Gast-Kommentator Holger Zaborowski vermisst eine Willkommenskultur in Pfarreien

Mehr Gastfreundschaft in Kirchengemeinden, bitte!

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Sind die Kirchengemeinden gastfreundlich? Gast-Kommentator Holger Zaborowski hat wenig ermutigende Erfahrungen gemacht - sagt aber auch, was sich ändern müsste.

Es gibt Gemeinden, die weit in ihr Umfeld hinausstrahlen und viele Menschen anziehen. Aber es gibt auch Gemeinden, die genau das Gegenteil davon sind. Sie sind in Routinen erstarrt, kreisen um sich und zeigen kaum noch Kraft.

Über die Gründe wird heftig gestritten. Debattiert wird, was nun zu tun sei. Neue Formate werden gefordert. Andere Musik. Bessere Predigten. Veränderte Leitungsstrukturen. Das ist gut und richtig. Doch könnte der Grund für die Krise des kirchlichen Lebens auch auf einer anderen Ebene liegen.

Seltene Besucher und Gäste werden nicht gesehen

Der Autor
Holger Zaborowski ist Professor für Philosophie an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Erfurt. Er wurde in Rees-Haldern geboren und wuchs in Bocholt auf.

Wenn man viel unterwegs und daher in verschiedenen Kirchen zu Besuch ist, macht man nämlich oft eine traurige Erfahrung. Zumeist wird man als Gast gar nicht wahrgenommen.

Und das geht vielen anderen oft auch so: denen, die unregelmäßig kommen, denen, die wenig vom Glauben wissen, neugierig sind und einmal einen Gottesdienst besuchen, denen, die nach langer Zeit einmal wieder in die Kirche gehen.

Bekannte unter sich

Manchmal wünschen sich Priester und Gemeinde noch einen schönen Sonntag. Das ist es aber auch. Häufig stehen dann nach dem Gottesdienst kleinere Grüppchen zusammen. Menschen, die sich schon kennen und unter sich bleiben. Das ist menschlich, allzu menschlich.

Doch stellt das Evangelium diese Form der „Menschlichkeit“ nicht gerade infrage? Verlangt Jesus in seinen Worten und seinen Taten nicht andere Beziehungen unter Menschen? Zeigt die Feier der Eucharistie nicht die Möglichkeit eines anderen Zusammenlebens? Eines Lebens der Wahrnehmung und Anerkennung anderer Menschen in ihrer Freude und Not, in ihrer Trauer und ihrer Hoffnung? Eines Lebens der Gastfreundschaft?

Begrüßungsdienst und Kirchenkaffee

Man muss wenig an äußeren Strukturen, aber viel an inneren Einstellungen ändern, um ein solches Leben zu verwirklichen. Kleine Gesten können einen großen Unterschied machen.

In manchen Gemeinden gibt es schon jetzt nicht nur ehrenamtliche Lektoren, sondern auch „Begrüßer“ – Gemeindemitglieder, die alle Menschen, die zum Gottesdienst in die Kirche kommen, willkommen heißen. Oder man trifft sich zu einem Kaffee nach dem Gottesdienst. „Schön, dass sie da sind“, hört man dann. „Woher kommen Sie denn?“

Was haben wir denn zu verlieren?

Sofort ist die Atmosphäre eine ganz andere, und zwar für alle, die kommen. Nähe entsteht. Fremde können zu Bekannten und Freunden werden.

Warum also wagen wir nicht mehr Gastfreundschaft? Wovor haben wir Angst? Und was haben wir zu verlieren?

In unseren Gast-Kommentaren schildern die Autor:innen ihre persönliche Meinung zu einem selbst gewählten Thema. Sie sind Teil der Kultur von Meinungsvielfalt in unserem Medium und ein Beitrag zu einer Kirche, deren Anliegen es ist, die Zeichen der Zeit zu erkennen.

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