Gymnasium setzt sich mit Heinrich Maria Janssen aus Hildesheim auseinander

Missbrauch: Gaesdonck-Schüler wollen Entfernung von Bischofs-Fenster

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Am 13. Juni wird das Gutachten über sexuellen Missbrauch im Bistum Münster vorgestellt. In einigen Gemeinden und Einrichtungen, in denen Verbrechen dieser Art geschehen sind, haben wir nachgefragt, wie sie das Thema bisher aufarbeiten. Das bischöfliche Internatsgymnasium Gaesdonck (bei Goch, Kreis Kleve) setzt sich ausführlich mit Missbrauch auseinander. Die Schülerschaft hat nun Konsequenzen gefordert.

Markus Oberdörster steht im Kreuzgang der Gaesdonck vor dem Fenster von Heinrich Maria Janssen (1907-1988). Ein Gutachten wirft dem früheren Bischof von Hildesheim vor, während seiner Amtszeit sexualisierte Gewalt wissentlich geduldet zu haben. Offen ist, ob er sich selbst an Kindern vergangen hat. Janssen war Schüler der Gaesdonck und hat dort Abitur gemacht, bevor er Münsteraner Priester und später Bischof wurde.

Das Fenster im Kreuzgang befindet sich zwischen anderen sogenannten Bischofsfenstern, zum Beispiel zwischen dem von Werner Thissen und Franz Kamphaus. Die Bischofsfenster sind eine Art Ehrengalerie der Schule. Es gibt eine ganze Reihe davon. Doch das aktuelle Votum aus der Schülerschaft ist eindeutig: Das Fenster von Janssen muss raus. Es hat in der Ehrengalerie nichts mehr verloren.

Hildesheimer Gutachten gab den Ausschlag

Das Gelände des Collegium Augustinianum Gaesdonck bei Goch. | Foto: Jürgen Kappel
Das Gelände des Collegium Augustinianum Gaesdonck bei Goch. | Foto: Jürgen Kappel

Unter den Fenstern von Janssen und Thissen sind von Arbeitsgemeinschaften erklärende Texte angebracht worden. Texte, die auf die Verbindung der beiden Personen zum Thema sexueller Missbrauch hinweisen. Eine Arbeitsgemeinschaft von zwei aufeinanderfolgenden Leistungskursen Religion hat sie formuliert und den heutigen Sachstand recherchiert. Nachdem das Hildesheimer Gutachten die Verstrickung Janssens mit sexuellem Missbrauch und die Vertuschung in seinem Bistum noch einmal deutlich hervorgehoben hatte, appellierte die Arbeitsgemeinschaft an den Stiftungsvorstand der Gaesdonck, das Janssen-Fens­ter zu entfernen.

„Die Schüler haben das Thema nicht boulevardisiert, es vielmehr von allen Seiten seriös beleuchtet und alle Aspekte einbezogen. Eine überzeugende und dem Thema gerade aus Sicht der Schule angemessene Arbeit“, sagt Direktor Oberdörster. „Wir haben das Votum im Stiftungsvorstand, dem auch Weihbischof Rolf Lohmann angehört, diskutiert und sind gemeinsam zu der Auffassung gekommen, dass wir diesem Votum nicht widersprechen wollen“, sagt er. „Es hat uns gezeigt, dass die jungen Leute mit der schwierigen Situation umzugehen wissen.“

Janssen-Fenster bislang das einzige Missbrauchsthema

Die Missbrauchs-Geschichte von Bischof Heinrich Maria Janssen ist bislang die einzige mit so klaren Schuld-Belegen. „Wir haben vielleicht Glück gehabt“, sagt Oberdörster. Er ist seit 2018 Direktor der Gaesdonck. Seitdem hat er sich intensiv mit dem Stiftungsvorstand um die Aufarbeitung des Themas bemüht.

Er hat viele Gespräche geführt, mit Eltern, Schülern, Ehemaligen. Vor allem mit Ehemaligen. Er hat zu ergründen versucht, ob sich vielleicht doch ein Verdacht von sexuellem Missbrauch auftut. „Mit der gebotenen Vorsicht können wir heute sagen, dass es bislang noch keinen validen Hinweis gegeben hat“, sagt er. Soweit der Ist-Zustand. „Aber morgen kommt vielleicht eine andere Meldung“, sagt er.

Auch an der Gaesdonck gab es schwarze Pädagogik

Das Gelände des Collegium Augustinianum Gaesdonck bei Goch. | Foto: Jürgen Kappel
Das Gelände des Collegium Augustinianum Gaesdonck bei Goch. | Foto: Jürgen Kappel

Immer wieder sei in den Gesprächen deutlich geworden, dass auch die Gaesdonck von Vorstellungen ihrer Zeit geprägt gewesen sei. Die pädagogische Situation sei aus heutiger Sicht sicher manches Mal fragwürdig gewesen, sagt er. Es habe auch in der Gaesdonck das gegeben, was damals in anderen Häusern gängige Praxis war: abgeschlossene Systeme zwischen Erziehern und Schülern. Einflussreiche Spirituale, wenig Transparenz, und nicht immer seien einzelne Schüler mit den Lehrern und Erziehern zurechtgekommen. Aber konkrete Hinweise zum Thema Missbrauch habe es bei ihm nicht gegeben. Vereinzelte Meldungen seien wohl beim Bistum angekommen. Von dort habe er keine Rückmeldungen erhalten.

Offener Brief an die Ehemaligen

Im September 2021 schrieb Oberdörster einen offenen Brief an die Ehemaligen. Er versucht noch einmal Klarheit zu erlangen und bittet sie, falls sie Kenntnis von Übergriffen erlangt hätten – sei es persönlich als Opfer oder bei Dritten – sich mit ihm oder einer Vertrauensperson des Bistums in Verbindung zu setzen. „Haben Sie Vertrauen“, bittet er die Ehemaligen.

Die Präventionsarbeit an der Gaesdonck wird großgeschrieben. Es gibt Leitfäden, in denen Arbeitsgruppen aus dem Kollegium sowohl Lehrkräfte und Erziehende als auch Schülerinnen und Schüler sensibilisieren, entsprechend zu reagieren, auch wenn sich ein Bauchgefühl ohne beweiskräftiges Verhalten zeigt. Wichtig sei: nicht wegsehen, die Vorgehensweise dokumentieren und sich austauschen, die Leitung informieren. „Das passiert auch“, sagt Oberdörster. Er weiß sich in dieser Beziehung eins mit anderen Einrichtungen des Bistums.

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