr Vater starb mit 89 und ihre Mutter mit 99 Jahren. Noch heute bedauert sie, dass sie ihrem Vater die eine Nacht im Krankenhaus zum Sterben nicht erspart hat.

Sterben als Teil des Lebens begreifen

St.-Annen-Kapelle und Christliches Hospiz Hamm.
Die unter Denkmalschutz stehende St.-Annen-Kapelle und das Christliche Hospiz Hamm. Die Heilige Anna ist unter anderem Patronin der Kranken und Armen. | Foto: Maria Kessing

Ihre Mutter habe mit 99 Jahren entschieden, nicht mehr zu essen und zu trinken. Für Ina Kasten Kisling, Koordinatorin für den Ambulanten Hospizdienst mit Sitz Am roten Läppchen in Hamm-Heessen, ist das nichts Ungewöhnliches: „Es gibt Menschen, die lebenssatt sind.“

Als ihre Mutter im Sterben lag, erfuhr Hannelore Brennecke erstmals, wie segensreich eine Unterstützung durch den Hospizdienst ist, denn die meisten Menschen möchten ihre letzte Lebensphase in vertrauter Umgebung verbringen und von lieben Menschen umsorgt werden. Die Ehrenamtlichen helfen aber auch dabei, dass Sterbende und ihre Angehörigen den Tod wieder als einen Teil des Lebens begreifen. Denn immer noch gehört der Tod zu den größten Tabuthemen.

Von der Hospiz-Idee überzeugt

Hannelore Brennecke war vor ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit schon lange Mitglied in dem im Dezember 1999 gegründeten christlichen Hospiz-Förderverein in Hamm mit aktuell 1200 Mitgliedern, weil sie bei dem ersten Vorsitzenden, Dechant Heinz Booms, Religionsunterricht gehabt hatte und von der „Kraft einer Idee“ – so das Motto – überzeugt war und ist.

Nach der Aufgabe der Gaststätte suchte die damals 61-Jährige eine sinnvolle Aufgabe und entschloss sich zur Teilnahme an einem Kursus für ehrenamtliche Hospizbegleiter. „Dazu braucht es kein Abitur und auch keines Studiums“, sagt Koordinatorin Kasten Kisling, der zurzeit 93 Ehrenamtliche zur Verfügung stehen, die jährlich 150 bis 200 Menschen begleiten.

Angehörige sollen unterstützt werden

Hannelore Brennecke (l.) und Ina Kasten Kisling
Hannelore Brennecke (l.) und Ina Kasten Kisling unterstützen Menschen, die ihre letzte Lebenszeit möglichst selbstbestimmt in vertrauter Umgebung verbringen möchten. | Foto: Maria Kessing

„Es sind ganz unterschiedliche Menschen, die unsere Hilfe in Anspruch nehmen.“ Leider gebe es auch viele junge Familien, in denen jemand schwer erkranke. Bei der Auswahl der Ehrenamtlichen für eine Begleitung nimmt die Koordinatorin Rücksicht auf deren Wünsche. Hannelore Brennecke möchte sich nur um Menschen ihres Alters kümmern. Jüngere, darunter auch Erzieher, werden dagegen in Familien mit Kindern eingesetzt.

Ziel sei es nicht unbedingt (obwohl das bei Alleinstehenden auch vorkommt), die Hand der Sterbenden zu halten, sondern die Angehörigen zu unterstützen, dass sie die Situation aushalten und jemanden haben, der zuhört, egal worüber er sprechen möchte. „Wir können mitfühlen, müssen aber nicht mitleiden“, betont die gelernte Krankenschwester. „Wir kommen als Außenstehende und haben einen anderen Blick.“ Die Begleitung dauert manchmal nur ein paar Tage, kann sich aber auch über Jahre hinziehen. So wie bei einem Mann aus Ahlen, dem Hannelore Brennecke drei Jahre zur Seite gestanden hat. Jede Woche dienstags vormittags ist sie mit ihm zum Cappuccino-Trinken gefahren. Und auf diesen Ausflug habe sich der an Lungenkrebs Erkrankte immer gefreut, weil er dann auch rauchen konnte, erinnert sie sich.

