SEXUALISIERTE GEWALT

Recklinghausen: Vor Gerichtsprozess gedenkt Pfarrei der Missbrauchsopfer

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Blutbuchen erinnern an Missbrauchs-Betroffene im Bistum Münster. In Recklinghausen setzt die Pflanzaktion auch Zeichen vor einem aktuellen Prozess.

Dass sexualisierte Gewalt kein Thema der Vergangenheit ist, durchlebt die Pfarrei Liebfrauen Recklinghausen: Auch dort wurde eine Blutbuche in Erinnerung an Missbrauchsopfer gepflanzt. Zugleich ist für den 9. Dezember der Prozess gegen den früheren Liebfrauen-Pfarrer wegen des Besitzes kinder- und jugendpornografischen Materials angesetzt.

„Das zeigt: Das Thema bleibt“, sagt Judith Pieper zu Kirche+Leben. Die Pastoralreferentin teilt sich die Pfarreileitung mit Pastor Wolfgang Stübbe, seit der nun Angeklagte vom Amt als Pfarrer in Recklinghausen entpflichtet wurde.

Kinderpornografie-Prozess gegen Pfarrer

Auch wenn bis Prozessende selbstverständlich die Unschuldsvermutung gelte, betont Pieper: „Wer auch immer kinderpornografisches Material erstellt, macht sich des Verbrechens sexualisierter Gewalt an den abgebildeten Kindern schuldig.“ Weil es den Fall des Pfarrers gibt, habe sich die Pfarrei mit der Blutbuchen-Aktion „auch mit Blick auf den Prozess noch einmal positionieren“ wollen.

Das Pflanzen einer Blutbuche in jeder Bistums-Pfarrei geht auf eine Idee der Arbeitsgruppe Erinnerungskultur im Bistum Münster zurück, in der auch Missbrauchs-Betroffene mitwirken. Die Gruppe hatte sich für eine Blutbuche entschieden wegen deren dunkler Blätter und des „trauerartigen“ Wuchses.

Vesper vor der Pflanzaktion

In Liebfrauen wurde der Baum an der Pfarrkirche gepflanzt – nach einem eigens angesetzten Vespergottesdienst: „Es war uns wichtig, die Aktion im Gebet zu begleiten“, so Pieper. Rund 50 Gläubige hätten die Vesper gebetet, darunter die Leitung des Kita-Verbunds und jeder der fünf Kitas der Pfarrei.

Es habe auch Anfragen „aus der Mitte der Gemeinde“ gegeben, berichtet die Seelsorgerin. „Ich selbst bin doch nicht schuldig“ – so der Einwand. Die Diskussion in den Gremien sei aber rasch zum Ergebnis gekommen: Wir pflanzen.

Missbrauchs-Taten auch in einem historischen Fall

„Wir wollen Zeichen setzen, dass wir in Recklinghausen nicht weiter schweigen“, so Pieper. „Wir wollen uns mahnen lassen, dass wir Unrecht sehen müssen. Dass wir reagieren. Dass wir Hilfe holen, wenn wir etwas bemerken oder selbst Unterstützung brauchen.“

Mit Missbrauch und Schweigen war die Pfarrei Liebfrauen historisch bereits konfrontiert: Von 1978 bis 1985 war ein Priester trotz Verurteilung wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in der damals selbstständigen Pfarrei Petrus Canisius tätig. Pieper sagt, auch dort sei es zu übergriffigen Situationen gekommen.

Was die Pfarrei heute gegen Missbrauch tut

Heute sei das Institutionelle Schutzkonzept ein zentraler Baustein der Prävention in der Pfarrei. „Besonders die Kitas arbeiten damit“, beschreibt die Pastoralreferentin. Das Konzept liege auch in allen Kirchen und Pfarrheimen aus, sodass jede und jeder es einsehen und handeln könne.

Und: „Bei uns hat, so ist unser Anliegen, niemand mit Kindern zu tun, der nicht mindestens die dreistündige Präventionsschulung absolviert hat.“ Das gelte auch für die Katechetinnen und Katecheten der Erstkommunion-Vorbereitung, die in diesen Wochen gestartet sei.

Im Bistum Münster sind in diesen Tagen insgesamt mehr als 100 Blutbuchen gepflanzt worden, meldet die Bischöfliche Pressestelle. Sie sollen demnach sowohl an die Taten sexualisierter Gewalt und das Leid der Betroffenen erinnern als auch an die Vertuschung der Taten durch kirchliche Verantwortungsträger. Der Wuchs und die dunkel gefärbten Blätter des Baumes sollen die „Dauerhaftigkeit leidvoller Erfahrungen“ symbolisieren, heißt es. | pbm, jjo

Update 19. Nov.: Kasten

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