Auch Begleiter tauschen sich aus

Stein
Hannelore Brennecke mit einem Stein, der zum Abschluss einer Begleitung, in ein Glas gelegt wird. | Foto: Maria Kessing

Leben begleiten bis zuletzt, das heißt auch, ein offenes Ohr für Geschichten aus der Vergangenheit, der Familie und oft auch für Kriegserlebnisse zu haben. Ja und manchmal trifft Hannelore Brennecke auch auf Unstimmigkeiten bei den Angehörigen. „Dann würde ich gerne mal auf den Tisch hauen“, gesteht die Hospiz-Mitarbeiterin, aber sie nehme sich zurück mit dem Hinweis „Vertragt Euch“. Sie staune immer wieder darüber, wie Familien mit einem Schwerstkranken auch über sich hinauswachsen könnten. Bei regelmäßigen Gruppentreffen und Supervisionen können sich die Ehrenamtlichen austauschen und bekommen Hilfe, falls erforderlich.

Denn es passiere auch schon mal, dass man belastende Dinge mit nach Hause nehme. Und trotzdem: „Die Aufgabe ist schön.“ Und sie hat Hannelore Brenneckes Einstellung zum Sterben verändert: „Ich habe keine Angst mehr davor.“ Denn: „Sterben lernen, heißt Leben lernen.“

Rituale wichtig für die Trauerarbeit

„Rituale wie die Beerdigung oder auch das Kaffeetrinken danach sind für die Trauerarbeit sehr wichtig und helfen auch, mit dem Verlust weiterzuleben“, betont Ina Kasten Kisling. Und deshalb gibt es auch ein Ritual für die Ehrenamtlichen des Ambulanten Dienstes, die in gemeinsamer Runde über das Erlebte sprechen und einen Stein in ein Glas legen – quasi als Abschluss für eine Begleitung.

Danach nehmen sie sich je nach Bedarf eine Auszeit, um Kraft zu schöpfen, bis wieder ein Mensch, den (letzten) Tagen mehr Leben geben möchte. „Ich bin dankbar, dass mich das Leben hierhin geführt hat“, sagt Hannelore Brennecke.

Neue Kurse im Hospiz Hamm

Im kommenden Jahr bietet der Ambulante Hospizdienst wieder einen Kursus an, mit dem Frauen und Männer auf ihre Aufgabe als ehrenamtliche Begleiter vorbereitet werden. Für Interessierte gibt es am 22. November ab 18 Uhr einen Informationsabend im Christlichen Hospiz, Dolberger Straße 57, in Hamm-Heessen, zu dem man sich per E-Mail an ambulant(at)hospiz-hamm.de oder telefonisch unter 02381/304400 anmelden kann.

Außerdem finden sogenannte „Letzte Hilfe Kurse“ statt, bei denen in vier Stunden das kleine Einmaleins der Sterbebegleitung vermittelt wird. Der nächste Kursus ist für Januar 2023 geplant. Weitere Informationen auf der Internet-Seite www.hospiz-hamm.de.

Deutscher Hospiztag
Am 14. Oktober 2022 findet der Deutsche Hospiztag statt. Die Hospizeinrichtungen in Deutschland nutzen ihn für vielfältige Veranstaltungen, wie beispielsweise Benefizkonzerte und Gedenkgottesdienste. Der erste deutsche Hospiztag fand am 14. Oktober 2000 auf Initiative des Deutschen Hospiz- und Palliativverbands statt, seitdem wird er jährlich begangen. Hospize sind eine Einrichtung der Sterbebegleitung. Ein Hospiz verfügt meist über wenige Betten und ist ähnlich wie ein kleines Pflegeheim organisiert. Träger dieser Häuser der Sterbebegleitung sind zumeist gemeinnützige Vereine, aber auch Kirchen und gemeinnützige Organisationen und Stiftungen. In Deutschland gab es im Jahr 2007 151 stationäre Hospize, 139 Palliativstationen in Krankenhäusern und 1.450 ambulante Hospizdienste. Das erste Kinderhospiz in Deutschland entstand 1998.

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